Er gehört zu den beeindruckenden Größen, die das Schauspielkino unserer Zeit hergibt: Joaquin Phoenix. Es wäre kaum vermessen zu behaupten, dass Phoenix momentan sogar die absolute Speerspitze in Sachen Charakter-Darstellung bedeutet: So nuanciert, so imposant, so eruptiv und nachhaltig vermag es einfach kein anderer Künstler seiner Zunft, einer Figur Eigenleben- sowie Dynamik zu verleihen. Zum Kinostart von „Inherent Vice – Natürliche Mängel“, in dem Joaquin Phoenix zum zweiten Mal mit Mastermind Paul Thomas Anderson zusammenarbeitete, haben wir uns Gedanken gemacht, welche 10 Filme wir euch mit dem sensationellen Schauspielgenius ans Herz legen. Viel Spaß! (PS: Unschwer am Avatar zu erkennen, ist der Autor dieses Ranking leidenschaftlicher Anhänger des Mannes)
Handlung: Es sind nur wenige Sekunden, doch danach ist nichts mehr wie zuvor: Hilflos muss Ethan mit ansehen, wie sein zehnjähriger Sohn Josh von einem Auto erfasst und getötet wird. Der Täter begeht Fahrerflucht. Wie besessen und von Rachegefühlen getrieben, sucht Ethan nach Hinweisen, die ihn auf die Spur des Flüchtigen führen könnten. Dabei merkt er nicht, wie er sich immer mehr von seiner trauernden Frau Grace und seiner kleinen Tochter entfremdet. Währenddessen plagen Dwight, den Gejagten, schwere Gewissensbisse. Allein die Angst, seinen Sohn endgültig an seine geschiedene Frau zu verlieren, hält ihn davon ab, sich dem Gesetz zu stellen. Doch als Ethan rechtlichen Beistand sucht, wird ausgerechnet Dwight als Anwalt mit der Betreuung des neuen Klienten betraut...
Darum in der Top 10: Regisseur Terry George versucht sich an einer Rachegeschichte, wobei diese Bezeichnung den Film nur grob umreißt. Es geht um mehr, angefangen von Trauer über Angst bis hin zum Hass. Alles wird wirklich sehr sorgsam vorbereitet für das Finale, was sich in seiner dramatischen Konsequenz klar von anderen Filmen mit ähnlicher Thematik abhebt. Doch bis dahin läuft der Film zu oft auf der Stelle. Denn während die Entwicklungen der beiden Hauptfiguren Dwight und Ethan viel zu regressiv und erzählerisch unmotiviert bleibt, versucht der Film hin und wieder auch kleine kriminalistische Genreelemente einzufügen die aber nicht stark genug sind die emotionale Geschichte zu festigen. Der Film ist aber keineswegs misslungen, er bietet Emotionen auf hohem Niveau und Darsteller, allen voran Phoenix, die das Drama letztlich doch zu einem sehenswert Film machen.
07. Army Go Home!
Handlung: Er ist nicht wirklich kriminell, aber smart. Ray Elwood versteht es, die lähmende Langeweile in einer amerikanischen Kaserne in Deutschland gewinnbringend zu umgehen. Zu seiner Überraschung lauert die Korruption überall, und der Ärger ist vorprogrammiert, als er damit sich und seine große Liebe Robyn die Tochter des Commanders in Lebensgefahr bringt.
Darum in der Top 10: Schwarzhumorige Satire über Gis, die ihr Leben während Ende des Kalten Krieges in Deutschland fristen. Statt gegen die Russen kämpfen die Soldaten gegen den eigenen Überdruss an Langeweile und verdienen sich ein Zubrot durch das Herstellen von Heroin. Rustikal ehrlich inszenierte Regisseur Gregor Jordan diesen Film, der leider bereits vergessen wurde, bevor der überhaupt in die Kinos kam. Ganz nebenbei erstellt „Army go home!“ dazu noch ein psychologisches Profil von Soldaten, wie man es her selten in Filmen sieht. Einige Jahre später versuchte sich Sam Mendes mit „Jarhead“ an einer ähnlichen Aufgabe. Sein Film wirkt direkter und straffer. Dieses Manko gleicht „Army go home!“ aber durch erfrischende Kaltschnäuzigkeit, einer anmutigen Romanze zwischen Joaquin Phoenix und Anna Paquin sowie viel Autarkie wieder aus.
