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Tales From The Script - Wie stehen wir zum Thema Horrorfilm?

von Constantin Wieckhorst

Was bedeutet dir der Horrorfilm als Genre?

Für mich sind Horrorfilme genauso wie Actionfilme das vermutlich spannendste Genre überhaupt. Nirgendwo wird soviel Ausschussware produziert und gleichzeitig Meilensteine geschaffen, die das Publikum über Jahrzehnte begeistern. In jungen Jahren war es die Suche nach dem nächsten härteren Stoff, mittlerweile genieße ich die vielschichtigen Möglichkeiten und Gedankengänge, die das Genre zu erzählen weiß. Vor allem aber die Anspannung und loslösen davon, erzeugt bei mir immer wieder ein wohliges Gefühl im ganzen Körper. Vielleicht erklärt das auch, warum Horrorfilme in den letzten Jahrzehnten so sehr an Popularität gewonnen haben. Oder hättet ihr jemals gedacht, dass ein Film wie Terrifier 2 in Deutschland auf die 1 geht?

Wann waren deine ersten Berührungspunkte mit dem Horrorfilm?

Ich bin ein Kind der 80er und wenn ich sage, dass ich viel zu früh mit Filmen für Erwachsene konfrontiert wurde, ist das keineswegs gelogen. Viele erkennen sich darin vielleicht wieder. Die Eltern sind selbst irgend sowas wie Geeks und das Cineasten-Futter kam wöchentlich aus der Videothek. Vornehmlich Action und Horror. Und der kleine Mike hat natürlich mitgeschaut. Zwei Filme, die sich mehr als eingeprägt haben, waren A Nightmare on Elmstreet und Dial Code Noel. Ob das nun gut oder schlecht war, lassen wir mal dahingestellt.

Was hat das mit dir gemacht und inwieweit haben dich diese (Seh)Erfahrungen geprägt?

Zwei Emotionen sind bei mir noch sehr ausgeprägt greifbar. Faszination und Angst. Furcht ist ein mächtiges Werkzeug und hat bei mir dazu geführt, dass ich die Nightmare Reihe erst in späteren Jahren wieder schauen und mich mit ihr versöhnen konnte. Das fantastische Element in Horrorfilmen fasziniert mich heute noch mit am stärksten und hat eine ganz besondere Wirkung auf mich. Als z. B. damals viele Bekannte das Ende von Hereditary belächelt haben, hat es bei mir geradezu Euphorie ausgelöst.

Gibt es Filmszenen oder bestimmte Momente, die dir bis heute noch lebhaft in Erinnerung geblieben sind?

Am meisten bleiben bei mir Momente hängen, die nah an der Realität gebaut sind. Überbordende Gewalt o.ä ist da nicht das Thema, mehr der psychologische Aspekt. The Innocents von 2022 ist mir nachhaltig im Kopf geblieben, da er durchaus Härten aufweist, die einen emotional aus dem Sattel werfen können. Eine andere Szene, wenn auch komplett andere Richtung, war das Ableben von Jenny aus The Human Centipede. Der Streifen hat mich damals ohnehin einige Tage verfolgt.

Hast du im Hinblick auf den Horrorfilm spezielle Subgenres, die für dich so etwas wie ein Steckenpferd darstellen?

Die Antwortet lautet ja. Elevated Horror, also wenn Arthouse und Horror eine Verbindung eingehen. Wenn ein intelligentes Drehbuch auf Horror trifft, können wahre Schätze entstehen und ich liebe es, wenn mich ein Film damit überrascht. Das kann gerne im Independent Bereich passieren. Große Budgets sehe ich da meistens als Hindernis. Das zweite wären wohl Slasher-Streifen. Stumpf ist manchmal Trumpf.

Haben sich deine Vorlieben diesbezüglich im Laufe der Jahre verändert?

