Inhalt
Mit nur 16 Jahren stößt Robbie Williams zu Take That und katapultiert sich in den Pop-Olymp. Doch seine Weltkarriere wird zu einer emotionalen Achterbahnfahrt zwischen Erfolg, Selbstzweifeln und dem Kampf gegen Drogensucht und persönliche Krisen. Kurz vor dem völligen Absturz steht er vor der Entscheidung, ob er sich selbst zerstören oder sich seinen Dämonen stellen will …
Kritik
Das Biopic-Genre krankt seit Jahren an einer Ermüdung, die sich vor allem bei Filmen über popkulturelle Figuren zeigt. Anstatt die Komplexität ihrer Protagonisten einzufangen, verfallen viele dieser Werke in eine formelhafte Vereinfachung, die weder emotional noch künstlerisch überzeugt. Werke wie Bohemian Rhapsody oder I Wanna Dance With Somebody schwanken zwischen Glanz und Karikatur, während jüngere Versuche wie die Biografien über Bob Marley oder Amy Winehouse kaum nennenswerte Impulse setzen. Mit Better Man, der Lebensgeschichte des Popstars Robbie Williams, wagt sich Regisseur Michael Gracey nun in dieses schwierige Terrain – und bringt mit einer bizarren wie faszinierenden Entscheidung frischen Wind: Williams dargestellt von einem CGI-Affen.
Diese Wahl wirft viele Fragen auf. Ist die Entscheidung, Williams als Affen darzustellen, ein Kommentar auf die Entmenschlichung von Stars im Musikbusiness? Soll das Publikum den Zirkus um Berühmtheiten infrage stellen? Oder steht der Affe schlicht für die Instinkte und Abgründe, die mit Ruhm und Erfolg einhergehen? Leider ist der Film selbst an der Beantwortung dieser spannenden Fragen wenig interessiert. Stattdessen bleibt er weitgehend ein konventionelles Biopic. Dennoch hebt sich Better Man in seiner Umsetzung angenehm von der üblichen Massenware ab und liefert – trotz Schwächen – das vielleicht ambitionierteste Musikerporträt seit Rocketman.
Das größte Kapital des Films ist seine visuelle Gestaltung. Regisseur Gracey, der sich bereits mit The Greatest Showman einen Namen gemacht hat, zeigt hier ein Händchen für Stilistik. Der grobkörnige Look von Kameramann Erik Wilson (Paddington) erzeugt eine rohe, beinahe dokumentarische Authentizität, die mit der bewusst künstlichen Darstellung von Williams als CGI-Affe kontrastiert. Diese ästhetische Spannung funktioniert überraschend gut. Der Film suggeriert eine vermeintliche Nähe zur Wahrheit, nur um diese durch die Absurdität der Affendarstellung immer wieder zu brechen.
Besonders in den Musicalsequenzen zeigt Gracey seine kreative Stärke. Szenen wie der tänzelnde Affen-Williams, der zu Rock DJ durch Londons Straßen wirbelt, oder die schmerzhaft-melancholische Inszenierung von Angels im Kontext einer seiner persönlichen Krisen, strotzen vor Energie und inszenatorischem Einfallsreichtum. Hier erreicht der Film eine Wucht, die ihn weit über den Durchschnitt hebt.
Wie so oft im Genre bleiben jedoch die Narrative des Films vorhersehbar. Die typische Abfolge von Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg wird auch hier abgearbeitet. Viele Aspekte von Williams’ Leben werden nur angerissen oder dramaturgisch stark vereinfacht. Diese narrative Verdichtung mag unvermeidbar sein, doch sie eröffnet nur einen begrenzten Raum für tiefgründige Reflexion. Das biografische Tableau folgt den vertrauten Stationen eines vorhersehbaren Schemas: familiäre Konflikte, rasanter Aufstieg, innerer Zerfall, Drogenexzesse, ein unvermeidlicher Absturz und schließlich der ersehnte Wiederaufstieg in die vermeintliche Glückseligkeit.
Bemerkenswert ist jedoch die Entscheidung, die Geschichte – zumindest in der englischsprachigen Version – von Williams selbst erzählen zu lassen. Diese Selbstreflexion verleiht der konventionellen Dramaturgie eine zusätzliche Ebene und durchbricht das starre Korsett der Genre-Formeln. Es ist genau diese persönliche Perspektive, die dem altbekannten Abzählreim biografischer Stationen eine frische Dynamik verleiht und das Werk über die gewöhnliche Mittelmäßigkeit hinaushebt. Außerdem: Wer wollte sich nicht schon einmal von einem Popstar beleidigen lassen?
Die Tropen des Biopic-Kinos werden zwar nicht umgangen, doch Gracey versteht es, ihnen zumindest einen frischen Anstrich zu verleihen. Besonders in Momenten, die das Publikum aus der Komfortzone locken – etwa durch verstörende Bilder, eine teils vulgäre Sprache oder (nicht wirklich all zu) explizite Szenen –, zeigt sich der Forschheit des Films, nicht ausschließlich auf Gefälligkeit zu setzen. Dies wird konservativeren Zuschauern womöglich sauer aufstoßen, aber auch darin liegt der Reiz von Better Man.
Trotz aller Konventionen bringt der Titel eine wohltuende Frische in ein Genre, das oft an seiner eigenen Stagnation scheitert. Die Entscheidung, Robbie Williams als CGI-Affen zu zeigen (als Affendarsteller diente Schauspieler Jonno Davies), mag polarisieren, doch sie verleiht dem Film eine Originalität, die ihn aus der Masse hervorhebt. Graceys visuelle Handschrift und sein Mut, mit Stil und Erzählweise zu experimentieren, machen Better Man zu einem der erinnerungswürdigsten Biopics der letzten Jahre.
Natürlich stellt der Film keine Revolution des Genres dar. Doch als Werk, das gleichermaßen auf (ein wenig) Provokation und (viel) Unterhaltung abzielt, erweist er sich als eine bemerkenswerte Bereicherung – nicht nur für Anhänger von Williams, sondern auch für ein Publikum, das nach frischen Impulsen im oft formelhaften Biopic-Kino sucht.
Fazit
Auf den ersten Blick außergewöhnlich, auf den zweiten doch konventioneller als gedacht. Dennoch entfaltet die Lebensgeschichte von Robbie Williams durch ihre erfrischende Perspektive und die teils einfallsreiche Inszenierung eine bemerkenswerte Wirkung, die die erwartbare Dramaturgie spürbar belebt. Diese gelungene Kombination hebt den Film klar über den Standard hinaus und etabliert ihn – trotz unvermeidlicher Zugeständnisse – als eines der eindrucksvollsten Musikerbiopics der letzten Jahre.
Autor: Sebastian Groß