7.1

MB-Kritik

Deadlock 1970

Thriller, Western – West Germany

7.1

Mario Adorf
Anthony Dawson
Marquard Bohm
Mascha Rabben
Sigurd Fitzek
Betty Segal
Arnold Marquis
Dieter Schönemann

Inhalt

Charles Dump lebt mit seiner Tochter in einem verlassenen Kaff in der mexikanischen Sierra. Eines Tages gabelt er den erschöpften Verbrecher Kid auf, der die Beute eines Bankraubs im Gepäck hat. Dump beginnt sich für das Geld zu interessieren, doch seine Aussichten verschlechtern sich, als mit Sunshine der Organisator des Bankraubs eintrifft. Trotzdem versucht Dump weiterhin, sich das Geld unter den Nagel zu reißen, was zu einem unerbittlichen Katz-und-Maus-Spiel führt.

Kritik

„Ich sag dir, die Kugel bleibt drin! Jetzt siehst du, wie du langsam verfaulst!“

Deutsche Genrefilme muss man seit Jahren mit der Lupe suchen, findet sie bis auf wenige Ausnahmen fast ausschließlich im unbeachteten Amateur- und Ultra-Low-Budget-Bereich, wo sie meistens auch hingehören. Früher war ihr Stellenwert schon stiefmütterlicher Natur, aber immerhin gab es sie, wenn auch eher im Independent- und Bahnhofskino (die zahlreichen, kommerziell erfolgreichen Edgar Wallace-Verfilmungen ausgeklammert). Regisseur & Autor Roland Klick (White Star) – der sich Ende der Achtziger aus dem aktiven Filmgeschäft zurückzog – galt als ein absoluter Hoffnungsträger des jungen, mutigen deutschen Films. Sein dritter Spielfilm Deadlock wurde sein größter Kassenerfolg, erhielt diverse Auszeichnungen (u.a. den Bundesfilmpreis) und bekam sogar bei den Filmfestspielen in Cannes eine Sondervorstellung. Wie es leider oft so ist, gerade wenn man in einer biederen Filmlandschaft eigene Wege geht, wurde aus der ganz großen Karriere doch nichts. Der entscheidende Knick erfolgte 1981, als er sich mit Produzenten-Patriarch Bernd Eichinger überwarf und den Regieposten von Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo verlor. Wer weiß, wie alles sonst verlaufen wäre. Sei es wie es sei, mit Deadlock hat er definitiv ein immer noch ungewöhnliches und faszinierendes Werk erschaffen, das heute noch viel exotischer wirkt als es damals wohl bereits der Fall war.

Ein psychedelisch angehauchter Germano-Neo-Western-Gangsterfilm-Hybrid, wenn man es in einem Wort umschreiben möchte. Von seiner inhaltlichen Ausrichtung und Stilistik angelehnt am europäischen Genrekino dieser Tage. Nicht dem eleganten aus Frankreich, sondern dem schmuddeligen, schroffen aus Italien und z.T. Spanien. In seiner zeitlichen Ansiedlung kaum exakt datierbar. Wir befinden uns eindeutig nicht in der (damaligen) Vergangenheit, doch ob es nun die Gegenwart oder eine vielleicht dystopische, beinah postapokalyptisch-nahe Zukunft darstellt schwebt als nicht konkretes, loses Gedankenspiel im Raum. Immer wieder wird in Nebensätzen „der Krieg“ erwähnt, ob ein realer oder fiktiver bleibt ungeklärt. Es dominiert den Film nicht, kann auch unbemerkt bleiben oder ausgeklammert werden, doch irgendwie entsteht der Eindruck, dass dies auch Teil der Intention von Robert Klick ist. Das hier dargestellte Szenario ist theoretisch absolut in der Realität verankert und wirkt gleichzeitig wie aus der normalen Welt entrissen. Ein gottloser, karger Ort am Rande jedweder Zivilisation (allein das erweckt ein dezentes Fallout-Feeling, bestärkt durch ganz leichte Details wie den Händler, der als einziges Bindeglied zwischen dem Hier und dem Rest der Welt fungiert).

