Bildnachweis:

Alles für die Kunst: Die Lieblingsregisseure der Redaktion

von Pascal Reis

1.Ethan & Joel Coen

Die klare Nummer eins ist ein Duo. Auch wenn Ethan erst seit (ausgerechnet dem weniger erwähnenswerten) Ladykillers offiziell neben seinem Bruder Joel als Regisseur gelistet wird, das wohl spannendste und kreativste Brüderpaar der letzten 30 Jahre hat schon immer gemeinsame Sache gemacht, nicht nur hinter den Kulissen. Sie bilden über so einen langen Zeitraum eine Konstante in Sachen eigener, sich weiterent wickelnden und trotzdem von Anfang an vorhandener Handschrift, die (fast) jeden ihrer Filme wie aus einem Guss wirken lässt. Von ihrem Debüt Blood Simple bis zu ihrem Oscar-Abräumer No Country for Old Men. Es gibt minimale Schattierungen in ihrer langen Vita, vonder aber keine einen Beinbruch darstellt und mühelos vom Rest kompensiert wird. Gerade was das Entwerfen von gleichermaßen hassens- wie liebenswerten Käuzen (manchmal sogar gleichzeitig), unvorhersehbaren Plotentwicklungen und skurrilen Momentaufnahmen angeht, sind sie unübertroffen.

Einstiegsempfehlung: Entweder Blood Simple (wenn man sichnicht nur chronologisch, sondern auch vom Gefühl an ihre eher düsteren Arbeitenherantasten will) oder Hudsucker – Der große Sprung (wenn man es lieber heiter mag, bekommt man hier eine ideale Mischung aus Screwballcomedy und demverrückten, einzigartigen Coen-Einschlag).

2.Alfred Hitchcock

Der Master of Suspense. Ein untersetzter Onkel mit dem Aussehen eines Bonbon-Verkäufers hat das Genre-Kino teilweise neu erfunden. Undauf dem Weg dahin ein stückweit auch immer sich selbst. Warum der alte Alfred nicht ganz oben steht ist auch damit begründet, dass er gerne einen Film als aktiven Lernprozess verstand. Probierte viel und häufig rum, erkannte eigeneSchwächen und merzte sie mit den Jahren (im Idealfall) konsequent aus. Dadurchist nicht jeder seiner Filme brillant, einige sind dafür zeitlose, wegweisende Meisterwerke und in seiner sechs (!) Dekaden umfassenden Karriere entstand nie ein echter Fehlschlag. Ohne Hitchcock wäre das Kino nicht das was es ist…ode rzwischenzeitlich mal war.

Einstiegsempfehlung: Das ist mal richtig schwer! Hier könnten jetzt locker 10 Filme stehen, wer aber einen Sinn für den listigen Humor, das Inszenierungsgeschick und die generelle Wirkung eines Hitchcocks im Crashkurs erleben will, sollte mit Cocktail für eine Leiche beginnen.

3.Martin Scorsese

Einer der unbestreitbar wichtigsten US-Regisseure, der seiner Heimat New York, seiner Liebe zum Kino und sogar den Rolling Stones große Denkmäler setzte. Kaum eine umfangreichere, seriöse Topfilm-Liste kommt ohne (mindestens!) einen Scorsese aus. Sicherlich hat auch er nicht immer aufaller höchstem Niveau abgeliefert, aber hatte es unverkennbar immer vor (siehe Gangs of New York). Ein leidenschaftlicher, ein akribischer Filmemacher, der auch im hohen Alter immer noch diese Power ausstrahlt wie zu seinen wilden Zeiten. Ein echter Wise Guy.

Einstiegsempfehlung: Goodfellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia zeigt alle Qualitäten von Scorsese, ist eine seiner besten Arbeiten und so massenkompatibel, dass sich wohl nur sehr wenige Menschen davon nicht zumindest unterhalten fühlen.