06. The Immigrant
Handlung: Europa, 1921: Auf der verzweifelten Suche nach einem Neustart und dem amerikanischen Traum, wandern Ewa und ihre Schwester Magda aus ihrer polnischen Heimat nach New York aus. Bei ihrer Ankunft auf Ellis Island stellen die Ärzte bei Magda jedoch eine Lungenkrankheit fest und die beiden Schwestern werden voneinander getrennt. Während sich Magda in Quarantäne befindet, landet Ewa allein auf den gnadenlosen Straßen von Manhattan. Allein, ohne einen Zufluchtsort, Geld und verzweifelt ihre Schwester wiederzusehen, gerät sie in die Fänge von Bruno, einem charmanten aber durchtriebenen Kerl, der sie bei sich aufnimmt und zur Prostitution zwingt. Eines Tages aber lernt Ewa den faszinierenden Magier Orlando kennen - Brunos Cousin. Er erobert ihr Herz im Sturm und wird schnell zu ihrer einzigen Chance, dem Albtraum, in den sie hineingeraten ist, zu entkommen.
Darum in der Top 10: Inmitten der komprimierten Farbpalette, die „The Immigrant“ tatsächlich wie einen Film aus längst vergangenen Tagen wirken lässt, wo der Hintergrund des Bildes in schalen Gelbtönen verschwimmt und nur das durchschlagende Licht der Taschenlampen den farblich arretierten Raum in spitzen Kegeln durchbricht, um bis zum Zuschauer vorzudringen, wird Ewa in ein unstetes Amerika geworfen, welches sich nicht entscheiden kann, ob es sich die Schuld und den Schmerz seiner Einwanderer aufbürden soll oder ob es sich doch bereit zeigt, Zuversicht zu spenden. Orlando entgegnet der zwischenzeitig zur 2-Dollar-Hure verdammten Ewa mit positiver Note, bewahrt sich ein ehrliches Lächeln, muss aber später noch dafür büßen, ist sich Bruno doch nicht im Klaren darüber gewesen, in welch prekäre Situation ihn die Ausmaße seiner Zuneigung zu Ewa noch manövrieren werden: Wie Joaquin Phoenix diese – im Endeffekt – Überrumpelung schierer Menschlichkeit ausspielt, gehört erneut zur höchsten Klasse einnehmender Performancekunst.
05. Walk the Line
Handlung: USA mitte der 50er Jahre: Der aus armen Verhältnissen stammende J.R. Cash heiratet nach seiner Dienstzeit beim Militär in Deutschland seine junge Freundin und bekommt mit ihr zusammen ein Kind. Er träumt von einer Karriere als Musiker und es gelingt ihm eines Tages mit einigen seiner älteren Songs, die er während seiner Militärzeit geschrieben hatte, eine Platte aufzunehmen. Cashs Aufstieg ist rasant und bei einem seiner Auftritte lernt er die Sängerin June Carter kennen und beginnt sich in sie zu verlieben, doch auch June ist verheiratet. Johnny landet einen Hit nach dem anderen und verfällt immer mehr der Tablettensucht, in die er sich immer mehr hineinsteigert. Bald hat Johnny sein Leben und die Sucht nicht mehr unter Kontrolle, seine Tour wird gecancelt und seine Frau zieht mit den Kindern aus. Johnny steht kurz vor dem Aus...
Darum in der Top 10: Cash versucht den wachsenden Erfolg mit erhöhtem Drogenkonsum zu kompensieren und driftet immer weiter in den Bereich der Selbstzerstörung. Er hat keine Zeit für seine Frau, keine Zeit für die Erziehung seiner Kinder und die Ehe zerbricht aufgrund einer neuen Liebe, die ihn letzten Endes vor dem katastrophalen Sturz rettet. Durch die Stadien der Schüchternheit bis zur gestandenen Reife zieht „Walk the Line“ uns streckenweise unheimlich fesselnd in das Geschehen, auch wenn die Faszination Cashs für die Musik nie wirklich angesprochen wird. Letztlich bekommen wir einen Film über den Menschen Cash serviert, der über die Fehler, die Gefühle und die Entwicklung dieses Mannes spricht.