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Alles für die Kunst: Die Lieblingsregisseure der Redaktion

von Pascal Reis

1. Stanley Kubrick

Was Kubrick angeht, dauerte es bei mir lange, bis es klick gemacht hat. Ich wusste seine Filme zwar zu schätzen, seit ich den ersten von ihm gesehen hatte. Doch das überragende Genie hinter den Werken ist mir lange verborgen geblieben. Als ich seine Filme dann zum zweiten und dritten Mal zu sehen bekam, wurde mir klar, dass da jemand etwas bisher Unerreichtes geschaffen hatte. Man merkt den Filmen den gnadenlosen Perfektionismus des Meisterregisseurs an. Dass er mit seinen unzähligen Takes die Schauspielerinnen und Schauspieler an ihre physischen und psychischen Grenzen gebracht hat, ist unübersehbar. Unglaublich, was Kubrick aus einem soliden Schauspieler wie z.B. Tom Cruise (in „Eyes Wide Shut“) an Qualitäten zum Vorschein gebracht hat. Seine Bilder entfalten einen so immensen Sog auf den Zuschauer und vermitteln das Gefühl, dass einem mit jeder einzelnen Einstellung die Augen geöffnet werden. Während bei anderen Werken der Bildschirmrand als begrenzendes Medium fungiert und man aus der Ferne durch ein Guckloch in andere Welten schaut, scheint Kubrick den Zuschauer so nah an seine Bilderschau heranzuziehen, dass der Rand aus dem Wahrnehmungsfeld verschwindet und man in die Geschichte aufgenommen wird. Für mich sind seine Filme pure cineastische Magie und eine visuelle wie intellektuelle Offenbarung.

Allen Einsteigern würde ich wohl „Uhrwerk Orange“ empfehlen. Mein heimlicher Liebling unter den Kubrick-Werken ist hingegen in der Tat der wenig erfolgreiche aber umso faszinierendere „Barry Lyndon“.

2. Terrence Malick

Malick ist ein Regisseur, den ich aufgrund seines unbeirrbaren Künstlertums schätze. Bis heute zieht er eigenwillig sein eigenes Ding durch und zeigt dabei keinen Moment der Schwäche. Ähnlich wie Kubrick gelingt es Malick, unvergessliche Bilder zu kreieren, die in perfektem Zusammenspiel mit der Filmmusik und den spirituell-philosophischen Inhalten seiner Filme stehen. Bei ihm steht jedoch vor allem die Erkundung der substanziellen Grundfragen menschlicher Existenz im Vordergrund. Seine Filme gehören für mich aufgrund ihrer philosophischen Tiefe, dem beeindruckenden Interpretationsspielraumund der meisterhaften Gesamtkomposition zu den inspirierendsten filmischen Werken überhaupt. Leider wiederholt Malick meiner Meinung nach in seinen letzten Filmen vieles, was er in seinem Universalwerk „The Treeof Life“ bereits zum Ausdruck gebracht hat. Deswegen bin ich umso gespannter auf seine neue Produktion „Radegund“, die einen stilistischen Richtungswechsel mit sich bringen könnte. Nichtsdestotrotz gehört Terrence Malick für mich zu den unerreichten Meistern seiner Zunft.

Empfehlung für Einsteiger: In der Glut des Südens

3. Alfred Hitchcock

Ein Hitchcock darf auf so einer Liste natürlich nicht fehlen. Er ist für mich einerseits das verspielte Genie und andererseits der Meister psychologischer Manipulation. In seinen zahlreichen Meisterwerken testet er die Belastungsfähigkeit der Nerven des Zuschauers aus. Dabei erzählt er intelligente Geschichten und vereint eine Atmosphäre subtiler Bedrohlichkeit mit der perfekten Note Charme und Gewitztheit. Ganz zu schweigen von seiner herausragenden Fähigkeit, Bilder auf innovative und experimentelle Weise einzufangen – seien es die verborgenen Schnitte in „Cocktail für eine Leiche“ oder die minimalistische Hinterhofspionage in „Das Fenster zum Hof“. Der Master ofSuspense gehört unumstritten in jede Top Ten der besten Regisseure.

Empfehlung für Einsteiger: Vertigo

4. Woody Allen

Der kleine Zappelphilipp aus New York ist mir aufgrund seines kreativen Humors und seiner intelligenten Dialoge besonders ans Herz gewachsen. Woody Allen ist zweifelsohne eine eigene Marke, die er sich durch seine wiederkehrenden Themen und Figuren sowie seinen unvergleichlichen Humor über die Jahrzehnte erarbeitet hat. Allein die Tatsache, dass viele seiner DarstellerInnenunweigerlich seine hastigen Gesten und seinen schnellen Sprechrhythmus übernehmen zeigt, wie souverän er über seine Woody-Welt verfügt und welchen künstlerischen Einfluss er errungen hat. Da seine Filme von Wortwitz und originellen Dialogen leben, kann ich sie mir ohne weiteres immer wieder anschauen und verliere nie die Freude an ihnen. Ob es nun der etwas albern-kindliche Humor der frühen Werke ist oder die reifere Komik späterer Filme, bei Woody Allen findet man zu jeder Stimmung die passende Komödie. Und neben unzähligen Lachtränen beschert der Gute uns den ein oder anderen Gedanken, über den es sich nachzusinnen lohnt!