Mit Filmen ist es manchmal wie mit einem guten Wein. Vieles begreift man erst, nachdem man sich einige Jahre durch die schier endlose Auswahl probiert hat. So wie sich die Sensorik der Geschmacksknospen verändert, verändern sich über die Jahre auch die Sehgewohnheiten und Wahrnehmungsstufen. In der Jugend wollte ich es ohne Umwege straight in your Face und heute weiß ich einen Slowburner mehr zu schätzen als die reine Exploitation. Zwischendurch gab es auch Jahre, in denen ich das Horror-Genre weitestgehend gemieden habe. Aktuell habe ich sehr viel Spaß am Genre und freue mich über jeden neuen Beitrag.

Gibt es Subgenres, die dir noch nie zugesagt haben?

Prinzipiell bekommt jede Gattung eine Chance bei mir. Am wenigsten mag ich allerdings Torture Porn und Creature Features. Das eine ist mir zu banal, das andere meist zu langweilig.

Wie sieht deine aktuelle Top Ten in Sachen Horrorfilme aus?

Na riesig, die Gretchenfrage. Nun gut, ab gehts:
1. Der Exorzist
2. Dawn of the Dead (Das Original)
3. The Lost Boys
4. Fright Night
5. A Nightmare on Elmstreet (Das Original)
6. The Witch
7. Evil Dead (Das Remake)
8. Hereditary
9. It Follows
10. Terrifier 2

Welches Jahrzehnt würdest du im Hinblick auf das Horrorgenre als das stärkste bezeichnen?

Diese Frage ist für mich nicht so einfach zu beantworten. Jedes Jahrzehnt hat seine eigenen markanten Glanzlichter, vor allem die Frühwerke aus den 30ern waren prägend, deren Machwerke ich derzeit aufarbeite. In den 70ern wurden einige unfassbar gute Grundsteine gelegt, man denke nur mal an Der Exorzist. Ein Film, der bis heute immer wieder adaptiert wird und der im Grunde die Stilrichtung definiert und gleichzeitig auserzählt hat. Alles, was danach kam, waren lediglich Variationen. Aber um eine Antwort zu geben, wären es für mich die 80er Jahre. Kein anderes Jahrzehnt hat soviel Kult produziert, der z.T. heute noch weitergeführt wird. Man denke an Reihen wie Evil Dead, Hellraiser, A Nightmare on Elmstreet, Freitag der 13. oder Poltergeist. Großartige Unterhaltung.

Von was würdest du im Horrorbereich zukünftig gerne mehr sehen?

Junge Talente, die die Möglichkeit bekommen, ihr Stoffe zu verwirklichen. A24 hat z. B. einen wirklich tollen Output und gibt abseitigen Geschichten eine Chance. Das mag ich sehr, auch wenn diese nicht immer mit Erfolg gekrönt sind. Ebenfalls habe ich großen Gefallen an Damien Leone´sTerrifier gefunden, der einen Charakter etabliert hat, der in allerbester Tradition zu den Ikonen der 80er steht. Die Härte und den Humor der Filme habe ich sehr gemocht. Wenn sich dadurch eine neue Kompromisslosigkeit im Genre breit macht, bin ich gerne dabei.

Hast du abschließend noch ein paar echte Geheimtipps, die selbst bei eingefleischten Horrorfans gerne mal unter dem Rader fliegen?

Ich weiß nicht, ob es für Horror Hardliner noch Geheimtipps gibt, hier jedoch einige Streifen, die ich als stark unterschätzt empfinde:

The Neon Demon
NFR
ist visuell einfach ein Genie.

Titane
Hat mich umgehauen. Visuell als auch vom Drehbuch.

The Dark and the Wicked
Ein Slowburner und maximal unbequem. Muss man mögen.

A Dark Song
Einer der besten Horrorfilme aus 2021 und obendrein noch ein Regiedebut. Schaubefehl.

Bad Hair
Hairlich weird und stilsicher in Szene gesetzt. Kleine feine Perle.

The Toll
Erzeugt ein fantastisches Stimmungsbild, auch wenn ihm in der zweiten Hälfte die Puste ausgeht.

Hagazussa - Der Hexenfluch
Ein Freudenfest für Cineasten. Sehr entschleunigt mit großartugen Bildern.

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