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Der große Jahresrückblick der MB-Redaktion 2017

von Sebastian Stumbek

DIE TOP 10 FILME 2017: 

1. Certain Women
Sehnsuchtsblicke, die unter die Haut gehen: Kein Film hat dieses Jahr so aufrichtig und ergreifend von Einsamkeit erzählt wie Certain Women. In den körnigen 16mm-Look habe ich mich dabei genau so verliebt wie in jede einzelne dieser wunderbaren Frauenfiguren. 

2. War for the Planet of the Apes
Balsam für die geschundene Blockbusterseele: War for the Planet of the Apes vertraut in seine Figuren, in seine Bilder, in die erzählerische Kraft der Stille. In der emotionalen Wucht dieses Finales habe ich am Ende, wie Hauptprotagonist Caesar, mein Paradies gefunden. 

3. Blade Runner 2049
Von eisigen Wellen, die ohrenbetäubend laut über erbitterten Kontrahenten zusammenschlagen, bis hin zu friedlich fallenden Schneeflocken: Ich habe vieles von Blade Runner 2049 erwartet (nicht viel, besser gesagt), aber dass er so extreme körperliche Reaktionen von mir einfordert, hätte ich nicht zu träumen gewagt. Staunen, Luft anhalten, und am Ende dann: Tränen. Was für ein gewaltiges Kinoerlebnis!  

4. Ma vie de Courgette
Selten hat ein Kinderfilm den unschuldigen Witz seines Genres so tritt- und taktsicher gegen die düstere Realität der Erwachsenenwelt ausgespielt. Ma vie de Courgette genügen 60 Minuten, um so viel und so ungeheuer empathisch über seine Figuren zu erzählen. 

5. 20th Century Women
Eigentlich wollte ich mich wehren gegen die gefallsüchtige, ausgestellte Schrulligkeit dieses Films, aber dann hat er mich gleich mit den ersten Tönen und Bildern doch vollkommen mitgerissen und verzaubert. Eine gleichermaßen traurige wie hoffnungsvolle Ode an die Augenblicklichkeit des Lebens, mit Leben und Liebe erfüllt von einem grandiosen Darsteller-Ensemble. 

6. Song to Song
Ein Reigen schwereloser Bilder, in denen die Figuren einmal mehr umherschweifen, dieses Mal nicht auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, sondern auf der Suche nach Gnade, nach Erlösung, nach Liebe. Wenn Gosling und Mara diese am Ende finden (oder auch nicht?), versinkt die Leinwand für einen Augenblick so innig in liebevoller Zuneigung wie die beiden in ihrer Umarmung – und La La Land erbleicht vor Neid.

7. 47 Meters Down
Ein Konzentrat all meiner Ängste: Als ich 47 Meters Down vorletztes Jahr gesehen habe, hieß er noch In the Deep, und ich musste darum fürchten, dass die meisten Menschen ihn gar nicht zu Gesicht bekommen werden. Dass ich  den besten Hai-Film seit Jaws nun auf diese Liste setzen kann, macht mich sehr glücklich - und ruft sofort wieder Erinnungen an die Seherfahrung zurück, aus der ich zwar gestärkt, aber auch sehr verschwitzt hervorgegangen bin. 

8. In a Valley of Violence
Angefangen bei Jeff Graces grandioser Musik, über die sensationell eingearbeiteten Horrorelemente, bis hin zur Besetzung von Ethan Hawke als verlottertem PTSD-Cowboy - was es an diesem Film nicht zu lieben gab, weiß ich immer noch nicht. Als straff und geradlinig erzählter Western, vor allem aber als zynisch verseuchtes revenge flick ist In a Valley of Violence ein absoluter Hochgenuss. 

9. Dark Blood
Eigentlich gehört dieser Film nicht in diese Liste, denn gedreht wurde er 1993 und nachträglich fertiggestellt 2012. Aber der Tod von Hauptdarsteller River Phoenix während der Dreharbeiten und die jahrelang aufgeschobene Vollendungs- bzw. Veröffentlichungspolitik sollte seiner Preisung  nicht im Weg stehen, vor allem wenn er dieses Jahr hierzulande sogar einen Kinostart hatte. Die abgründige Melancholie des in Flammen stehenden Schlussmoments hat mich noch immer nicht ganz verlassen. 

10. Der traumhafte Weg
Kino kurz vor dem absoluten Stillstand. Den wunderschönen Bildkompositionen ist von Anfang an die große Tragik des Endes eingeschrieben. Ich blieb sitzen bis es hell im Saal wurde und fuhr dann mit gebrochenem Herzen nach Hause.

DIE FLOP 5 2017: 

Sicherheitshalber noch mal ein Disclaimer: Das sind bei weitem nicht die schlechtesten Filme des Jahres, sondern nur meine fünf größten Enttäuschungen. 

1. Baby Driver
Mir fehlten Witz und Wortakrobatik im Drehbuch, Virtuosität in der Inszenierung und Romantik in der Romanze. Von ein paar wirklich ikonischen Szenen abgesehen ist Baby Driver eben doch nur ein recht konventioneller Gangster-Ulk und für Wright-Verhältnisse damit eine Enttäuschung.

2. Moonlight
Noch immer klafft in mir eine große Leere, a moonlight-shaped hole, wo der Film mich emotional hätte treffen sollen. Ich hoffe auf eine Zweitsichtung. 

3. Valerian and the City of a Thousand Planets
Hot take: Dane DeHaan und Cara Delevingne waren es, die mich mit ihren bezaubernden Leistungen und viel Leinwandchemie bei Laune hielten. Die bunten Bilder schafften das nämlich irgendwann nicht mehr - wie auch, wenn der Film unter so akuter Erzählarmut leidet? Hätte ich gerne hotter gefunden. 

4. Logan
Total wehleidiger Superheldenbore, der dem stets reizvollen X-Men-Franchise mit ganz viel selbstauferlegter Bittermiene den pinken Teppich unter den Füßen wegzieht. Vor allem unangenehm: wie der Film gerne ein seriöses Drama um Vergänglichkeit und Gewalt wäre, letztere aber „für die Fans“ mit sadistischer Freude auf die Spitze treibt. Ja, das Deadpool-Publikum verdient diesen Film. 

5. Little Men
Durchaus schön, wie aufrichtig die Freundschaft dieser zwei Jungs ist. Leider ist der Film um sie herum wenig interessant. Die im Trailer vorweggenommene Konfliktsituation lässt dem spröden Alltagsrealismus wegen viel dramatisches Potential liegen und übt sich lieber in schon tausendfach ausbuchstabierter Familienversöhnung. Immerhin wurde ich daran erinnert, dass Greg Kinnear einer von den Guten ist.

10 MOST WANTED FILME 2018: 

The Shape of Water
The Post
Call Me by Your Name
Lady Bird
Isle of Dogs
Mamma Mia! Here We Go Again
Phantom Thread
Wonderstruck
The Irishman 
The Man Who Killed Don Quixote

MEIN SERIENJAHR 2017: 

Die ersten Staffel Mindhunter hat für mich alle von True Detective gegebenen Versprechen eingelöst. Großartig! (ansonsten nix geschaut, wozu auch?)

FAZIT: 
Schlimmes Jahr, großartiges Kinojahr. 

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