Empfehlung für Einsteiger: Manhattan

5. Frank Capra

Dieser Regisseur hat wahrlich ein Herz für den kleinen Mann. Capra hat es sich zur Aufgabe gemacht, die sozialen Verhältnisse der Gesellschaft näher zu beleuchten und es dabei nicht an gezielter Kritik fehlen zu lassen. Die Charaktere seiner Geschichten sehen sich mit tragischen Konflikten konfrontiert und meistern ihre Situation, indem sie die soziale Ader in sich entdecken und zueinander halten. Innerhalb dieser manchmal etwas pathetisch und gefällig wirkenden Komödien befindet sich jedoch, dank Frank Capras hohem künstlerischen und intellektuellen Anspruch, ein zutiefst humaner und aufrichtiger Kern. Seine Filme bringen ausnahmslos eine starke Botschaft mit sich, sind mit feinfühligem Humor gespickt und küren die richtigen Menschen zu Helden.Dieser Mann wusste, wofür er mit seinen Filmen einsteht und hat die Filmwelt um einige großartige Werke reicher gemacht!

Empfehlung für Einsteiger: Mr. Smith geht nach Washington

6. David Lynch

Es gibt wohl so einige Leute, die alles dafür geben würden, einen Blick in den Kopf von David Lynch werfen zu dürfen. Seine Filme sind vielschichtige Mystery-Kopfgeburten und psychologische Studien zugleich. Die Symbolik wie ein undurchdringliches Dickicht, die Handlung zuweilen wie ein Irrgarten ohne Ausweg. Er versteht es wie kein anderer, die menschlichen Abgründe zu skizzieren und eine Atmosphäre zu erzeugen, die es dem Zuschauer kalt den Rücken herunterlaufen lässt. Lynch spielt mit den Urängsten des Menschen und hat ein Händchen für faszinierende Visionen und Traumsequenzen. Einerseits wirken seine Filme als unmittelbare Seherfahrungen, andererseits kommt zu keiner Sekunde ein Zweifel auf, dass hinter seinen abgründigen, teils surrealen Welten ein gut durchdachtes Konzept steckt. Ohne diesen wahrheitsgetreuen psychologischen Kern hätte ich nichts für Lynchs Filme übrig, mit diesem Kern sind sie einfach atemberaubend und unfassbar genial!

Empfehlung für Einsteiger: Blue Velvet

7. Alejandro González Iñárritu

An dem Mexikaner bewundere ich insbesondere seine kontinuierliche Qualitätsarbeit. In einem Abstand von ungefähr drei Jahren brachte er seit 2000 regelmäßig Filme heraus, die meines Erachtens alle ein beachtliches Niveau halten konnten. Iñárritu bleibt stets seinen Prinzipien treu und weicht keinen Millimeter von seiner künstlerischen Linie ab. Durch seine Filme entwickelte ich ein Faible für Episodengeschichten. Seine Inszenierungen bestechen durch einen gnadenlosen Realismus, der durch den Hauch Spiritualität und Poesie auf eine ganz neue Ebene gehoben wird. Bei Iñárritus Werken passt das inflationär gebrauchte Wort „Lebensschicksal“ so gut wie bei keinen anderen. Seine Filme sind tief bewegend, ehrlich und von einem inneren Glauben getragen. Ein großer Künstler, der uns hoffentlich noch oft auf eine filmische Reise einladen wird. 

Empfehlung für Einsteiger: Babel

8. Christopher Nolan

Nolan hat es auf bewundernswerte Weise geschafft, das Blockbuster-Kino auf ein höheres intellektuelles Level zu heben. Dabei ist er Filmemacher aus Leidenschaft und widmet sich seinen Projekten über lange Zeit, um letztendlich etwas Eigenes zu erschaffen. Seine Filme sind in erster Linie unfassbar unterhaltsam und rasant erzählt, trauen es sich jedoch auch, einen Moment innezuhalten und den Charakteren Raum zu bieten. Nolan beschäftigt sich mit interessanten Themen wie Traum und Zeit, wobei er durchaus philosophische Diskussionen anzuregen vermag. Seine Filme begeistern mich immer wieder aufs Neue, nicht zuletzt aufgrund ihrer genialen Plot-Twists und ausgeklügelten Drehbücher.

Empfehlung für Einsteiger (wenn es denn wirklich welche gibt): Memento

9. Martin Scorsese

Um diesen Mann kommt man wohl ebenfalls nicht herum, da er auch über das Genre des Mafiafilms hinaus einige große Werke geschaffen hat, die einen besonderen Platz in der Filmhistorie einnehmen. Scorsese schafft es immer wieder, beeindruckend präzise inszenierte und wuchtige Epen auf die Leinwand zu zaubern. Diese aus der Kindheit und Jugend des Regisseurs stammende Darstellung einer Männerwelt, in der Gewalt und grobe Worte dominieren, entwickelt dadurch ihre Faszination, dass sie sich nicht verrennt, sondern Platz für Humor und Zwischenmenschlichkeit lässt.So schießen auch meine Erwartungen vor Erscheinen neuer Scorsese-Filme in ungeahnte Höhen.

