7.0

MB-Kritik

Auf Liebe und Tod 1983

Mystery, Comedy, Crime, Thriller – France

7.0

Fanny Ardant
Jean-Louis Trintignant
Jean-Pierre Kalfon
Philippe Laudenbach
Philippe Morier-Genoud
Xavier Saint-Macary
Jean-Louis Richard
Caroline Silhol
Castel Casti
Annick Asty
Yann Dedet
Nicole Félix
Georges Koulouris
Pascale Pellegrin
Roland Thénot
Michel Aubossu

Inhalt

Die hübsche Sekretärin Barbara schmeißt des öfteren das Immobilienbüro allein, wenn ihr Chef, Julien Vercel, mal wieder lieber auf Entenjagd ist. Nur zu dumm, dass erst der Geliebte von Juliens Frau und dann die Gattin selbst tot aufgefunden werden. Weil Barbara aber an Juliens Unschuld glaubt, nimmt sie beherzt die Ermittlungen selbst in die Hand.

Kritik

Der französische Nouvelle Vague-Regisseur Francois Truffaut war wohl ein Herr, der trotz seiner radikalen Meinung gegenüber Hollywood, seiner Autorschaft bei Cahiers du Cinema und seiner selbstkritischen Haltung, wenn es um seine eigenen Filme geht, stets ein sanftmütiger Mensch war. Er nutzte Chancen, um immer und überall dazuzulernen, zu vermitteln, Wissen zu sammeln und zugänglich zu machen. Seine Korrespondenz mit Alfred Hitchcock ist bis heute legendär und wohl das erste Filmbuch, das sich jeder Filminteressierte zulegt. Ist der Name Truffaut wahrscheinlich nach Jean-Luc Godard der bekannteste der französischen Filmströmung, so stehen beide doch für gänzlich unterschiedliche Filme. Denn während Godard Kino über das Kino macht, nutzt Truffaut die Kraft des Mediums und macht Filme über Menschen. Mit seinem Erstlingswerk Sie küssten und sie schlugen ihn bereits zu einem Höhepunkt geschnellt, ist Truffauts Abschied aus der Filmwelt eine überaus gemütliche Film Noir-Hommage geworden. Francois Truffaut verstarb wenige Monate nach der Arbeit an Auf Liebe und Tod.

Sie spinnen ja, ich habe nicht die geringste Absicht, meine Frau zu töten! Sie ist bereits tot.“

Eine Hommage an den Film Noir, eine Liebeserklärung, gleichzeitig ein Augenzwinkern und eine bewusste Umschreibung der Genre-Regeln. Beginnen tut das jedoch fast schon klassisch und ist dabei völlig anders. Ein Mord wird zwar stattfinden, jedoch befinden wir uns nicht in einer anonymen Großstadt, wo die Lichter der Häuser für Lichter des Lebens stehen, die nie irgendeine große Bedeutung erlangen werden. Auch regnet es nicht, ebenso wenig wie die Szene nachts spielt. Viel mehr befinden wir uns an einem ruhigen See, getaucht in morgendliche Kälte. Es ist die unberührte Natur, als hätte die Menschheit an diesem Ort keinerlei Grund für ihre Existenz. Sie passt nicht hinein, sie gehört hier nicht hin und muss sich tarnen, um nicht abgestoßen zu werden. Doch Tarnung funktioniert nur selten. Jacques ist zwar eingemauert in Schilf, wird aber trotzdem eiskalt mit einem Jagdgewehr erschossen. Das Blut trieft von seinem Gesicht.

Truffauts Adaption des amerikanischen Romans The Long Saturday Night der Series Noir von Charles Williams wurde in den 80ern gedreht und dennoch stilecht in beste schwarz-weiß Bilder verschnürt. Diese helfen ungemein dabei, der Geschichte von Beginn an den wunderbar melancholischen Atem des Film Noir einzuhauchen. Und dennoch zeigt der französische Regisseur von Beginn an, dass er nicht blind den Regeln folgt. Gezielt suchte Truffaut bei der Stoffauswahl nach Material, das von einer starken Frauenfigur vorangetrieben wird. Die Protagonistin Barbara (Truffauts damalige Muse Fanny Ardant) ist weder blond, noch räkelt sie sich lasziv durch die Gegend. Sie ist äußerst lebensfroh, aufgeweckt und selbstbewusst, genießt ihr Leben und spielt niemanden für ihre eigenen Zwecke aus. Sie ist keine klassische Femme Fatale und doch führt sie die Männer in dieser Geschichte an und lässt sich niemals den Mund verbieten.

So finden sich in diesem Film immer wieder Elemente, die an die klassische Schwarze Serie des US-amerikanischen Kinos erinnern, die Truffaut gekonnt in sein eigenes Schema integriert. Pessimismus regiert hier keineswegs die Geschichte, noch den ganzen Film. Viel mehr sind Pessimismus, Hass, Gier und dergleichen negative Eigenschaften in Auf Liebe und Tod wie giftige Kerne in einer Gesellschaft, die schnellstmöglich entfernt werden müssen. Und das tut der Film, das tun die Charaktere. Zynische Momente des Films werden immer wieder durchbrochen, der Weltschmerz wird nicht an den Zuschauer vermittelt, er wird von den goldigen Charakteren übertönt und vergessen gemacht. Zynismen wie die Sensationsgeilheit der Medien, Blutlust der heutigen Gesellschaft, oder die Geschwindigkeit, mit der Hass heutzutage die Menschheit übermannen kann, sind alles Themen, die der Film anspricht und kurzerhand um ihre Schwere erleichtert. So entspannt Truffaut mit großem Geschick ein Netz aus Schuld, Glauben und Liebe, baut überaus interessante Konflikte auf und löst diese mit geschickter Federführung wieder auf.

Fazit

„Auf Liebe und Tod“ ist der letzte Film des großen Francois Truffaut. Das verspricht immer einen gewissen Wehmut mit sich zu bringen, doch ist der Film äußerst leichtfüßig unterwegs, der zu sehr mit Herzen gemacht wurde, als dass man ihn als Fingerübung abtun könnte. Ein Film, der Truffauts erwachsenes und herzliches Wesen zum Vorschein bringt und als fröhliche Film Noir-Liebeserklärung wahrlich spannende Unterhaltung bietet. Ein Film für regnerische Herbsttage, wenn man sich auf dem Sofa einkuscheln möchte und gerne für zwei Stunden in eine ebenso regnerische Welt abtaucht, in der immer Zeit ist, um drolligen Humor und Liebe für seine Nächsten aufzubringen - in Truffauts Fall wären das seine Figuren. Ein netter Film ohne tieferen Sinn, sagte der Macher selbst. Ein Film zum Verlieben, sage ich. „Auf Liebe und Tod“ wird noch oft über die Mattscheibe flimmern.

Autor: Levin Günther
Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.