Bildnachweis: © Constantin Film | Titelbild der neuen Netflix-Serie "Shadowhunters"

First Look: "Shadowhunters"

von Sören Jonsson

Man könnte meinen, dass Netflix mit seinen „Originals“ nichts falsch machen könne. So wurden „House of Cards“ oder„Narcos“ innerhalb kürzester Zeit nach ihrem Release als Instant-Klassiker gehandelt. „Orange Is The New Black“ wird seinen Jahren beliebter und dabei konstant für seine Charakterarbeit gelobt.„Daredevil“und„Jessica Jones“haben mit ihrer packenden Darstellung und frischen Herangehensweise gezeigt, dass das Superhelden-Genre nicht zwangsweise auf eine Flaute zusteuert, sondern problemlos neue Pfade beschreiten kann, sofern man nur know-how mit ein bisschen Wagemut verknüpft. Sogar im deutlich weniger populären Dokumentarbereich kriegt der Streaming-Konzern durch Produktionen wie„Making Of A Murderer“  beachtlichen Aufwind. Man kriegt einfach das Gefühl, dass die Verantwortlichen eine Formel für perfekte Serien entdeckt oder zumindest einen untrüglichen Riecher für Formate haben... Naja, meistens zumindest.

Rückt näher, Unerschrockene und Hartgesottene und hört von meiner Begegnung mit „Shadowhunters“. Es war ein kalter Winterabend, als Thomas „Chefchen“ Repenning einen Freiwilligen suchte. In meiner gutmenschlichen Naivität und auf der Suche nach Lorbeeren, reckte ich flugs meine Hand und ward verpflichtet, eine neue Serie in Netflixens Landen zu beäugen.

Nachdem ich die ersten anderthalb Minuten der ersten Folge von „Shadowhunters“ gesehen hatte, wurde mir augenblicklich die Tragweite meiner leichtfertigen Bereitschaft gewahr und es entfläuchte mir unwillkürlich aber gut hörbar ein: „Fuuuuck.“

"Leiden - Die Sören Jonsson Story" - bald in ihrem Kino

„Was kann denn so schnell so furchtbar gewesen sein? Sören, du machst doch hier nur einen auf Meckerzausel, weil du weißt, dass Polemiken spannender zu lesen sind!“, sagst du jetzt vielleicht, Leser, der du bisher in gnädiger Unwissenheit verharrst. Aber nein! Keinesfalls! Ich sage sogar: Mitnichten! Um meinen emotionalen Sturzflug begreiflich zu machen, folgt nun eine kurze Nacherzählung der ersten Minuten:

Vor einem Kiosk steht breitschultrig und super-duper auffällig eine in schwarz gehüllte Gestalt. Die Sicherheitskamera des Zeitungsstandes zeichnet jedoch nur leeren Bordstein auf! Unheimlich... Nachdem sie von einem asiatischen Geschäftsmann passiert wird, läuft die Gestalt ihm nach. Die trashige Hintergrundmusik, bei der immer wieder die Worte „Monster“ und „Eat you alive“ vorkommen, ist offensichtlich noch nicht genug um dem Zuschauer zu vermitteln, dass hier Übernatürliches vor sich geht. Deshalb springt Schwarzjacke ohne ersichtliche Mühe auf ein naheliegendes Haus. Das ist zwar nicht wirklich sinnvoll, aber auch keineswegs auffällig. Dafür bietet es aber eine Überleitung, damit die Kamera in Richtung Dächer gehen kann, wo zwei weitere Verfolger warten: Eine platinblonde Perücke über einem Trenchcoat, die sich mit einem leuchtenden Kugelschreiber über den Arm reibt und dann auch rumhüpft, sowie einen blonden Fitnessfanatiker mit extra engen Klamotten und einem Gesichtsausdruck, den er sich scheinbar bei „Zoolander“ abgeschaut hat. Der japanische Geschäftsmann hat indes schon zweimal die Gestalt gewechselt und ist nun eine heiße Frau im pinken Partykleid, deren Augen kurz aufleuchten. Erneut bringen superkrasse Fähigkeiten absolut gar nichts, da sich die Verfolger davon nicht irritieren lassen, aber auffällig ist das auch nicht.Die Verfolger steuern auf eine siffige Unterführung zu, die den Eingang zu einem Club darstellen soll. Wir kriegen das vermittelt, weil über dem Durchgang ein Neonschild mit dem Namen des Clubs, „Pandemonium“, leuchtet. Einige der Buchstaben fallen jedoch sporadisch aus, sodass „Demon“ daraus wird... Weil der ohnehin schon wenig subtile Namen nicht deutlich genug war. Blondi rempelt dabei ein junges Mädel mit roten Haaren an, die ihn daraufhin anschnauzt: „Hey, pass doch auf wo du hingehst!“ Dieser dreht sich mit einem pseudo-überraschten Gesichtsausdruck um und erwidert: „Du kannnst mich sehen?!“


