Inhalt
Das Adamant ist eine einzigartige Tagesklinik. Mitten in Paris schwimmt sie auf der Seine. Hier werden Menschen mit psychischen Problemen betreut. Sie bekommen Hilfe zur Orientierung im Alltag und Unterstützung, damit sie den Mut nicht verlieren oder ihn wiederfinden können.
Kritik
„Wir haben hier ein Image-Problem“, erklärt ein Gast der psychiatrischen Einrichtung, in der Nicolas Philiberts (Zu jeder Zeit) Kamera zur stillen Beobachterin wird. Dieses Image der als Menschen mit „mentalen Störungen“ beschriebenen Protagonist:innen des Zentrums, das sich architektonisch und strukturell von üblichen psychiatrischen Kliniken abhebt, will der dokumentarische Berlinale Wettbewerbsbeitrag offenkundig korrigieren. Die Einnahme einer neutralen Position suggeriert eine filmische Begegnung auf Augenhöhe mit den Besucher:innen, die in der Gemeinschaft kochen, malen, Musik machen und reden.
Besonders Letztes. Ein Großteil der Laufzeit besteht aus Gesprächen, die oft aneinander vorbei geführt werden, und aus Erzählungen, die oft ausufern, in Wiederholungen hängen bleiben oder assoziative Sprünge machen. Nicht nur aufgrund dieser symptomatischen Eigenheiten der Sprechenden bleiben nur vage Eindrücke ihrer Persönlichkeit, ihrer Realität, dem Leben in und außerhalb der Tagesstätte. Von der verrät die monotone Inszenierung noch weniger. Wie verlaufen organisatorischen Strukturen und Hierarchien? Sind das Personal Freiwillige, ausgebildete Sozialkräfte oder Therapeut:innen?
Gibt es Behandlungskonzepte? Wer entscheidet und reguliert Aktivitäten? Letzte sind augenscheinlich freiwillig, doch hier dringen durch filigrane Risse im perfekten Programm die konventionellen Klinik-Mechanismen. Wenn ein junger Patient dezent, aber hartnäckig zum Malen nach Vorgaben gedrängt wird oder einer Patientin das Leiten eines Workshops untersagt wird, bringen diese punktuellen Spannungen neben bitter benötigter Dynamik und Variation auch das Potenzial zu hintergründigen Einblicken. Was passiert, wenn nicht alles glatt läuft? Eines gewiss: Die Kamera schaut weg.
Fazit
„Wie die Leute uns manchmal ansehen“, darin spürt einer der Menschen, die das Tageszentrum der Pariser Central Psychiatric Group besuchen, die gesellschaftliche Distanz. Um diese zu überwinden, wählt Nicolas Philiberts einen bewusst simplen dokumentarischen Ansatz, der eigene Ambivalenz birgt. Der Einzelschauplatz bleibt fremd in Ausrichtung und Abgrenzung von vergleichbaren Einrichtungen. Krisen, Konflikte und Kommunikationsschwierigkeiten werden niemals sichtbar, obwohl sich gerade darin eine psychiatrische Institution bewähren muss. Niemand soll vorgeführt werden - und werden es unweigerlich doch.
Autor: Lida Bach