MB-Kritik

Sanatorium 2025

Documentary

Inhalt

An den Ufern von Odessa in der Südukraine befindet sich das imposante Kuyalnik-Sanatorium aus der Sowjetzeit, das schon bessere Tage gesehen hat. Eine Sommersaison lang fängt Regisseur Gar O'Rourke die Essenz dieses Ortes ein, doch immer weniger Gäste kommen

Kritik

“Bombe sind uns egal. Wir kommen wegen des Schlamms hierher.” Viele Patient*inne zieht es nicht mehr an den Titelort Gar O’Rourkes vergnüglichen Dokumentarfilms. Jedenfalls nicht so viele wie zu Sowjetzeiten, als das in Odessa gelegene Sanatorium ein Vorzeige-Objekt moderner Heilkunde und kurierenden Komforts war. Doch diejenigen, die weiterhin das Kuyalnik Spa aufsuchen, tun es mit absoluter Überzeugung. Der Glaube der Gäste an diese wie aus der Zeit gefallene Perle brutalistischer Architektur findet sein professionelles Pendant im Engagement des Personals.

Viele arbeiten schon seit Generationen in dem maroden Bau, dem der verblichene Glanz einen eigenwilligen Charme verleiht. Familientradition zeigt sich auch bei den Besuchenden. Eine Dame begleitet ihren Erwachsenen Sohn, der offiziell wegen Rückenbeschwerden hier ist, aber eigentlich seine Zukünftige zu finden hofft. Ähnlich privat verwickelt scheinen die Motive einer Anwärterin auf die angeblich sehr erfolgreiche Kinderwunsch-Therapie, die am Mutterschaftsurlaub vorrangig der Urlaub reizt. Doch nicht alles ist so drollig, wie es der beschwingte Soundtrack, gespickt mit antiquierten Schlagern, vermittelt. 

Ein Soldat macht hier nach einer Kriegsverletzung Physiotherapie, zu der wohl auch psychologische Unterstützung gehört. Emotionalen Beistand und ein paar Wochen Ablenkung von einer brutalen Realität, überschattet vom Angriffskrieg und Rezession, scheinen einige Gäste zu suchen. Über der Stadtkulisse im Hintergrund des Schwarzen Meeres mit dem Heilschlamm zeichnen sich Rauchwolken ab. Ein Fliegeralarm zwingt alle vorübergehend in den Luftschutzkeller. Resignation oder Panik sind indes nicht zu spüren. Wenn das skurrile Setting einmal schließt, dann nicht wegen Luftangriffen, sondern Besucherschwund. 

Fazit

Hydrotherapie in einer fünfzig Jahre alten Wanne, Karaoke zwischen Schlammpackungen, Patientengespräche zwischen türkisfarbenen Tapete und Blümchen-Tischdecken: Mittels unverfänglicher Gespräche, unaufdringliche Behandlungseinblicken und einem Hauch Situationskomik fängt Gar O‘Rourke den Kuralltag in einem ukrainischen Sanatorium ein. Die Geschichte des gealterten Sowjet-Ära-Schmuckbaus tritt dabei in den Hintergrund zugunsten skizzenhafter Patienten-Biografien. Reality Soap und Reportage vermischen sich organisch zum pointierten Porträt eines eigentümlichenGenius loci. Die harsche Realität rückt buchstäblich in den Hintergrund, doch bleibt stets sichtbar.

Autor: Lida Bach