Inhalt
Die USA lebte im Jahr 1951 im Zeitalter des Senators McCarthy und der Hetzjagd auf alles, was kommunistisch anmutete. Weil die Journalistin Emily Crane (Kelly McGillis) vor dem "Ausschuss für unamerikanische Umtriebe" vor Ray Salwen (Many Patinkin) nicht aussagen will, ist sie kurz später ihren Job los - zu der Zeit kein Einzelfall. Um ein bisschen Geld zu dienen, nimmt Emily den Job als Vorleserin bei einer alten Dame an; und sieht im Haus auf der anderen Straßenseite ein paar merkwürdige Gestalten, die sie näher untersuchen will.
Kritik
Die berühmt-berüchtigte McCarthy-Ära gilt als eines der dunkelsten Kapitel der USA, obwohl man doch gerade den Zweiten Weltkrieg gewonnen hatte. Friede, Freude, Eierkuchen an der Oberfläche, dabei infiltrierte sich eine Nation wissentlich selbst. Getrieben von Paranoia und hart rechtsorientiertem Gedankengut, dennoch durchaus beflügelt durch eine reale Bedrohung, denn der Kalte Krieg lief gerade erst richtig warm. In diesem spannenden, da sehr ambivalenten Szenario ist Das Haus in der Carroll Street von Regie-Routinier Peter Yates (Bullitt) angesiedelt und spielt dabei durchaus mit der Mischung aus überhasteter Hexenjagd und darunter beinah verschwindenden, tatsächlichen Verbrechen, gedeckelt durch staatliche oder sehr individuelle Interessen.
Fotoreporterin Emily (Kelly McGillis, Der einzige Zeuge) gerät ins Visier der McCarthy-Ermittlungen, da sie Quellen ihres Magazins nicht preisgeben will. Für ihre journalistische Integrität wird sie mit Arbeitslosigkeit und Beschattung durch den jungen FBI-Agent Cochran (Jeff Daniels, Dumm und Dümmer) „belohnt“. Rein zufällig stößt sie während ihrer neuen Tätigkeit als Vorleserin für eine alte Dame (Jessica Tandy, Miss Daisy und ihr Chauffeur) auf nebulöse Machenschaften im angeblich unbewohnten Nachbarhaus. Ihr Spürsinn lässt sie auf eine hochbrisante Affäre stoßen, die in einem Mord endet. Folgerichtig ist auch ihr eigenes Leben in Gefahr, aber ausgerechnet ihr Kettenhund Cochran stellt sich ihr zur Seite.
Das Haus in der Carroll Street besitzt wahnsinnig viel Potential, bewegt sich narrativ aber nur geringfügig über gehobenem Groschen-Roman-Niveau. Ein entscheidender Fehler geschieht schon früh: Der Zuschauer wird nach etwa 20 Minuten über ein wichtiges Detail informiert, das nie und nimmer dort schon bestätigt werden dürfte. Hitchcock plädierte zwar zu Lebzeiten dafür, dass wahrer Suspense durch einen Wissensvorsprung des Zuschauers nur besser werden kann, aber in dem Fall ist es am falschen Ende aufgerollt. Die gesamte, investigative Ermittlungsarbeit der Protagonistin läuft so schnurstracks auf die lange bekannte Erkenntnis heraus, was für das Publikum nun keinen Mehrwert bedeutet. Ein jedweder Aha-Effekt ist somit für die Katz und mündet fast in einem „Na endlich“. Wäre der Film anders erzählt, er hätte ganz andere Möglichkeiten. Denn grundsätzlich ist das alles relativ spannend. Besonders das angeblich idyllische, dabei durch paranoid-gesponnene wie tatsächlich subversive Aktivitäten äußerst bedrohliche Setting wird teilweise klasse inszeniert.
Handwerklich ist der Film über jeden Zweifel erhaben, besonders die fantastische Kinematographie von Michael Ballhaus sei deutlich hervorgehoben. Speziell das aufregende Finale im Bahnhof (da lässt ein Brian De Palma und somit über Ecken auch wieder Hitchcock grüßen) ist famos inszeniert. Die mangelnde Finesse im erzählerischen Bereich kann das natürlich nicht ausgleichen, wobei der Film sich dabei auch nicht richtig negativ präsentiert. Am Ende ist das minimal überdurchschnittliche Kost. Einerseits angenehm altmodisch in seinem Vorhaben und atmosphärisch respektabel, andererseits aber auch ohne das Geschick vergleichbarer Polit- und Suspense-Thriller. Die scheinbar unabdingbare Romanze der Protagonisten ist dabei so überflüssig wie Gott sei Dank am Ende auch nicht kriegsentscheidend, aber spiegelt schon treffend wider, wie sehr eine interessante Thematik zu sehr üblichen Mechanismen unterliegt.
Fazit
Eine interessante Prämisse, gute Darsteller, eine teilweise exzellente Bildsprache, spannende Einzelsequenzen und die Darstellung einer unbequemen Zeitepoche sind die deutlichen Vorzüge von „Das Haus in der Carroll Street“. Leider ist der Film ungeschickt erzählt und verkauft seine Grundidee deutlich unter Wert, zugunsten eines zu sehr angepassten Konsens. Grundsätzlich aber nicht uninteressant und ansehnlich umgesetzt.
Autor: Jacko Kunze