Inhalt
“Avatar: Fire and Ash”, der dritte Teil des erfolgreichen Avatar-Franchises, startet weltweit im Dezember 2025 exklusiv im Kino. James Cameron nimmt das Publikum mit auf eine spannende Reise nach Pandora und begleitet dabei den ehemaligen Marine und Na’vi Anführer Jake Sully (Sam Worthington) sowie Na’vi Kriegerin Neytiri (Zoe Saldaña) und ihre Familie.
Kritik
Das wirklich Erstaunliche an James Camerons Avatar-Reihe ist nicht nur die Welt, die der Regisseur mit akribischer Sorgfalt erschaffen hat, oder die fortwährende tricktechnische Brillanz, die man inzwischen beinahe selbstverständlich mit seinem Namen verbindet. Faszinierend ist vielmehr der seltsame Mangel an popkulturellem Nachhall. Obwohl die beiden Vorgänger zu den erfolgreichsten Filmen der Kinogeschichte gehören, haben sie in der öffentlichen Wahrnehmung überraschend wenig Spuren hinterlassen. Es gibt zwar Cosplay, Comics und Games – doch alles in eher bescheidener Verbreitung.
Der Regisseur Joseph Kahn, vor allem durch Musikvideos für große Popstars bekannt, formulierte kürzlich die These, Avatar spreche kaum queere Zuschauer*innen an und könne daher trotz seines globalen Triumphzugs keine wirklich nachhaltige kulturelle Resonanz entfalten. Ob das stimmt, sei dahingestellt. Die Reihe zeigt häufig Romanzen zwischen verschiedenen Spezies, aber gleichgeschlechtliche Beziehungen sind tatsächlich nahezu unsichtbar. Fire & Ash ändert daran nichts. Dennoch wäre es müßig, an dieser Stelle erneut über Repräsentationsfragen zu debattieren, wenn doch Camerons Werk vor allem dort überzeugt, wo seine größte Stärke liegt: in der technischen Umsetzung.
Camerons Vision eines brillenlosen 3D-Kinos bleibt weiterhin unerfüllt. Vielleicht wäre genau das der Impuls gewesen, den das Format gebraucht hätte, um dauerhaft vom Publikum akzeptiert zu werden. Allerdings lag das Scheitern von 3D weniger an den Brillen, als daran, dass zahlreiche Produktionen enttäuschendes oder lieblos konvertiertes Material lieferten. Cameron hingegen verstand von Beginn an, dass die Technologie nur dann beeindruckt, wenn sie präzise eingesetzt wird. Fire & Ash bildet hier keine Ausnahme und führt den Wow-Effekt von Avatar - Aufbruch nach Pandora (2009) und seinem Sequel diesbezüglich ungestört fort.
Schon die Eröffnung, in der zwei junge Na’vi auf ihren Flugtieren durch die Landschaft rasen, zeigt, wie souverän Cameron räumliche Tiefe und Dynamik nutzt. Gerade die feinen Details lassen staunen: Funken, die unmittelbar vor einem zu schweben scheinen, oder Innenräume, deren gestaffelte Ebenen eine fast greifbare Haptik entwickeln. Man spürt in jeder Einstellung, dass hier jemand am Werk ist, der nicht nur Technik beherrscht, sondern sie organisiert, bis sie zur reinen Filmsprache wird.
Auch darüber hinaus bleibt Fire & Ash visuell eine Großproduktion erster Güteklasse. Cameron betont vorab, dass sein Film ohne KI-Effekte entstanden sei – ein Hinweis, der ihm offenbar wichtig ist und das Publikum daran erinnern soll, wie viel handwerkliche Präzision und menschliche Arbeit in diesem Universum steckt. Pandora wirkt erneut wie eine gewaltige, pulsierende Welt, reich an Farben, Formen und Bewegungen. Wer allerdings schon beim ersten Teil mit der glatten Ästhetik fremdelte, wird auch diesmal nicht vollständig abgeholt. Für alle anderen bleibt die Reise in diese fremde Umgebung ein Ausflug in ein audiovisuelles Parallelreich.
