Story: Herbst 1989. Die Mauer fällt. Die Machtverhältnisse verschieben sich in atemberaubender Geschwindigkeit. Doch noch weiß niemand, ob die Revolution weiter friedlich verlaufen wird. Die Ereignisse dieser Zeit stellen auch die Familie Kupfer vor schwere Zerreißproben. Martin Kupfer (Florian Lukas) versucht mit Hilfe einer westdeutschen Journalistin (Lisa Wagner), seine Tochter Anna zurück zu bekommen. Sein Bruder Falk (Jörg Hartmann) ist einer jener Offiziere des MfS, die bereit sind, alles dafür zu tun, dass die Macht der SED erhalten bleibt, während sein Vater General Hans Kupfer (Uwe Kokisch) gegen jede weitere Eskalation ist. Dunja Hausmann (Kathrin Saas) und Vera Kupfer (Anna Loos) wollen auf Seiten der Bürgerrechtsbewegung das Land demokratisch umgestalten. Aber nicht nur sie werden von dunklen Geheimnissen eingeholt.
Machen wir uns nichts vor: Im Vergleich zu den vielen hochklassigen amerikanischen Serien, die den Markt derzeit überschwemmen, galt das deutsche Fernsehen lange einfach nur als schlecht. Mit „Weissensee“ jedoch, da sind sich Kritiker wie Publikum einig, ist den Machern nun auch hierzulande eine gleichermaßen intelligente, wie auch unterhaltsame und spannende Serie gelungen, die amerikanische Vorbilder nicht scheuen muss. Eine Serie, die dazu auch noch im Ausland äußerst erfolgreich ist.
„Weissensee“ erzählt quasi die Jahre der DDR vor der Wiedervereinigung vor nunmehr genau 25 Jahren. Tatsächlich wurde die DDR als Staat in deutschen Filmen lange veralbert und verharmlost. Erst Florian von Donnersmark lieferte einen filmischen Befreiungsschlag. Mit „Das Leben der Anderen“ gelang eine ernsthafte und packende Auseinandersetzung mit dem SED-Regime und deren Überwachung und Verfolgung. Die Serie „Weissensee“ schlägt in eine ähnliche Kerbe und nähert sich dieser Zeit auf eine ebenfalls sehr authentische Weise.
Im Kern geht es um die Familien Kupfer (eng mit der Stasi verbandelt) und Hausmann (offene Systemkritiker). Während die erste Staffel noch Ereignisse im Jahre 1980 beleuchtete, bewegte sich die Fortsetzung nach einem Zeitsprung schon im 1987 und damit in einer politischen Phase, in der sich erste laute Proteste gegen die Stasi formierten. Die kürzlich veröffentliche und uns vorliegende dritte Staffel bildet nun vorerst den Abschluss der Trilogie und beleuchtet die Ereignisse vom Fall der Mauer 1989 bis zur Stürmung der Stasi-Zentrale im Januar 1990.
„Weissensee“ verarbeitet einerseits die Machenschaften der Stasi und zeigt auf, weshalb der Staat so lange sein Volk einschüchtern und kontrollieren konnte. Familie Kupfer wird mehr oder weniger von einem Stasi-Patriarch (Uwe Kockisch) angeführt, der allerdings des ewigen Phrasendreschens der DDR müde geworden ist und realisiert hat, dass ein Umbruch nicht mehr aufzuhalten ist. Anders sein Sohn Falk Kupfer (Jörg Hartmann), der an die DDR als Staat glaubt und dem als Stasi-Offizier alle Mittel recht sind, um alle Gegner zu „zersetzen“. Vor allem in der dritten Staffel ist dieser Falk ein Fiesling par excellence und wie in vielen anderen Serien (es wurden bereits Parallelen zu "House of Cards" gezogen) die interessanteste Figur der Serie. Das liegt vor allem auch Jörg Hartmann, der hier absolut brilliert und eine unglaubliche Bandbreite an Gefühlen auffährt. Dafür wurde er auch völlig zurecht mit dem Deutschen Fernsehpreis als bester Schauspieler ausgezeichnet. Andererseits gebührt das Lob auch den Drehbuchautoren Annette Hess und Friedemann Fromm (der auch Regie führte), die viele emotionale und denkwürdige Dialoge geschrieben, ihre Figuren sehr vielschichtig gezeichnet haben und deshalb auch jedem Charakter eine Entwicklung zugestehen. Jeder Charakter verkörpert eine eigene Denkweise.