Mitten in diesem Nirgendwo haust der lumpige Dump (Mario Adorf, Malastrana) mit seinem verbrauchten Weib und der attraktiven Tochter, inzestuöse Verhältnisse werden erschreckend beiläufig als selbstverständlich impliziert („Mit der kannst du alles machen. Ganz die Mutter.“). Sie fristen ihr auswegloses Dasein, bis der schwer verwundete Kid (Marquard Bohm, Kaliber Deluxe) mit einem Koffer voller Geld mehr oder weniger vom Zug fällt. Um ihn einfach zu töten – wen würde es hier scheren? – fehlt dem Gernegroß der Schneid, obwohl er sich immer wieder als toller Hecht aufplustert. Selbst ihn einfach verrecken zu lassen bringt der Prahlhans dann doch nicht übers Herz. Will lieber eine Partnerschaft erzwingen, sehnt sich insgeheim vielleicht auch nach einem Gefährten, selbst wenn die Umstände ihrer Zusammenkunft mehr als unglücklich sind. Daraus wird nichts, denn der personifizierte Sonnenschein Sunshine (Anthony Dawson, James Bond 007 – Liebesgrüße aus Moskau) folgt der Spur seines Partners und erweist sich als die deutlich sadistischere Hälfte des Duos. Nun wird Maulheld Dump blitzschnell ganz klein mit Hut, zur fast bemitleidenswerten, winselnden, trotteligen Ratte zwischen zwei Katern, die mit ihrer Beute spielen.

Trotz der bereits angesprochenen und unübersehbaren Einnistung im Metier Italo-Western findet Roland Klick bei seinem extrem nihilistischen Genre-Crossover einen ganz eigenen Ton, erzählt in seinem auf das Nötigste reduziertem Mikrokosmos eine biestige Gesellschaftsparabel. Seine Figuren haben keinen Glanz, (fast) keine Ehre, sind skrupellose Killer, elende Feiglinge und von Gier getriebene Heuchler. Exemplarisch erniedrigt, benutzt und anschließend weggeworfen werden die Frauen als auf mit Ablaufdaten versehene Objekte reduziert, sie dienen keinem tieferen Zweck in dieser furchtbaren Welt als dem ihrer kurzen Nutzbarkeit. Als sich dieses verachtenswerte Menschenbild plötzlich zu ändern droht – irgendwo schlummert selbst hier noch ein Funken Hoffnung -, kann dies nur zur totalen Zerstörung führen. Mit einem Showdown wie bei Sergio Corbucci (Leichen pflastern seinen Weg) bekennt sich Roland Klick eindeutig zu seinen Vorbildern, setzt es dennoch in den individuellen Kontext. Hinterlässt keine Gewinner, nur die verblasste Hoffnung, dass in dieser (unserer) Welt am Ende das Gute obsiegen könnte, wenn es hart auf hart kommt, Geld und Macht im Spiel sind. Oder eben nicht.

-„Warum lassen wir diese verdammte Null nicht laufen?“

-„Weil ich nicht will!“

Fazit

Spartanischer, manchmal sperriger, dafür soghaft-intensiver Abgesang auf die Natur des Menschen. Dadurch eine kluge, reflektierte Metapher in Form eines Italo-Westerns, mit Spätzle statt Spaghetti. Ruppig, ungemütlich und bitterböse. Kein Meisterwerk, mit inszenatorisch begrenzten Möglichkeiten, bleibt jedoch unvermeidlich im Gedächtnis. So was wird aktuell im heimischen Output schmerzhaft vermisst. Besonders die damals vorhandenen Anerkennung, wenn es dann doch überraschend passieren sollte.

Autor: Jacko Kunze
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