Empfehlung für Einsteiger: Taxi Driver

10. Akira Kurosawa

Allein die große Anzahl an Filmen, die von den Werken Kurosawas inspiriert ist, weist auf das Format dieses Regisseurs hin. Seine Filme sind formvollendete Parabeln auf gesellschaftliche Zusammenhänge, die bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben. Wie ein Märchenerzähler für Erwachsene setzt Kurosawa komplexe moralische und kulturelle Konflikte in einen neuen Kontext und drückt sie kreativ in Form von mitreißend erzählten Geschichten aus. Für mich liegt bei ihm der Ursprung moderner Heldengeschichten, welche die Bezeichnung „Kulturgut“ noch redlich verdient haben.

Empfehlung für Einsteiger: Die sieben Samurai

11. Richard Linklater

Bei Linklater verschwimmen auf faszinierende Weise die Grenzen zwischen Dokumentarfilm und Spielfilm. Ihm geht es wirklich um die Essenz menschlicher Beziehungen, an die er durch Hingabe zu seinen teils Jahrzehnte dauernden Projekten und durch sein Talent für Spontaneität und Improvisation gelangt, wie es sonst nur Wenige vermögen. Linklater gelingt es vor allem in seiner Before-Reihe und „Boyhood“ das Leben erfrischend unverfälscht darzustellen. Seine Figuren sind echt, seine Dialoge pointiert und die Atmosphäre stets am Puls der Zeit. Trotz ihrer tiefen Tragik und der Konflikte, die gerade aufgrund ihrer Alltagsnähe so zu Herzen gehen, fühlt man sich durch einen Linklater-Film beschwingt und bereichert. Immer wieder ein Erlebnis!

Empfehlung für Einsteiger: Before Sunrise

12. Ridley Scott

Auch wenn man Ridley Scott vorwerfen kann, dass er weniger Wert auf Inhalt als auf visuellen Stil legt, hat er auf seinem Gebiet Bahnbrechendes geleistet. Seine Historienfilme sind episch in Szene gesetzt und packend erzählt. Mich persönlich begeistert „Gladiator“ bis heute ein ums andere Mal, denn in diesem Film gelingt es Scott, zu einer unumstrittenen Pracht der Bilder eine scharfe Charakterzeichnung und subtile Botschaften zu gesellen. Auch wenn Ridley Scott nicht der große eigenwillige Künstler unter den Regisseuren ist, haben viele seiner Filme mich bewegt und fasziniert.  

Empfehlung für Einsteiger: Gladiator

13. Steven Spielberg

Spielberg ist für mich immer der Inbegriff der Traumfabrik gewesen. Seine Filme sind sauber inszeniert, aufpoliert und mit Tricks und Überraschungen versehen. Seit seinem unfassbar gelungenen Debütfilm „Duell“ versteht sich der Mann unverschämt gut darauf, den Zuschauer zu begeistern und für sich zu gewinnen. Durch viele Genres und Themengebiete hindurch hat er seine Souveränität bewiesen. Auch wenn diese geleckte Perfektion und subtile Manipulation mich manchmal nervt, komme ich nicht um Spielberg herum. Er lässt die Massen träumen. Soll man ihn dafür verdammen? Der Mann versteht sein Handwerk und hat die Filmwelt nachhaltig geprägt.

Empfehlung für Einsteiger: Schindlers Liste

14. Michael Haneke

Obwohl ich mich noch nicht ausgiebig mit Haneke beschäftigt habe und er in mancher Hinsicht ein Mysterium für mich ist, gehört er als Regisseur in diese Liste. Es macht schon Sinn, dass er an der Filmhochschule lehrt, denn seine Inszenierungen tragen den Glanz des Meisterhaften an sich. Mit hohem intellektuellen Anspruch nimmt er sich sperrigen Themen an und setzt sie mit einer beeindruckenden Leichtigkeit in Szene. Seine Direktheit und Klarheit in den Bildern steht für mich den reflexiv-kritischen Gedankenkonstrukten hinter den Filmen gegenüber, was die Angelegenheit Haneke so undurchsichtig wie faszinierend macht. Ohne Frage ein begnadeter Regisseur.

Empfehlung für Einsteiger: Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte

15. Éric Rohmer

Rohmer ist der Experte des intellektuellen Dialogs. Seine Filme bestehen größtenteils aus Unterhaltungen zwischen meist jungen Leuten, die ihren Platz im Leben und in der Welt suchen. Man merkt seinen Werken die Liebe zur Literatur und die damit verbundene tiefergehende Beschäftigung mit Inhalten an. Aus ihnen spricht ein belesener Humanist und Moralist mit großer Menschenkenntnis, dem es sich lohnt die Aufmerksamkeit zu schenken. Für mich sind seine philosophischen Erzählungen in der Filmwelt etwas absolut Einzigartiges.

Empfehlung für Einsteiger: Meine Nacht bei Maud

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