So dramatisch die Serie zuweilen auch ist, so schockierend manche Stasi-Methoden anmuten: Die in den DDR-Alltag verflochtenen Charaktere werden nicht in Schwarz und Weiß gezeichnet, sondern von mehreren Seiten beleuchtet. Alle haben ihre Ängste und Beweggründe, auch ein vermeintlich düsterer und auch über Leichen gehender Stasi-Offizier wie Falk Kupfer es ist. Apropos düster: Vor allem die dritte Staffel ist noch einen Tick bedrückender als die Vorgänger. Das Ost-Berlin vor der Wende wirkt kalt und grau, viele Szenen spielen bei Nacht und Regen.
Doch es gibt auch die schönen Momente, denn die Liebe zur Familie und zum Partner ist ein elementares und starkes Gefühl, dass immer wieder hervorgehoben wird und oft im starken Kontrast zum diktatorischen Regime steht. Das beginnt in der ersten Staffel mit der etwas von Shakespeares Romeo und Julia angehauchten Liebesgeschichte von Julia Hausmann (Hannah Herzsprung) und Martin Kupfer (Florian Lukas). Martin kommt aus einer Stasi-Familie, deren Wohlstand dem Staat zu verdanken ist, Julia ist die Tochter einer bekannten Sängerin (Katrin Sass), die ihren Promistatus für offene Kritik am Regime nutzt. Eine schwierige Beziehung, die von Martins Vater irgendwann geduldet, von seinem Bruder Falk jedoch bekämpft wird und zu einem folgenschweren Ende führt. Für seinen Staat riskiert Frank auch die Trennung von seiner eigenen Frau Vera (Anna Loos) die fortan zu einer scharfen Kritikerin der DDR wird und dem „Neuen Demokratischen Forum“ beitritt. Aber auch abseits dieser Handlungsstränge gibt es kleine gefühlvolle Nebengeschichten, die in der nun vorliegenden Staffel alle verdichtet und zusammengeführt werden. Neu in der Geschichte und eine nette Auflockerung ist die Journalistin Katja Wiese (Lisa Wagner), die sich in Martin verliebt. Da duellieren sich oft unterschiedliche Sichtweisen zwischen Ost und West, Vorurteile werden amüsant auf die Schippe genommen.
Die Handlung an sich ist überschaubar und schreitet sehr linear und stringent voran. Man könnte einzelne Handlungsstränge nun analysieren, nachzeichnen und mit der tatsächlichen Geschichte vergleichen, aber das ist unmöglich ohne zu viel zu verraten. Der Mauerfall, der klar im Mittelpunkt steht, ist jedoch völlig kitschfrei inszeniert und liefert einige aufschlussreiche geschichtliche Hintergründe. Zumal die Regierung bis zuletzt davon ausging, dass die DDR als Staat weiterhin bestehen bleibt und eigene in den Westen geflohene Bürger reumütig wieder zurückkommen werden. Das ist spannend inszeniert und hat in den besten Momente echte Thrillerqualitäten. Kritisieren könnte man höchstens, dass die Dramatik zuweilen etwas erzwungen erscheint. Ganz nach dem amerikanischen Vorbild sterben oder verschwinden ganz plötzlich Hauptcharaktere, was natürlich nicht ohne Auswirkungen auf das Umfeld bleibt. Neueinsteiger sollten auf jeden Fall mit der ersten Staffel in die Geschichte einsteigen und sich mit den Charakteren und deren Motivation vertraut machen.
Handwerklich ist die Serie nach wie vor über jeden Zweifel erhaben. Wie hier der Charme der DDR eingefangen wurde ist wirklich beeindruckend. Von dem Set- und Kostümdesign, die städtischen Drehorte und den Trabifuhrpark wirkt alles sehr authentisch. Auch Kameraführung, Schnitt und Soundkulkisse sind höchst professionell.
Fazit: "Weissensee" ist eine sehr spannende und soghafte deutsche Serie, für die man ganz klar eine Empfehlung aussprechen kann. Die Produktion bewegt sich auf absolut hohem Niveau und die Schauspielervermögen es den Zuschauer emotional mitzureißen. Besser und eindringlicher könnte eine Dokumentation die letzten Tage der DDR womöglich nicht einfangen. Lediglich die manchmal zu konstruierte und erzwungene Dramatik sowie das recht offene und etwas geschönte Ende sorgen für leichte Abzüge.