Inhalt
Inspektor Tellini untersucht den Mord an einer untreuen Ehefrau, die mit einer Akupunkturnadel betäubt und danach ausgeweidet wurde. Schnell ist der gehörnte Gatte in Verdacht, doch dann sterben noch weitere Frauen auf die exakt selbe Weise.
Kritik
In den frühen 70ern sprießen die Gialli wie Unkraut aus dem italienischen B-Movie-Boden. Unter ihnen zahlreiche Perlen. Gute bis grandiose Gialli gab es auch vor und nach deren Hochphase zwischen 1970 und 1975, in der Dichte war die höchste Qualität jedoch in dieser Periode zu finden. Allein 1971 entstanden Werke wie Malastrana, Der Killer von Wien, Vier Fliegen auf grauem Samt, Die Neunschwänzige Katze, Blutspur im Park, A Lizard in a Woman's Skin oder Im Blutrausch des Satans, um nur die Prominentesten zu nennen. Schier unglaublich, wie produktiv und (teilweise) gleichzeitig hochwertig diese Jahrgänge waren, besonders da das Giallo-Kino niemals mehr sein wollte als schnell produziertes Futter für ein spezielles Publikum.
Der von dem (in diesem Bereich) nicht weiter großartig in Erscheinung getretenen Regisseur Paolo Cavara (Alle Frauen dieser Welt) inszenierte Der schwarze Leib der Tarantel bringt alle Grundvoraussetzungen mit, um die gelbe Serie würdig zu vertreten. Nicht mit heißer Nadel gestrickt, aber bewaffnet. Eine Akupunkturnadel sticht zunächst hübschen Frauen wespengleich in den Nacken und paralysiert sie somit, damit anschließend kalter Stahl bei vollem Bewusstsein in sie eindringen kann. Gleich zwei phallische Mordwerkzeuge in Kombination, die für perfides Kopf-Kino sorgen, selbst für sein Genre. Die Ermittlung in dieser zunächst sehr lose bis kaum miteinander verbundenen Mordserie obliegt dem üblichen Charakter-Schnauzer, von Giancarlo Giannini (Hannibal) mit Zugpferd-Qualitäten verkörpert. Die wechselhafte Spur schlängelt sich vom Affektmord bis ins Drogen- und Edelprostitutionsmilieu, gespickt mit einer – im wahrsten Sinne – attraktiven Besetzung, in der sich gleich drei Bond-Girls (Claudine Auger; Feuerball; Barbara Bouchet; Casino Royale; Barbara Bach; Der Spion, der mich liebte) tummeln.
In seiner Methodik ein ganz klassischer Schlitzer-Film, der einen anonymen Killer mit Hut und Handschuhen aus der Ego-Perspektive auf Beutezug schickt, die bevorzugt aus sehr vorzeigbaren Damen besteht. Nach dem zweifachen Stich darf sich das Opfer auch gerne mit harten Nippeln freilegen und gegen einen lüsternen Blick durch den Türspalt vor der Arbeit ist - zumindest hier - nichts einzuwenden. Ein Giallo wie er im Lehrbuch steht, dazu mit dem Ansatz einer verwinkelten und wendungsreichen Geschichte, zu der Ennio Morricone (The Hateful 8) einen eigenwilligen Score zusammenfummelt. Statt auf ein immer wiederkehrendes Ohrwurm-Thema zu setzen, arbeitet der Meister lieber immer direkt in der Szene. Das ist so abwechslungsreich wie abstrakt. Man merkt, dass Morricone stets den Moment vor Augen hat, nicht blind irgendwas komponierte. Das sorgt stellenweise für gewöhnungsbedürftige Klänge, die im Kontext aber immer einen Sinn verfolgen, unmittelbar an das Gezeigte gekoppelt. Schon Irre, wie sehr er den Film bedient, sich mit der Situation arrangiert und trotzdem einem Gesamtkonzept unterliegt . Der schwarze Leib der Tarantel bewegt sich tendenziell auf sehr hohem Niveau und ist insgesamt ein guter Genre-Beitrag, der es überambitioniert fast zu gut meint.
Er spielt auf allen Plätzen vor und schneidet deutlich überdurchschnittlich ab, ein Manifestieren auf eine herausstechende Qualität hätte ihm besser getan. Auf die Handlung wird sichtlich mehr Wert gelegt als in vergleichbarem Material, was dementsprechend auch zu höheren Anforderungen führt. Das Finale des vorher interessant aufgebauten Plots erscheint so perplex banal, selbst der direkt involvierte Held hat keine Zeit und Lust, sich mit derartigem Kram länger zu beschäftigen und lässt die notdürftige Erläuterung desinteressiert an sich vorbei rauschen. Man mag es ihm kaum verübeln. Stilistisch befolgt Paolo Cavara die nicht dogmatischen, aber handelsüblichen Regeln des Genres emsig, beherrscht die erforderliche Bildsprache und verfügt zudem über eine bestialische, einzigartige Tötungsmethode, die ein Dario Argento auf seinem viehischen Höhepunkt (Tenebre) wohl auf die Spitze getrieben hätte. Diesem Film mangelt es trotz seiner unbestreitbaren Qualitäte an dieser Extravaganz, die selbst wesentlich schlichter konstruierte oder handwerklich gröbere Werke individuell auszeichnete. Er hat alles, will viel und zeigt davon einiges, nur nichts an der Grenze des Möglichen. Weder narrativ, künstlerisch oder einfach brachial durch den Sleaze-Schweinestall gewütet.
Fazit
Ein sehenswerter, ambitionierter Giallo der eigentlich nur über das eigene Potenzial stolpert. Souverän inszeniert, chic, aber selten richtig herausstechend. Spannend erzählt und etwas klapprig aufgelöst. Mit einigen guten Ideen, denen das letzte Bisschen Schwung fehlt. Als Genre-Fan sollte man den gesehen haben. Leider bleibt festzuhalten, dass hier ein potenzieller Klassiker nicht gänzlich zur Entfaltung kommt. Meckern auf gehobenen Niveau, bedingt durch die letztlich selbst hoch gelegte Latte.
Autor: Jacko Kunze