Inhalt
Mitte der 1960er-Jahre: Reginald Dwight (Taron Egerton) ist ein ganz normaler Junge in einem Vorort von London, ein bisschen dick, viel zu schüchtern – nur am Klavier fühlt er sich wirklich wohl. Doch als er nach London kommt, kann er endlich seine wahre Leidenschaft ausleben: den Rock ’n’ Roll. Er trifft den Texter Bernie Taupin (Jamie Bell) und erregt schnell Aufmerksamkeit in der Londoner Szene. Nur der Name passt noch nicht: Erst als Reginald sich in Elton John umbenennt, steht seinem raketengleichen Aufstieg nichts mehr im Weg, denn auf der Bühne verwandelt sich der schüchterne Reggie in einen außergewöhnlichen Rocksänger. In kürzester Zeit schießt Elton John ganz nach oben in die Charts, schreibt einen Nummer-eins-Hit nach dem anderen und trägt immer wildere Kostüme und Brillen. Doch wer steil aufsteigt, kann auch tief fallen, und Elton John ist klar, dass er nicht auf ewig ein Rocketman sein kann.
Kritik
Egal wie man zu Bohemian Rhapsody steht, der Erfolg ist unbestreitbar. Unbestreitbar ist neben Einnahmen im Höhe von über 900 Millionen US-Dollar aber auch, dass der Film die Eskapaden von Queen-Frontmann Freddie Mercury entweder komplett außen vor ließ oder diese so sehr eindämmt, dass der Eindruck entstand, der legendäre Sänger hätte einfach mal bei der ein oder anderen Party etwas zu tief ins Glas geblickt. Dies war eine Chance für Rocketman, dem Biopic über Popstar und Multi-Preisträger (darunter Grammy und Oscar) Elton John, der verantwortlich war für diverse Welthits wie Your Song, Candle in the Wind, Tiny Dancer, Crocodile Rock und noch so viele mehr.
Warum eine Chance? Weil die Marketingabteilung gemeinsam mit den Machern immer wieder publik machen konnten, dass Rocketman, wenn es um Exzess und Eskapaden geht, auf die volle Breitseite anvisiert ist. Mehr Party, mehr Drogen, mehr Sex, keine Verniedlichungen. Schaut man sich den Film nun aber an, so fällt durchaus auf, dass tatsächlich öfters Koks in der Nase von Hauptdarsteller Taron Egerton (Kingsman: The Secret Service) verschwindet und sexuelle Handlungen etwas freizügiger angedeutet werden, allerdings erweist sich auch Rocketman als eher zugeknöpftes Biopic. Auch bei der Paramount-Produktion will man keinen Zuschauer zu sehr schockieren, denn wie bei Bohemian Rhapsody oder all den anderen Musiker-Biopics geht es darum, den oder die Musiker zu zelebrieren.
Und dass ist absolut in Ordnung. Vor allem, wenn man es so energiegeladen wie es Regisseur Dexter Fletcher hier tut. Fletcher, der schon bei Bohemian Rhapsody die letzten Wochen der Dreharbeiten überwachte (nachdem Regisseur Bryan Singer gefeuert wurde, wie wir einst berichteten) und mit Eddie the Eagle - Alles ist möglich bereits ein nettes Biopic hinlegte (ebenfalls mit Egerton in der Hauptrolle). Das Besondere bei Rocketman ist nämlich, dass die Geschichte im Grunde nur all die bekannten Versatzstücke aus anderen Biographien durchkaut, Fletcher diese aber in eine nicht sonderlich innovative dafür aber charismatische, kraftvolle und abwechslungsreiche Präsentation packt.
Immer wieder kommt es zu gut arrangierten Musicalsequenzen, die die Handlung voranbringen. Dabei scheut sich Fletcher und sein Drehbuchautor Lee Hall (Billy Elliot - I Will Dance) auch nicht davor zurück Pathos und Kitsch einzusetzen, eben genauso, wie man es auch in den Songs von Elton John findet, der bis auf ein paar Standbilder im Abspann übrigens keinen Cameoauftritt absolviert. Dennoch lässt sich die Kritik an Bohemian Rhapsody auch an Rocketman anwenden, denn auch wenn hier mehr jugendfreier Exzesse stattfindet, so haben beide Werke dieselbe Motivation: Der Star ist der Diamant und dieser muss am Ende geläutert scheinen. Dementsprechend tut es dem Mercury-Biopic gut, dass dieses mit dem Live-Aid-Gig einen festen Fixpunkt für den Klimax hat. Eine einfache Mechanik, die Rocketman wohl auch gut getan hätte, denn das Ende fühlt sich schon etwas abrupt an. So oder so brilliert aber Taron Egerton in der Hauptrolle.
Fazit
Auch "Rocketman" hält sich sklavisch an die Formalität von massentauglichen Künstler-Biopics, packt diese aber in eine durchaus energiegeladene Präsentation, die den Film größtenteils wie ein Musical erscheinen lässt. Passt so. Seltsam ist hingegen, dass der Film so tut, als würde er differenziert und reifer mit der Geschichte seines Künstlers umgehen. Tut er aber nicht. Auch "Rocketman" ist im Grunde seines Herzens nur eine einseitige Huldigung, die aber durchaus Rock 'n' Roll im Blut hat.
Autor: Sebastian Groß