4.John Carpenter

Er könnte eigentlich an der Spitze stehen. Was John Carpenter zwischen Assault – Anschlag bei Nacht (1976) und Das Ding aus einer anderen Welt (1982) abgeliefert hat, ist nicht weniger als ein Champion-League-Run. Theoretisch alles B-Genre-Movies, praktisch zeitlose Klassiker. Danach folgte ein leichter Bruch, auch wenn die Folgewerke alle ihren Reiz haben. Mitte der 90er verlor Carpenter endgültig sein Mojo, Ghost of Mars von 2001 – sein bis heute vorletzter Kinofilm – ist ein Armutszeugnis sondergleichen. Egal, auf seinem Höhepunkt war Carpenter von seiner Stimmung, seinem Timing und nicht zuletzt seiner ikonischen Soundtrack-Kompositionenunschlagbar.

Einstiegsempfehlung: Halloween – Die Nacht des Grauens. Die Geburtsstunde des US-Slashers, obwohl auf Gore und Jumpscares völlig verzichtet wird. Ein Meisterstück der minimalen Genre-Filmkunst, das nebenbei das Franchise-Syndrom im Horrorfilm entschieden anstieß (ob man das gut finden muss steht auf einem anderen Blatt, aber es war richtungsweisend).

5.Roman Polanski

Den Mensch Polanski kann man durchaus kritisch betrachten, nicht umsonst hat er seit 40 Jahren nicht mehr US-amerikanischen Bodenbetreten. Über den Künstler Polanski kann es kaum zwei Meinungen geben. Nie auf ein Genre festgelegt gelangen ihm Glanzstücke des Horrorfilms, Thrillers, Dramas und sogar der Komödie, verteilt über ein nunmehr halbes Jahrhundert. Ein Meister der Inszenierung und besonders der intelligenten, subtilen Spannung ,die nichts mit Effekthascherei am Hut hat.

Einstiegsempfehlung: Tanz der Vampire. War auch mein ersterPolanski und ist bis heute einer meiner Lieblingsfilme. Hat also prima funktioniert…

6.David Cronenberg

Der einstige König des Body-Horrors hat es als einer der wenigen Regisseure geschafft seinen Stil nach Jahrzehnten zu ändern undtrotzdem nichts an Qualität einzubüßen. Seine schon zu B-Movie-Zeiten psychologisch subversiven und stark sexualisierten Horrorfilme hat er mit derJahrtausendwende abgelegt, überzeugt danach mit düsteren Thrillerdramen und in diesem Jahrzehnt mit bissige High-Society-Satiren. Ein Könner auf allen Ebenenund immer mehr, als „nur“ ein erstklassiger Genre-Fachmann.

Einstiegsempfehlung: Die Fliege.  Das wohl prominenteste Exemplar seiner Body-Horror-Schaffensperiode und ganz nebenbei ein Remake, dass ein Original (auch wenn sie kaum miteinander zu vergleichen sind) locker hinter sich lässt.

7.Stanley Kubrick

Manche Menschen stören sich an Kubrick’s Stil. Zu steril, zu kalt mögen seine Filme wirken, dabei ist es nur der Ausdruck des puren, fast schon zwanghaften Perfektionismus, den man so selten bei einem Regisseur erleben durfte. Alles in seinen Filmen ist durchdacht, arrangiert bis ins letzte Detail, unter ihm zu arbeiten muss furchtbar anstrengend gewesen sein. Hinterher konnte man wenigstens sehen, dass es sich gelohnt hat. Ein echter Künstler, ein Filmemacher im wahrsten Sinne des Wortes, der Werke für die Ewigkeit geschaffen hat, die manchmal heute noch wirken, als wäre die Welt dafür noch nicht reif genug.

Einstiegsempfehlung: Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben. Im Vergleich zu anderen Arbeiten leichter zugänglich, deshalb nicht weniger brillant und von seinem Zeitbezug eigentlich nie wirklich überholt. Ob Donald Trump den Film kennt?

