MB-Kritik

Àma Gloria 2023

Drama

Arnaud Rebotini

Inhalt

Die sechsjährige Cleo liebt ihre Nanny Gloria über alles. Doch ein Todesfall in der Familie veranlasst Gloria, die von Cap Verde stammt, zu ihrer eigenen Familie zurückzukehren. Die beiden teilen einen letzten gemeinsamen Sommer, um Abschied zu nehmen. 

Kritik

Abstrakte Aquarelltöne, die zu naiven Formen verschlungener Figuren fließen, liefern eine im doppelten Sinne malerische Metapher für die vielschichtige Thematik, der sich Marie Amachoukeli-Barsacq in ihrem zweiten Spielfilm nährt. Zugleich etablieren die pastösen Zeichnungen die zentralen Figuren und ihre nahezu symbiotisch Verbindung zueinander in dieser differenzierten Geschichte von Festhalten und Loslassen, Ende und Neuanfang. Die autobiografische gefärbte Perspektive knüpft sich in ihrer intuitiven Bildsprache dabei eng an die kindliche Sichtweise auf systemische und strukturelle Hierarchien.

Deren klassistische und rassistische Faktoren werfen einen verunsichernden Schatten auf die sonnigen Szenarien, hinter deren äußere Unbeschwertheit sich eine von sozialen, familiären und wirtschaftlichen Zwängen bestimmte Realität andeutet. Dennoch wächst die von der Regisseurin mit Pauline Guéna (In der Nacht des 12.) verfasste Geschichte niemals zum politischen Drama, sondern verankert jede Szene fest in der emotionalen Ebene. Diese ist die Basis der Beziehung zwischen der sechsjährigen Cleo (Louise Mauroy-Panzani) und ihre von Cap Verde stammenden Nanny Gloria (Ilca Moreno Zego).

Sie führt der Krebstod ihrer Mutter zurück auf die Heimatlosen, wo ihre erwachsene Tochter Fernanda (Abnara Gomes Varela) kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes steht und Sohn Cesar (Fredy Gomes Tavares) mit der wachsenden Entfremdung zu seiner Mutter kämpft. Der Sommerbesuch Cleos, die nach dem frühen Verlust ihrer Mutter umso mehr unter der erneuten Trennung ihrer engsten Bezugsperson leidet, offenbart die inhärenten Konflikte der Konstellation, in der Cleos Trost einen hohen persönlichen Preis fordert.

Fazit

Fast zehn Jahre, nachdem sie für ihr Spielfilm-Debüt die Camera D‘or gewann, kehrt Marie Amachoukeli-Barsacq mit einem ähnlich intimen, wenn auch in Fokus und Form gänzlich eigenen Werk zurück nach Cannes. Hier untersucht sie in der parallel laufenden Critic‘s Week die familiäre Nähe zweier Protagonistinnen auf unterschiedlichen Seiten des gesellschaftlichen Grabens. Dessen unterschwellige Präsenz erinnert stets an die kapitalistischen Komplikationen eines Szenarios, hinter dessen zarten Animationen die harsche Realität immer greifbar bleibt. 

Autor: Lida Bach
Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.