Inhalt
Für den derben Gangster Albert Spica (Michael Gambon) gibt es nichts Besseres, als vor seinen Komplizen allabendlich in seinem Restaurant „Le Hollandais“ den Gourmet mit dem feinen Gaumen heraushängen zu lassen, der Stil schätzt. Die Selbstdarstellung hat aber nur wenig mit der Realität eines Mannes zu tun, der gegenüber seiner Frau Georgina (HelenMirren) keinen Anstand kennt und immer wieder als pöbelnder Proll im schönen Zwirn in Erscheinung tritt. Georgina fi ndet in der leidenschaftlichen Affäre zu Michael (Alan Howard), einem regelmäßigen Gast im Hollandais, einen Fluchtpunkt. Allerdings bleibt ihr Verhältnis nicht unbemerkt, sodass Albert alle Hebel in Bewegung setzt, um Michael in seine Finger zubekommen. Er will, dass der Nebenbuhler getötet wird und er droht, ihn anschließend zu verspeisen. Georgina und Michael können vorerst entkommen, aber Albert lässt nicht locker.
Kritik
Wer Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber gesehen hat, wird ihn nie wieder vergessen. Nicht einmal nur wegen der letzten zehn Minuten, in denen Regisseur und Drehbuchautor Peter Greenaway (Der Bauch des Architekten) sein groteskes Szenario auf den grausamen Höhepunkt treibt. Es ist vielmehr die Art und Weise, wie Greenaway, seines Zeichens nicht nur Filmschaffender, sondern auch Experimentalkünstler und Maler, dieses Kunstwerk in Szene setzt – und Kunstwerk darf an dieser Stelle wirklich wortwörtlich genommen zu werden. Man kommt kaum umher, Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber mit einem brachialen Gemälde, ähnlich jenem, welches sich programmatisch an der Wand des Nobelrestaurants Le Hollandais entdecken lässt: Das Festmahl der Offiziere des Sankt-Georgs-Schützengilde. Wer frisst, hat Macht, aber nicht zwangsläufig auch Wissen.
Genau darum dreht sich Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber dann auch über einen Zeitraum von knapp 120 Minuten. Das Sittengemälde, welches abfälligen bis angewiderten Bezug zum Thatcherismus aufbietet, begreift das Konzept des Kapitalismus als selbstzerfleischenden Akt der (Un-)Ordnung. Der zwar gut situierte, aber in seiner Derbheit vollkommen unkultivierte Gangster Gangster Albert Spica (Michael Gambon, Harry Potter und der Halbblutprinz) ist das Aushängeschild einer neuen, abstoßenden Elite. Sein Hang zur gehobenen Küche hat nicht mit Genuss, mit kulinarischer Bewandtnis zu tun. Es geht um Geld. Geld, welches ermöglicht, sich selbst zu mästen. Dass Richard (Richard Bohringer, Die letzte Metro), der hiesige Küchenchef des Le Hollandais, Alberts Unwissenheit ausnutzt, um ihm Dreck zu servieren, ist nur eine kleine Genugtuung für die Protagonisten und den Zuschauer.
Georgina (Helen Mirren, Caligula), Alberts Frau, aber wird ihren gewalttätigen, missbrauchenden Ehemann noch in die Schranken weisen – und ihn mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen. Wahrhaft stimulierend dabei ist Peter Greenaways herausragende Inszenierung, die nicht nur auf strategisch ausgewählte Farbsysteme setzen und damit den Räumlichkeiten ein eigenes Wesen zugesteht. Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber ist insgesamt von einer künstlerischen Brachialgewalt gezeichnet, die das kammerspielartige Ambiente bis zum Bersten mit abstraktem und gleichermaßen fleischlichem Schrecken füllt respektive erfüllt. Wer sich auch nur einen Funken für die suggestive Wirkungsmacht von avantgardistischen Grenzkino interessiert, kommt hier auf seine (perversen) Kosten. Selten jedenfalls ging das Vulgäre mit dem Intellektuellen und das Dekadente mit dem Erhabenen so selbstverständlich Hand in Hand. Ein ekelhaftes Ausnahmewerk. Im besten Sinne.
Fazit
Ein (kulinarischer) Alptraum. So opulent wie grotesk. Wer einen Funken Liebe für das avantgardistische Kino übrig hat, muss dieses auf Film gebannte Brachialgemälde gesehen haben. Eine Sache ist sicher: Vergessen wird man diese herausragend inszenierte, durch und durch bestialisch-perverse Seherfahrung nicht mehr.