Inhaltlich fällt der dritte Film weniger ambitioniert aus als The Way of Water. Zwar setzt Fire & Ash recht früh nach dessen Ende an und führt mit den Feuer-Na’vi eine neue feindliche Gemeinschaft ein, doch letztlich fühlt sich vieles wie eine Variation bereits bekannter Themen an. Die verbrannte, ausgetrocknete Region ihrer Heimat wird nur kurz erkundet und ist visuell weniger reizvoll als die schillernden Wasserwelten ihres Vorgängers. Interessant ist stattdessen ihre Anführerin Varang, gespielt von Oona Chaplin (Black Mirror: White Christmas). Varang lebt stark von ihrer Ausstrahlung. Sie ist keine Figur mit tiefen Zwischentönen, sondern eher eine Verkörperung von Zerstörungslust und fanatischer Überzeugung. Manchmal reicht genau das. Cameron setzt sie als unheilvolle Chiffre ein – und genau so funktioniert sie.
Noch eindrucksvoller wirkt erneut Stephen Lang (Sisu: Road to Revenge) als Col. Quaritch, der wie im Vorgänger als rekombinierter Soldat die Jagd auf Jake Sully fortsetzt und zugleich versucht, den Kontakt zu seinem Sohn Spider (Jack Champion, Scream VI) zu intensivieren. Lang ist schlicht der belebendste Motor des Films. Jede Szene mit ihm gewinnt sofort an Energie, und selbst durch die Motion-Capture-Schichten hindurch spürt man seine Spielfreude. Paradoxerweise ist ausgerechnet der stärkste Charakter des Films jener, der ihn bedroht. Denn die Held*innen rund um Sully (Sam Worthington, Hacksaw Ridge - Die Entscheidung) wirken auch im dritten Teil erstaunlich blass, fast schon funktional.
Cameron und sein Autorenteam bemühen sich, zwischen Jake und Neytiri (Zoe Saldaña, Emilia Perez) einen inneren Konflikt lebendig zu halten, der nach dem Tod ihres Kindes im Vorgänger filmisch nachvollziehbar wäre. Neytiri sucht Vergeltung, Jake hingegen Stabilität. Gleichzeitig wächst der menschliche Spider durch die Nähe zur jungen, übernatürlich begabten Kiri über sich hinaus und wird zu einer zentralen Figur im Spannungsfeld zwischen Menschen und Na’vi. Auf dem Papier klingt das nach emotionaler Komplexität, im Film wirkt es jedoch hölzern. Immerhin: Anders als so oft im heutigen Blockbuster-Kino meint Cameron das alles ernst. Es gibt keinen Zynismus oder ironische Brüche. Das ist durchaus mutig, macht die Makel des Titels aber nur bedingt wieder wett.
Besonders bemerkenswert ist, dass Jung-Na'Vi Kiri erneut von Sigourney Weaver (Galaxy Quest - Planlos durchs Weltall) verkörpert wird: Hinter den digitalen Schichten entsteht die skurrile Situation, dass ein damals minderjähriger Schauspieler (Champion) die zarte Bande einer ersten Teenagerliebe mit einer über 70-jährigen Kollegin knüpft – was durchaus amüsant wirkt. Genau diese Diskrepanz zwischen Darstellung und Realität verwässert jedoch die beabsichtigte emotionale Einbindung des Publikums erheblich.
Zudem hinterlässt die Besetzung der zahlreichen Nebenfiguren mittlerweile einen überladenen Eindruck. Die Avatar-Welt beherbergt so viele Rollen, die sich äußerlich ähneln oder dramaturgisch kaum Profil entwickeln, dass es immer schwieriger wird, den Überblick zu behalten. Wenn sich Figuren schnell bewegen oder im Hintergrund agieren, verschwimmen sie beinahe. In Kombination mit einer zwar epischen, aber letztlich eher simplen Handlung führt das zu Ermüdungserscheinungen. Nicht zu verschweigen, dass teils wichtige Aktionen innerhalb der Geschichte von Figuren ausgeführt werden, die ansonsten nicht mehr sind, als eine Randerscheinung. Cameron irrt sich, wenn er ernsthaft glaubt, dass die inzwischen mehr als zwei Dutzend Figuren ausreichend eigenständig ausgearbeitet seien, um im Gedächtnis zu bleiben.
