5.0

MB-Kritik

District Terminal 2021

Drama

5.0

Bardia Yardegari
Baran Rasoulof
Maryam Moradi
Farideh Azadi
Ali Kamali
Sara Ajorloo
Reza Bahrami

Inhalt

Teheran in naher Zukunft: Umweltverschmutzung und ein todbringendes Virus haben die Stadt zur Müllhalde werden lassen. Der Bevölkerung bleibt nur die Wahl zwischen Emigration und Quarantäne. Der Junkie-Poet Peyman lebt mit seiner Mutter in einem Viertel, das rund um die Uhr überwacht wird. Peyman kämpft ums Überleben und widmet seine Zeit abwechselnd seiner ebenfalls drogensüchtigen Teenager-Tochter, einer in den USA lebenden Frau, die er geheiratet hat, um auswandern zu können, Gesprächen mit seinen beiden engsten Freunden Ramin und Mozhgan und der Affäre mit einer Frau, in die er unglücklich verliebt ist.

Kritik

Wenn man ein episches Werk verfassen möchte, egal ob in filmischer oder literarischer Form, ist es von Vorteil zu wissen, was man darin wie vermitteln möchte. Sonst tritt man entweder auf der Stelle oder verliert sich ewiger in wirrer Polemik. Das lehrt Bardia Yadegaris und Ehsan Mirhosseinis (There is No Evil) Berlinale Encounters Beitrag gleich doppelt: Zum einen in der Haupthandlung ihrer experimentieren Sci-Fi-Parabel im Cut-up-Stil, zum anderen mittels deren verworrener Struktur und inhaltlicher Verklausulierung. 

Zweite legt nahe, dass die iranischen Filmemacher ursprünglich womöglich eine konkrete Aussage hatten, während der Produktionsphase kamen jedoch entweder Zweifel auf, der Mut abhanden oder der Lockdown dazwischen. Zu groß war die Verlockung, das, was als psychologische Allegorie auf die alltägliche Paranoia und totalitäre Staatskontrolle des iranischen Regimes begonnen hatte, mit einem brandaktuellen Kommentar zur radikal veränderten Weltlage zu kombinieren. Das Potenzial eines solchen Parallelisierens ist enorm; ebenso die Enttäuschung über dessen gescheiterten filmischen Ausdruck.

Unmissverständlich ist in der monotonen dreigleisigen Charakterdekonstruktion lediglich der Bezug zu literarischen Vorbildern von Ginsberg über Kafka bis Dorfman, dessen Zitate die Handlung einleiten und den drogensüchtigen Hauptcharakter Peyman (pointiert: Regisseur Bardia Yadegari) inspirieren. Die Publikation des Gedichts, an dem der joggende Junkie in einem maroden Teheraner Wohnblock seit zehn Jahren schreibt, verhindert ein kafkaesker Schreibtischtäter. Bis Peyman buchstäblich alles anzünden will. Dass die obskure Regierungsmacht inzwischen die gleiche Idee hatte, wirkt da direkt erlösend.

Fazit

Die chronologisch und atmosphärisch aufgesplitterte Dystopie tarnt regimekritische Allegorien und vage Gegenwartsbezüge als Manifestation des drogenumnebelten Dichtergeistes im Zentrum der konkurrierenden Alternativrealitäten. Deren trostlose Hochhauslandschaften zerfallen unbeachtet wie die Körper deren letzter Bewohner. Alle versuchen dieser Hölle zu entkommen: in Heroinrausch, Wahnsinn oder eine einzig auf dem PC-Screen präsente Welt, in der Menschen sich frei untereinander bewegen. Vor dem Trauma gibt es indes kein Entfliehen. Hoffnung auf eine bessere Zukunft kennen nur die Privilegierten.

Autor: Lida Bach
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