Inhalt
Walter (Vittorio Gassmann) ist auf der Flucht vor der Polizei, die ihn wegen des Diebstahls einer wertvollen Halskette sucht. Nachdem er knapp entkommen war, übergibt er den Schmuck seiner Freundin Francesca (Doris Dowling), mit der er am Bahnhof verabredet war. Um in der Menge zu verschwinden, schließt sie sich spontan den Arbeiterinnen für die Reis-Anpflanzungen an, die in großer Zahl auf dem Weg in die Po-Ebene sind.Als sie im Zug Silvana (Silvana Morgana) begegnet, wird ihr erst klar, worauf sie sich eingelassen hat. Da sie keinen Vertrag mit den Arbeitgebern an den Reisfeldern hat, droht ihr am Ziel die Zurückweisung. Silvana beruhigt sie, aber damit verfolgt sie eigene Ziele, denn sie hatte bemerkt, dass Francesca etwas in einem Tuch versteckt hielt. An den Reisfeldern angekommen, erfährt Francesca schnell, dass sie hier keineswegs willkommen ist, und als sie dann noch bemerkt, dass ihr Silvana den Schmuck gestohlen hat, bleibt ihr nur noch eine Möglichkeit, bevor sie von dort wieder verschwinden muss. Gemeinsam mit anderen Arbeiterinnen, die keinen Vertrag haben, erzwingt sie den Zugang zu den Reisfeldern...
Kritik
Dass die Epoche des Italienischen Neorealismus selbstverständlich dogmatischen Umgangsformen unterlag, folgte der künstlerischen Logik, jene Konzeptfilme im Zeitraum von 1943 bis 1954 zur linearen Reduktion des Wahrhaftigen zu gereichen: Regisseure wie etwa Roberto Rossellini, Luigi Zampa und Luchino Visconti zeigten sich in feuriger Ambition dafür verantwortlich, die nationalen Gepflogenheiten ihres Heimatlandes für ein anspruchsvolles Publikum zu porträtieren, die soziale Ungerechtigkeit, die Kluft zwischen Armut und Ausbeutung, die der Faschismus unter der Diktatur Benito Mussolinis in Bella Italia hinterlassen hat, ganz konkret und ohne mildernde Ausflüchte aufzuzeigen. Giuseppe De Santis darf sich ebenfalls zu den namensträchtigen Neorealisten zählen, die die damaligen Arbeiterklasse gegen den klaffenden Kapitalismus antreten hat lassen, um beißende Klagesprüche auszuformulieren. Der – wie könnte es anders sein – in Rom geborene Marxist De Santis aber durchbrach den Schutzwall der neorealistischen Gesetzmäßigkeiten und lieferte 1949 mit „Bitterer Reis“ ein grenzensprengendes Schlüsselwerk dieser Gattung.
Für Giuseppe De Santis lag im Italienischen Neorealismus der immense Wert der Aufklärung begraben, allerdings zeigte er sich der kargen Diktion überdrüssig und suchte mit „Bitterer Reis“ Anknüpfungspunkte zum reinrassigen Populärkino: Die Melange aus Dokumentation und Fiktion sollte Triebfeder für ein besonderes Filmerlebnis sein, welches sich sowohl der Aufklärung, aber auch der sensorischen Stimulation dienlich erweist. De Santis formuliert seine soziale Anklage so folgerichtig nicht in lehrhafter Ausstaffierung, die Dokumentarismen (wie zum Beispiel zu Beginn ein Reporter, der uns über die Knochenarbeit der Wanderarbeiterinnen in der Po-Ebene informiert) sind geschickt kalkulierte Übergangselemente, um – womöglich – simple Kolportage zu akzentuieren. Im Norden Italiens müssen sich die Frauen auf Reisfeldern die Rücken krumm buckeln, flinke Hände werden benötigt, die wissen, wie man eine Nadel einfädelt, wie man Kinder wickelt, und die sich über die aufgequollenen Füße durch die stetige Arbeit im Wasser nicht beschweren und ihren Lohn in Naturalien (1 Kilo Reis pro Tag) ohne Wiederworte akzeptieren.
Natürlich nehmen sie die Damen diese Auspressung nicht an, solidarisieren sich und gelten noch heute als Vorreiter von Gewerkschaft und festgelegter Arbeitszeit. Heute wie damals ist „Bitterer Reis“ aber nicht primär durch sein Anliegen sozialer Reformierung bekannt, sondern auch seine Anleihen zur Sexploitation: Silvana Mangano durfte über Nacht zum italienischen Sexsymbol heranwachsen, mit üppiger, herausgepresster Oberweite, knappen Hosen und den Kaugummi selbstgefällig zwischen den Backenzähnen hin- und herschiebend, sorgte sie mit Sicherheit bei der damaligen Publikumsschaft auch nach dem Kinobesuch für einige wohlige Gedankengänge im stillen Kämmerlein. Die Sinnlichkeit und Erotik, mit der sich „Bitterer Reis“ brüstet, ist ebenso Kalkül, um die kritische Thematik massenwirksamer aufzubauschen, obwohl es einen eindeutig feministischen Nukleus zu erspähen gibt, werden die Damen oftmals über ihre Hinterteile und freigelegten Schenkel eingeführt, um sich – Hybrid durch und durch - der Arbeit auf den Reisfeldern dann noch eine melodramatische Kriminalgeschichte andichten zu lassen. Gerechtigkeit und Leidenschaft, das ist genauso verzweigt, wie die Gewalt, die aus dem tiefen Dekolleté emporsteigt.
Fazit
„Bitterer Reis“ ist auch heute noch ein interessanter Vertreter des Italienischen Neorealismus, da sich Giuseppe De Santis nicht darauf erpicht, absolute Wahrhaftigkeit aufzuweisen, sondern seine soziale Anklage vielmehr durch eine klare Genreorientierung auflockert. Da steckt einiges an Kalkül hinter, die Sinnlichkeit der Damen soll locken und verführen, doch als kinematographisches Artefakt einer vergangenen Ära genießt „Bitterer Reis“ durchaus Relevanz.
Autor: Pascal Reis