Was die Geduld zusätzlich strapaziert, ist der erratische Erzählrhythmus. Cameron springt zwischen den verschiedenen Handlungssträngen hin und her, ohne wirkliches Gespür für Tempo oder Steigerung zu entwickeln. Auf mehr als drei Stunden Laufzeit wirkt das stellenweise zäh, gelegentlich sogar irritierend unkonzentriert. Doch sobald Cameron die große Bühne der Action betritt, sind viele dieser Schwächen verblasst.
Die Setpieces vom Terminator-Mastermind wirken wie aus einem Guss: Luftkämpfe, Unterwassergefechte, Feuerattacken – all das entfaltet eine Wucht, die nur wenige Filmemacher*innen derart souverän beherrschen. Cameron setzt auf klassische Inszenierung, klare Linien und üppig komponierte, doch stets verständliche Bilder, ohne dabei auf ungewöhnliche Perspektivspielereien angewiesen zu sein. Die Action trägt unverkennbar seine Handschrift – und genau das ist als Kompliment zu verstehen. Sollte Fire & Ash nicht den gewünschten Erfolg erzielen, wäre es bedauerlich, wenn die Action dieser fernen Welt von Cameron nur noch literarisch weitergeführt würde. Auf der anderen Seite würde er sich dann ja vielleicht mit Ghosts of Hiroshima einen wesentlich interessanteren Projekt zuwenden.
Doch trotz der beeindruckenden Action will die ganz große Faszination nicht mehr aufkommen. Drei Jahre nach The Way of Water wirkt Pandora erzählerisch weitgehend ausgeschöpft. Die visuellen Wunder bleiben spektakulär, doch das dramaturgische Gerüst ist nach wie vor zu schwerfällig, um die Magie von 2009 oder 2022 erneut zu entfalten. Hinzu kommt eine deutlich spürbare Intensivierung spiritueller Motive. Wer bislang wenig mit den esoterischen Elementen der Reihe anfangen konnte, dürfte diesen Teil als ermüdend empfinden – zumal die Dialoge weiterhin schlicht bleiben und der Militärismus unverändert präsent ist.
So bleibt schließlich genau jene paradoxe Erkenntnis bestehen, die schon zu Beginn mitschwang: Cameron erschafft Bilder von atemberaubender Kraft, meißelt mit technischer Brillanz ganze Welten ins Kino – und doch entzieht sich seine Saga hartnäckig der tiefen kulturellen Verankerung, die man angesichts ihres gigantischen Erfolgs erwarten dürfte. Fire & Ash bestätigt dieses merkwürdige Spannungsfeld erneut. Der Film beeindruckt, überrollt, überwältigt – aber er hallt nicht nach. Vielleicht liegt darin das eigentliche Rätsel dieser Reihe: ein monumentales Spektakel, das alles daran setzt, unvergesslich zu sein, und sich gerade dadurch seltsam schwer in der Erinnerung festsetzt. Für die große Leinwand gemacht, aber nicht für die Ewigkeit.
Fazit
Ein visuell überwältigendes Spektakel, das in seinen stärksten Momenten noch immer erahnen lässt, weshalb James Cameron einst als treibende Kraft des modernen Blockbusterkinos gefeiert wurde. Doch selbst das größte Schauwertkino kann die erzählerischen Schwächen nicht verbergen: dramaturgische Brüche, ausgedehnte Passagen ohne innere Spannung und Figuren, zu denen sich kaum emotionale Nähe aufbauen lässt. Pandora entfaltet weiterhin seine schillernde Oberfläche, doch ihr Glanz wirkt zunehmend hohl und beliebig. Camerons Welt beeindruckt handwerklich nach wie vor, fasziniert jedoch weniger als früher – ein Universum von gewaltiger Schönheit, dessen Feuer nicht mehr lodert, sondern zu verglühen beginnt.
Autor: Sebastian Groß