Der Vorspann beginnt und ich drücke auf Pause. Nur zum ersten von insgesamt fünf Malen. Selbst meine trash-gegerbte Seele tut sich hier schwer. Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Was zur Hölle habe ich da gerade gesehen? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, widme ich mich einer kurzen Internetrecherche und finde dabei heraus, dass ich einem miesen Trick aufgesessen bin! „Shadowhunters“ ist nicht wirklich ein „Netflix Original“, sondern wurde von Freeform produziert, einem Tocherkanal von AMC. Scheinbar verleiht Netflix nicht nur Eigenproduktionen seinen Hausstempel, sondern auch solchen, für die sie exklusive Streamingrechte besitzen. Warum sie gerade mit dieser Serie ihren Markennamen beschmutzen sollten, bleibt mir aber weiterhin schleierhaft. Ich vermute zunächst irgendeine Form von Komplott oder Schmiergeldaffäre, doch dann bemerke ich, dass die Serie auf der recht erfolgreichen Jugendbuchserie „Chroniken der Unterwelt“ beruht und vor ein paar Jahren schon einmal erfolglos als„City of Bones“ verfilmt wurde. Mit Aufnahme dieser Information reiße ich mich wieder ein bisschen zusammen. Ich gehöre halt einfach nicht zum Zielpublikum. Solange man seine eigenen Erwartungen, Ansprüche und Perspektiven ein bisschen zurück nimmt, lässt sich hier bestimmt noch das eine oder andere Element finden, welches die schlechteren Seiten der Serie kompensiert, richtig? Falsch! Ich könnte mich hier noch weiter über das nur aus heruntergebeteten Klischees bestehende Skript, das lasche Schauspiel oder den peinlichen Produktionswert auslassen, betrachte das aber hiermit einfach mal als erledigt und liefere euch zum Abschluss nur eine Strichliste mit einigen Highlights der ersten Folge:


- Es formieren sich augenblicklich mehrere (!) Liebesdreiecke, deren Mittelpunkt selbstverständlich die hübsche, aber hohle Projektionsfläche und Protagonistenprothese Clary bildet.

- Sämtliche auftretende Charaktere sind so dermaßen flach, durchschaubar und schlecht gespielt, dass man zwischendrin selbst glaubt hellseherische Fähigkeiten zu besitzen.

- Es wird unfassbar viel und unfassbar offensichtlich geklaut. U.a. von"Star Wars", "Blade", "Men In Black", "Harry Potter", "Buffy – Im Bann der Dämonen"und vielen, vielen mehr! Nicht mitgeklaut wurde allerdings der Charme irgendeiner dieser Vorlagen.

- Die Entführung der Mutter durch den Oberbösewicht soll vermutlich emotionales Gewicht haben, aber die Suspendierung parentaler Figuren ist bekanntermaßen die Grundvoraussetzung für lebensgefährliche Teenie-Abenteuer. Daher ist das auch nur ein weiterer Punkt der nach Schema F abgehakt werden muss.

- Für einen Moment erhofft man sich augenzwinkernde Selbstreferentialität, wenn Clarys nerdiger Verehrer Simon sie auf die Absurdität ihrer Situation und ihres Aufzugs hinweist. Wie sich heraustellt, ist das aber doch nur eine Vorlage um denselben billigen Meth-Witz dreimal hinter einander zu machen und die Hauptdarstellerin im engen Lederdress zu zeigen.


Fazit:

Meine Fresse war das grauenhaft. Ich hätte Folge 1 nie bis zu Ende gesehen, wenn mich der Vasalleneid gegenüber Chefredakteur / Shogun OnealRedux nicht dazu gezwungen hätte. Einzig denkbare Unterhaltung, die man daraus ziehen könnte, wäre ein Trinkspiel: Alle müssen trinken, wenn ein Spieler Elemente erkennt, die aus anderen Serien geklaut wurden. Aber Obacht: Die Gefahr einer Alkoholvergiftung oder anhaltender Blindheit ist enorm hoch. „Shadowhunters“ ist ein nachhaltiger Beweis dafür, dass die meisten Medien mit dem erklärten Zielpublikum „Junge Erwachsene“ massiv verdummt und ohne jegliche Mühe hingerotzt werden.

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