8.Quentin Tarantino

Er lebt den Traum der meisten Film-Nerds. Das Hobby zum Beruf machen und dabei aus einem endlosen Schatzkästchen von aufgesaugten Film-Erinnerungen etwas Eigenes kreieren. Dieser Typ ist so unglaublich leidenschaftlich, positiv verrückt, wie ein Kind das die Nacht im Spielzeugladen verbringen darf und das seit 25 Jahren mit dem gleichen ungebrochenen Enthusiasmus. Seine Filme haben die Popkultur entscheidend verändert und den Fokus moderner Filmfans immer wieder auch auf die vergessenen Werke gelenkt, die ihn inspirierten. Nebenbei ist er der Comeback-König Hollywoods, mit einem Herz für mausetote Schauspielkarrieren. Jeder neue Tarantino ist ein Event und das können wirklichnur die wenigsten Regisseure von ihren Arbeiten behaupten.

Einstiegsempfehlung: Chronologisch kann man hier nichts falsch machen und direkt zu seinem Debüt Reservoir Dogs greifen. Wer den nicht mag, braucht auch nicht weitermachen.

9.Dario Argento

Eins sollte klar sein: Die Rede ist von dem Dario Argento bis maximal 1996 (im Idealfall bis 1987), nicht von dem scheinbar senil gewordene Männlein, das sich mit jedem weiteren Auswurf nur noch mehr schadet und den eigenen Ruf ramponiert. Fassungslos ist man in Anbetracht von Grütze wie Giallo (der nicht einmal ein echter Giallo ist!) oder Dracula 3D, darüber sollte aber nicht vergessen werden, wie sehr sein Stil einst dem Genrefilm den ganz eigenen Stempel aufdrückte. Er gilt als Meister des Giallo, ist/war ein Genie der Bildsprache- und Kompositionen, konnte einen Film praktisch ohne richtiges Script oder vernünftige Schauspielleistungen zu einem gigantischen Erlebnis machen. Ein glühender Verehrer von Alfred Hitchcock und doch ganz anders als er. Argento auf seinem Höhepunkt war Genre-Kino für die Sinne. Allein sein Masterpiece Suspiria rechtfertigt seine Anwesenheit in dieser Liste. Dervielleicht ästhetischste, berauschenste Horrorfilm aller Zeiten.

Einstiegsempfehlung: Auch wenn es nicht sein bester (aber ein guter) Film ist, für Neulinge eignet sich ideal sein Debüt Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe. Nicht nur als Einstieg in die Welt von Dario Argento,sondern allgemein dem Sub-Genre des Giallo. Narrativ noch relativ konservativ, allerdings schon mit den immer wieder auftauchenden Leitmotiven versehen undinszenatorisch bereits auf hohem Niveau. Gut zum anfixen geeignet und noch nicht erschlagend.

10.Ingmar Bergman

Bergman könnte und würde zu einem späteren Zeitpunkt sicher noch weiter oben in dieser Liste stehen, dafür fehlen mir persönlich noch zuviele seiner zahllosen Arbeiten. Das bisher Gesehene reicht aber auch so locker für die Top 10. Bergman’s sensible, ehrliche und oftmals auch furchtbar intensive Auseinandersetzung mit dem Menschen ist in dieser hohen Qualität (und auch Quantität) sicher einzigartig. Das macht seine Filme häufig nicht einfach, dafür immer lohnenswert. Sollte man nicht jeden Abend schauen, was für sie spricht.

Einstiegsempfehlung: Wilde Erdbeeren. Einer von Bergman’s versöhnlichen Filmen, der den Zuschauer nicht runterzieht und mit einem sehr warmen Gefühl entlässt. Wer mutig ist, greift gleich danach zu Persona oder Die Stunde des Wolfs, um die andere Seite des Regisseurs zu erleben…

11.Brian De Palma

Auch hier sollte der Blick nicht auf die letzten Jahre seiner Karriere gerichtet sein. Eigentlich kann man mit De Palma-Filmen ab Mitte der 90er aufhören und hat nichts Weltbewegendes verpasst, auch wenn nicht alles danach Käse war. Seinen Höhepunkt hatte er eindeutig in den 80er Jahren. De Palma bezeichnete sich selbst als Hitchcocks besten Schüler und so eitel da sklingen mag: Er hat nicht unrecht. Viel besser hat wohl nie jemand den Meister zitiert und das mehrfach. Visuell zudem (früher) brillant, Einstellungen und Kamerafahrten in einem De Palma waren oft ein Genuss. Selbst in dem mittelprächtigen Spiel auf Zeit gibt es eine sensationelle Plansequenz, die das Ansehen allein rechtfertigt.

