7.1

MB-Kritik

Barbarella 1968

Adventure, Comedy, Fantasy

7.1

Jane Fonda
John Phillip Law
Anita Pallenberg
Milo O’Shea
Marcel Marceau
Claude Dauphin
Véronique Vendell
Giancarlo Cobelli
Serge Marquand
Nino Musco
Franco Gulà
Catherine Chevallier
Marie Therese Chevallier
Umberto Di Grazia
David Hemmings
Ugo Tognazzi

Inhalt

Wir schreiben das Jahr 40000, und Geheimagentin Barbarella steht vor ihrem schwierigsten Auftrag: Sie soll den kriminellen Wissenschaftler Durand Durand daran hindern, für die gefürchtete Schwarze Königin eine vernichtende Geheimwaffe zu entwickeln. Auf der Suche nach Durand gerät Barbarella in allerhand erotische Abenteuer, muß des öfteren um ihr Leben fürchten und steht schließlich der Schwarzen Königin persönlich zum Duell gegenüber.

Kritik

-„Ich ziehe mir nur schnell etwas an.“

-„Ach wozu denn, es handelt sich nur um eine Staatsangelegenheit.“

Nur nicht voreilig bekleiden, wäre doch schade drum. Jane Fonda (Klute) als Astronautin – pardon, Astronavigatrice – Barbarella eröffnet die gleichnamige Comicstrip-Adaption ihres Ehegatten Roger Vadim (…und immer lockt das Weib) lieber gleich mit einem sinnlichen Striptease in Schwerelosigkeit. Ein Opener, der auch nach gut 50 Jahren immer noch für offene Münder (und teilweise bestimmt auch erhöhten Speichelfluss) sorgt. Und das ist lange nicht das Außergewöhnlichste, was diese knallig-verspielte Wundertüte parat hält. Was garantiert seiner Zeit für ein fassungsloses Kopfschütteln seitens seriöser Filmkritiker und einen Aufschrei prüder Moralapostel sorgte, kann heute immer noch gut und gerne als bunter, alberner Soft-Erotik-Trash bezeichnet werden…aber dann tut man diesem echten Kunstwerk, dieser Ode an den Eskapismus, dem Star Wars der Flower-Power-Generation unrecht.

-„Ich möchte mit ihnen schlafen!“

-„Was fällt ihnen ein? Sie kennen mein Psychokardiogramm doch gar nicht!“

Im Jahr 40000 ist die Erde endlich eine Oase des Friedens. Gewalt und Kriege gehören in der reinen und höchst aufgeklärten Zivilisation der Vergangenheit an. Doch nun droht Gefahr, denn der Wissenschaftler Duran-Duran (ja, wie die Pop-Band, deren Name kommt nicht von Ungefähr) entwickelt auf einem entlegenen Planeten seine Positronenkanone („Warum sollte jemand eine Waffe erfinden wollen?“), die das pazifistische Gleichgewicht des Universums erschüttern könnte. Unter dem Motto „Sieg der Liebe“ wird Barbarella in ihrem mit Voll-Fell ausgelegten Raumschiff vom Präsidenten der Erde (und Rotationspremierminister, nicht zu vergessen) entsandt, um das teuflische Spiel von Durand-Durand und der Schwarzen Königin zu stoppen. Ihre Reise führt sie zu sonderbaren Orten (an denen einfach niemand Französisch spricht), bringt sie mehr als einmal in tödliche Gefahr, doch die kampfunerprobte Quasi-Amazone weiß „ihre unvergleichlichen Talente“ geschickt einzusetzen. Und lernt dabei ganz nebenbei die Vorzüge von echtem, altmodischem und inzwischen als barbarisch eingestuftem Sex zu schätzen. Das primitive, ungesunde und so irritierende Rein-raus-Spiel ist dann doch viel schöne als die olle Pille zur Verzückungsübertragung.

Manchmal möchte man glauben, Roger Vadim ist der Verstand in die Hose gerutscht oder auch umgekehrt, am Set wurden bewusstseinserweiternde Substanzen schon mit (oder statt) dem Morgenkaffee gereicht oder – um hier jede Schuldfähigkeit von sich zu weisen – alle Beteiligten müssen gehörig einen an der Waffel gehabt haben. Selbst wenn es so gewesen ist, das Endprodukt ist dennoch, oder gerade deshalb, einmalig geworden. Aber das wäre zu einfach gedacht, denn Barbarella ist eigentlich die Celluloid-gewordene Science-Fiction-Fantasie der frühen 68er-Bewegung. Ein Schrei nach Aufbruch, dem Entdecken neuer Lebensmodelle, weg von der spießigen Langeweile und Prüderie der modernen Zivilisation und ein demonstrativer Schmähgesang auf Machthunger, Krieg und die selbstzerstörerische Natur des Menschen. Während auf der Erde absolute Idylle herrscht, aber alle die Lust und Leidenschaft verlernt haben, dominiert auf der anderen Seite des Universums das Böse. Versorgt und gleichzeitig durch seine Niederträchtigkeit Nahrungsquelle für das gallertartige Mathmos, die Essenz alles Schlechten in dieser Welt. Zwei Extreme, von denen keines wirklich erstrebenswert ist.

Liebe und Sex verleihen Flügel. Während Barbarella -  aber auch ihr blinder, gefallener „Schutzengel“ Pygar (John Phillip Law, Von Mann zu Mann) und am Ende sogar die Schwarze Königin -  sich dessen bewusst wird und sogar Duran-Duran’s sadistische Orgasmus-Folter-Orgeln zum Durchschmoren bringt, zerstören sich die Tyrannen und die vertrottelten Revolutionäre gegenseitig, da Krieg und Gewalt keine Lösungen sind. Da unten geht die Bombe hoch, sie reiten auf den Schwingen der Liebe davon. Alles andere ist tödlich…oder todlangweilig.

Fazit

Was für ein Trip! Barbarella ist ein rauschartiges, natürlich auch irgendwo leicht frivoles Edel-Trash-Spektakel in teils billig und gleichzeitig pompös-fantastischen Bildkompositionen, das seine Message so naiv, gutmenschlich und doch eigentlich sehr subversiv-clever vermittelt. Lässt sich als reines Kuriositätenkabinett spaßig wegkonsumieren oder als politisches, ethisches Weltanschauungs-Statement auslegen, wie man gerade Lust drauf hat. Ein geiler Film, im wahrsten Sinne des Wortes.

Autor: Jacko Kunze
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