MB-Kritik

Before/After 2025

Comedy, Drama

Jérémy Lamblot
Baptiste Leclere

Inhalt

Jérémy trifft Baptiste. Ihre gemeinsame Glatze führt sie nach Istanbul, wo Kliniken behaupten, den Lauf der Zeit umzukehren. Inmitten wechselnder Winde und stiller Unruhe suchen sie in einer Stadt, die nicht ihre eigene ist, nach Sinn. Tag für Tag entsteht eine zerbrechliche Bindung, in der Hoffnung auf Veränderung.

Kritik

In einer frühen Szene Manoël Duponts (Oil Oil Oil) observativen Beziehungsdramas fragt einer der beiden alternden Protagonisten den anderen, wie er ihn beschreiben würde, wenn er ihn gegenüber Fremden beschreiben würde, wenn er ihn in einer Menschenmenge suchen würde. Hinter der Frage steht mehr als die körperliche Verunsicherung und Eitelkeit, die Baptiste (Baptiste Leclerce) und Jérémy (Jérémy Lamblot) emotional und logistisch zusammenführt. Baptistes Frage verweist auf die Leerstellen im Selbstbild beider Figuren, die ihren inneren Mangel an einem äußerlichen Schwund festmachen: ihrer Kahlheit.

Abhilfe schaffen soll der gemeinsame Besuch einer Schönheitsklinik in der Türkei. Dort findet sich Baptiste vorhersehbarerweise schließlich in eben der Situation, die zuvor nur Gedankenspiel war. Eine tiefere psychologische Resonanz entwickelt dieses reichlich konstruierte Detail indes nicht. Gleiches gilt für das Schlüsselmotiv des Haarverlusts. Der ist für die beiden Männer nicht nur zum Symptom ihrer verlorenen Jugend, sondern einem umfassenderen Gefühl der Unvollständigkeit. Die Beziehung, die beide miteinander beginnen, ist auch ein Versuch, diesem Gefühl auf emotionaler Ebene zu entkommen. 

Hier zeigt sich indes das dramaturgische Defizit der semi-dokumentarischen Inszenierung. Motiviert die Protagonisten echte Einsamkeit oder wollen sie einem gesellschaftlich Ideal romantischer Zweisamkeit genügen? Seit wann besteht die Unzufriedenheit mit dem Haarverlust? Die Antworten darauf beleben ebenso im Dunkeln wie der persönliche Hintergrund des zentralen Paares. Jérémy und Baptiste bleiben praktische Fremde, über die das Publikum am Ende kaum etwas weiß. Während die Differenzen in ihrer halbherzigen Affäre sofort spürbar sind, wirkt die körperliche Nähe verkrampft und mentale Nähe behauptet.

Fazit

Die übergreifenden Themen von Schönheitsidealen, körperlicher Verunsicherung und Selbstoptimierung sind zwar spannende, werden aber von Manoël Duponts unsicherer Beziehungsskizze nie ergründet. Genauso übergangen wird auch die Wahrnehmung äußerliche Ansprüche in der Gay Community. Die formal interessante Neutralität der sachlichen Kameraästhetik enthält durchaus eine moralische Wertung: Der kosmetische Eingriff erscheint als Kompensation einer inneren Leere. Jene bleibt indes so unbestimmt wie das emotionale Verhältnis der Hauptfiguren. Deren unzureichende Charakterisierung und schwaches Schauspiel bedingen einander. So zieht sich die Handlung trotz kurzer Laufzeit spürbar.

Autor: Lida Bach
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