Einstiegsempfehlung: Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren. Ein mustergültiger Suspense-Thriller, auf den Hitchcock stolz gewesen wäre.

12.Francis Ford Coppola

Hierfür reicht allein sein Schaffen in den 70ern. Der Pate, Der Pate 2, Der Dialog und Apocalypse Now sollte jeder Mensch mal gesehen haben. Kino auf aller höchsten Niveau, besonders Letzterer ist ein Beleg fürden schmalen Grat zwischen Hingabe und selbstzerstörerischen Wahnsinn. Daran konnte Coppola auch aufgrund persönlicher Probleme nie mehr anknüpfen, für einige gute Filme danach (bei denen er deutlich kleinere Brötchen backen musste) reichte es dennoch. Nur so etwas wie Jack bleibt wirklich unverzeihlich…

Einstiegsempfehlung: Der Pate. Braucht es da eine Begründung? Ich denke nicht.

13.Michael Haneke

Haneke-Filme sind Kraftakte. Für den Zuschauer. Unterhaltungsfilme, das ist nicht seine Baustelle. Puristisch, ungeschönt, präzise beobachtend und eben selten bis gar nicht analysierend oder gar belehrend, wie es ihm oft vorgeworfen wird. Haneke schildert nur und hält sein Publikum für intelligent genug, sich aus dem Gezeigten selbst eine Meinung zu bilden. Dass wollen manche nicht verstehen, fühlen sich manipuliert, doch in Wahrheit ist Haneke wohl einer der am wenigsten manipulativen Regisseur der Welt. Ein Garant für konstant hohe Qualität und anschließenden Diskussionsstoff.

Einstiegsempfehlung: Liebe. Mit Abstand seine zugänglichste Arbeit, da es wohl kaum einen Menschen geben dürfte, der sich mit diesem Thema nicht auseinandersetzen kann. Und zudem sein wirklich schönster und sogar bester Film.

14. Paul Thomas Anderson

„Erst“ knapp 20 Jahre im Geschäft und schon einer der ganz Großen. Anderson ist ein eigenwilliger, nicht Profit-orientierter Filmemacher, der trotzdem nicht gezwungen ist im Indy- und Low-Budget-Bereich vor sich hinzu vegetieren. Durfte schon früh mit großen Stars und höheren Budgets arbeiten und verschwendet sie nicht für kommerzielle Gassenhauer. Seine Filme drehensich in erster Linie um die Figuren, dann erst um die Geschichte, was sich besonders in dem teilweise komplett missverstandenen und gnadenlos unterschätzten Inherent Vice – Natürliche Mängel auf sehr ironische Weise äußerte. Und das macht er ganz wundervoll. Hat noch nie daneben gelangt, dieTrefferquote ist irre. Hoffentlich bleibt das so.

Einstiegsempfehlung: Boogie Nights. Sein gerade mal zweiter Spielfilm wäre für viele Regisseure der Karrierehöhepunkt, für ihn war er nur der Grundstein. Wer es schafft, Mark Wahlberg wie einen Charakterdarsteller wirken zu lassen, der muss zaubern können.

15.Jean-Pierre Melville

Leider war seine Karriere zu kurz, sonst wäre auch er hier sicher an höherer Position zu finden. Urteilen kann ich persönlich nur über 5 Filme, von denen lediglich sein letzter – Der Chef – „nur“ als gut zu bezeichnen ist. Der Rest ist großartig, besonders natürlich seine frostige Gangsterballade und Studie der Einsamkeit Der eiskalte Engel. Wenn man überexzellentes Gangsterfilmkino abseits von Glorifizierung spricht, kommt man anJean-Pierre Melville nicht vorbei. Chapeau.

Einstiegsempfehlung: Armee im Schatten. Mal kein Gangsterfilm, behandelt sein persönlichster Film den Kampf der im Untergrund operierenden Widerstandsbewegung während der deutschen Besatzung in Frankreich. Es ist somit nicht unbedingt repräsentativ für das Schaffen von Melville, aber eben nicht so festgelegt auf bestimmte Genre-Präferenzen.

Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.