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Bilder des Zerfalls: Im Klammergriff der Kontroverse - Teil 13

von Pascal Reis

Ein Film wie „Menschenfeind“ verlangt dem Zuschauer einiges an Durchhaltevermögen ab. Gaspar Noe ist inzwischen unlängst bekannt dafür geworden, dass er sein Publikum mit seinen Werken gerne an die Grenzen führt – vielleicht, wer weiß, auch darüber hinaus. Die elementare Frage ist in Bezug auf Noes inszenatorische Härte, in welchem Kontext diese eigentlich besteht und nicht, wie man diese Härte am besten hinter sich bringen kann. Vielleicht aber zielt Gaspar Noe auch darauf ab, dass es Menschen gibt, die sich seinen Filmen aussetzen, nur um bereits nach wenigen Minuten die Devise zu pflegen, „die Sache irgendwie zu überstehen“. Hauptsache dabei, um es sich selber zu beweisen, oder so. Wer sich aber wirklich mit dem Medium auseinandersetzen möchte, muss hinterfragen, und wer „Menschenfeind“ in seinem brachialen Gebaren hinterfragt, wird sich schnell einsam auf weiter Flur wiederfinden. Nicht, weil es die filmischen Abstrahleffekte so verlangen, sondern primär aus dem Grund, weil Gaspar Noe zu tief in die Leere blicken lässt.

Und die Leere ist im Falle von „Menschenfeind“ keinesfalls existenzialistisch codiert, Gaspar Noe („Enter the Void“) vermag es in seinem Debütfilm stattdessen schlichtweg nicht, dem Anspruch einer Charakter-Studie adäquat gerecht zu werden. Die Hauptfigur des namenlosen Pferdemetzgers (Philippe Nahon, „Die purpurnen Flüsse“) konnte man schon in seinem Kurzfilm „Carne“ von 1991 kennenlernen. Wer allerdings nicht mit der Vorgeschichte des Metzgers vertraut ist, bekommt zu Anfang in einer Art Diashow, die monoton vom Metzger aus dem Off kommentiert wird, entsprechend Einblick, wie es bisher in seinem Leben verlaufen ist: Vergewaltigung, Verlust, Mord, Hass. Jedem seine Gerechtigkeit. Der Metzger ist genau das, was man wohl als eine Antithese zur klassischen Identifikationsfigur beschreiben würde. Er schleppt eine faschistoide Ideologie mit sich herum, er sieht die Welt in schwarz-weißen Extremen, ohne zu verstehen, dass hinter all seiner unbändigen Verachtung gegenüber der Menschheit der rigorose Selbsthass lauert, der ihn zu einer Weltsicht zwingt, die aus reinen Antagonismen entwächst. Einer gegen alle.

Und das ist interessant, eine Figur zu entwerfen, die den Zuschauer prinzipiell auf Abstand zwingt – jedenfalls auf den ersten Blick. Gaspar Noe aber verpasst es, dem Metzger wirklich nahe zu kommen, ihn organisch zu porträtieren und durch Ambivalenzen zur dreidimensionalen Persönlichkeit zu formen. Unter Noes Ägide verkommt der Metzger nunmehr zur plumpen Karikatur, die durch die Welt stampft und in ausgiebigen Voice-Over-Tiraden ihren Unmut gegenüber allem und jedem plattwalzen darf. „Menschenfeind“ labt sich an den durch den Raum mäandernden Ausbrüchen regelrecht, hat dem Ganzen aber bereits nach 20 Minuten aber schon jedwede Möglichkeit abgesprochen, einen doppelten Boden zu gewinnen, um das Sozial-Drama selbst beinahe schon auf Tuchfühlung mit einem gar effekthascherischen Elendstourismus gehen zu lassen. Die letzten Minuten bringen dann zwar die Ambiguität mit, in der „Menschenfeind“ seine Kraft in mehrwertige Dimensionen zu kanalisieren versteht, doch bis dahin durften wir uns bereits über fast 80 Minuten repetitiv um die eigene, wutschnaubende Achse drehen.

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