Inhalt
Georges (Jean-Louis Trintignant) und Anne (Emmanuelle Riva) sind bereits im sehr gehobenen Alter - aber seit Ewigkeiten ein Paar. Früher einmal waren beide Musikprofessoren, mittlerweile sind sie natürlich längst in Pension. Ihre Tochter Eva (Isabelle Huppert), ebenfalls eine Musikerin, lebt mit ihrer Familie in Europa und schaut ab und zu bei den Eltern vorbei. Gleiches gilt für den Star-Pianist Alexandre (Alexandre Tharaud). Georges und Anne sind sich in aufrechter Liebe verbunden. Ihr perfekt eingespielter Alltag wird jäh unterbrochen, als Anne nach einem ersten Schlaganfall von heute auf morgen ein Pflegefall wird. Den Eheleuten wird schnell bewusst, dass es der Anfang vom Ende ist, dass sich Annes Zustand fortan nur noch verschlechtern wird. Weiterhin pflegt Georges seine große Liebe aufopferungsvoll, bis auch er an seine Grenzen geführt wird...
Kritik
Michael Haneke ("Funny Games") war nie ein einfacher Regisseur. Seine Filme sind thematisch wie von der Umsetzung nicht jedermanns Sache, widmet er sich doch oft den Abgründen der menschlichen Seele und muss sich oft den Vorwurf gefallen lassen (ob berechtigt oder nicht sei mal dahin gestellt), sein Publikum belehren zu wollen. Nun, bei "Liebe", trifft eigentlich nichts davon zu.
Belehren will Haneke hier definitiv niemanden, womit auch? Auch menschliche Abgründe gibt es nicht zu sehen, nur reines Alltagsgeschehen, wie es überall auf der Welt stattfindet, Tag für Tag. Es geht um etwas, das jeden ansprechen müsste, denn irgendwann dürfte für die meisten Menschen der Punkt in ihrem Leben kommen, an dem sie sich genau damit auseinander setzen müssen. Zumindest die Menschen, die ihre Liebe fürs Leben gefunden haben, mit ihr alt werden und dem Unausweichlichen nicht entfliehen können: Einer von beiden, ob nun man selbst oder der Partner, wird zuerst gehen. Manchmal wird es schnell gehen, was vielleicht der einfachere Weg ist, meistens verläuft dieser Prozess jedoch schrittweise. Genau das schildert Haneke, doch "Liebe" ist in erster Linie kein Film über das Sterben. Wie der Titel schon sagt, es geht um Liebe. Die Selbstverständlichkeit, dem Partner beizustehen.
Ohne Selbstmitleid und unausgesprochene Vorwürfe sich hingebungsvoll um den wichtigsten Menschen zu kümmern, bedingungslos, mit allen Konsequenzen, bis zum Schluss. Dies gelingt Haneke auf so eine berührende und ehrliche Art darzustellen, wie es für Filme aus Hollywood unvorstellbar scheint. Gerade weil sein Werk niemals übertrieben sentimental daher kommt, nicht auf Kitsch, Pathos oder eine manipulative Inszenierung zurückgreift, ist es so unglaublich warmherzig und echt. Ja, tatsächlich warmherzig, und das bei Haneke. Aber auf seine ganz eigene Art. Das Geschehen ist oberflächlich gesehen natürlich tottraurig, dennoch ist "Liebe" nicht der zu erwartende Downer, der den Zuschauer tonnenschwer zu Boden drückt und erschlagen zurücklässt. Das macht ihn so einzigartig und unterstreicht das gesamte Gefühl, dass dem Österreicher oft nicht zugestanden wird.
Ein Feel-Good-Movie ist es selbstverständlich nicht, aber ist rührend, auf eine ganz unaufdringliche Weise. Er zeigt das Ende eines gemeinsamen Lebens, dass trotz des schweren letzten Kapitels genau das ist, was sich jeder Mensch nur wünschen kann. Bis zum Ende ohne Einschränkungen geliebt, geachtet und respektiert zu werden. Egal wie schwer es ist, wieviel plötzlich nicht mehr da und unwiderruflich verloren ist, die Liebe und Zuneigung bleibt ohne jeden Kompromiss. Haneke´s Inszenierung ist unspektakulär, auf puren Realismus bedacht und genau dadurch so bewegend, seine Darsteller sind schlicht unglaublich. Jean-Louis Trintignant ("Leichen pflastern seinen Weg"), der extra für diesen Film aus dem Ruhestand zurückkehrte, und die einfach grandiose Emmanuelle Riva ("Hiroshima mon amour") liefern eine sagenhafte Vorstellung ab. Eitle Persönlichkeiten, im Schauspielfach ja nicht unüblich, würden sich so wohl niemals vor der Kamera zeigen.
Fazit
"Liebe" zählt zu den schönsten Liebesfilmen, die jemals gedreht wurden, vielleicht ist es sogar der Schönste. Weil er so anders ist. Weil er so ehrlich ist. Weil er in seiner Traurigkeit so schön ist. Ganz wundervoll und das ultimative Gegenargument für die ewigen Haneke-Kritiker und die unreflektierten Vorwürfe gegen ihn und seine angeblich „gefühlskalte“ Inszenierung.
Autor: Jacko Kunze