6.5

MB-Kritik

Crossing: Auf der Suche nach Tekla 2024

Drama

6.5

Mzia Arabuli
Lucas Kankava
Deniz Dumanli

Inhalt

Lia, eine Lehrerin im Ruhestand, hat versprochen, ihre vor langer Zeit verschwundenen Nichte Tekla zu finden. Ihre Suche führt sie nach Istanbul. Hier trifft sie Evrim, eine Anwältin für Trans-Rechte, und plötzlich fühlt sich Tekla so nah an wie nie zuvor.

Kritik

Natürlich ist die titelgebende Überquerung in Levan Akins (Katinkas Kalas) einfühlsamen Ensemblestück nicht nur die der Grenzen zwischen Georgien und der Türkei, wo die resolute Protagonistin (Mzia Arabuli) nach ihrer transsexuellen Nichte sucht. Es ist der beschwerliche Weg zu Erkenntnis und Eingeständnis der pensionierten Lehrerin ihrer eigenen Versäumnisse und Mitschuld an der Flucht der jungen Frau, die sie erst nach in Abwesenheit zu verstehen und akzeptieren lernt. Ein weg, den das Publikum im doppelten Sinn mitgehen soll.

Wie bereits bei seinem ebenfalls um eine queere Thematik aufgebauten And Then We Danced stellt der Regisseur seine selbstverfassten Story mitunter zu sehr in den Dienst der für Respekt und Toleranz plädierenden Message. Jene richtet sich besonders an die Bevölkerung Akins Elternland Georgien, wo sein letzter Film aggressiven Protesten und Gewaltdrohungen ausgesetzt war. Nicht zufällig beginnt Lias Suche in der Protest-Hochburg Batumi, wo der ahnungslose Jugendliche Achi (Lucas Kankava) sie überredet, ihn als Dolmetscher mitzunehmen.

Wie die verschwundene Tekla erhofft sich Achi eine bessere Zukunft in Istanbul, wo einst auch seine Mutter untertauchte. Dritte des Protagonisten-Trios, dessen Wege sich vorhersehbar überschneiden, ist trans NGO-Anwältin Evrim (Deniz Dumanli). Die dramaturgische Dreigleisigkeit, in die sich noch die Erlebnisse zweier Straßenkinder mischen, droht den Plot zu überfrachten und verzerrt den narrativen Fokus. Der liegt nicht auf der identischen Suche, sondern der emotionalen Entwicklung, die sie anstößt. Eine späte Erkenntnis ist besser als keine.

Fazit

Als schauspielerisches Gegenstück der von ihr mit unermüdlicher Entschlossenheit und versteckter Verletzlichkeit verkörperten Protagonistin ist es besonders Mzia Arabuli, die mit ihrer schnörkellosen Darstellung die Inszenierung zusammenhält. Obwohl überflüssige Nebenhandlungen und -charaktere die Ereignisse mitunter nah an die überkonstruierte Sentimentalität einer Seifenoper bringen, fängt sich die Handlung immer wieder. Gerade die letzten Momente des im Panorama der 74. Berlinale uraufgeführten Figurendramas betonen die Bedeutung von Autentizität; sei es auf individueller, zwischenmenschlicher oder fiktiver Ebene. 

Autor: Lida Bach
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