Inhalt
Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges ergeben sich die beiden deutschen Deserteure Bruno Grauber (Franco Nero) und Reiner Schultz den Alliierten und landen in einem in den Niederlanden gelegenen Kriegsgefangenenlager. Hier führt der ranghöchste deutsche Offizier Bleicher ein unbarmherziges Regime und fordert für die zwei Fahnenflüchtigen die Todesstrafe beim kanadischen Lagerkommandanten. Dieser untersagt zunächst den Racheakt...
Kritik
„Ich scheiß‘ auf diesen Zirkus hier! Ihr denkt, ihr könnt hier immer noch Befehle geben?!“
So befremdlich es anmutet, scheinbar ist das der Fall.
Am 1. Mai 1945 – nicht mal eine Woche vor der offiziellen Kapitulation der deutschen Wehrmacht – stellen sich der lange schon desillusionierte Desarteur Grauber (Franco Nero, Django) und der eigentlich nur von seiner Kompanie verlorengegangene, noch nicht endgültig einsichtige Jungspund Schultz freiwillig in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vor den Toren einer gerade vom KZ zum kanadischen Kriegsgefangenenlager umfunktionierten Einrichtung in den Niederlanden. Gar nicht offiziell registriert nimmt sie der gutmütige Versorgungsoffizier Jelinek (Bud Spencer; Sie nannten ihn Mücke) unter seine Fittiche, schließlich braucht er dringend tatkräftige Hilfe. Besonders für Grauber ein Idealzustand: In dieser priviligierten Position lässt sich das kurzfristige Hoffen auf Frieden halbwegs beruhigt aussitzen, lange kann die Heimreise in Freiheit ja nicht mehr auf sich warten lassen. Bis die Beiden entdeckt und zu den restlichen Gefangenen gesteckt werden. Dort wartet auf die Vaterlandsverräter die wenig gnädige Rechtsprechung selbsternannter Machthaber, die immer noch dem Hakenkreuz stoisch ergeben sind.
Nach einer wahren Geschichte- oder zumindest inspiriert von so einer, denn das Szenario einer subkulturellen „Rechtsprechung“ in Kriegsgefangenschaft gab es dieser Tage zuhauf auf beiden Seiten, siehe auch den Hollywood-Film Das Tribunal (2002) – erzählt Die im Dreck krepieren (inzwischen unter dem weniger reißerischen, wortwörtlich übersetzen Titel Gott mit uns vertrieben) von den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges aus europäischer Sicht. Das Dritte Reich liegt am Boden, die Gerüchte über den Tod des Führers machen die Runde ohne konkret bestätigt zu sein, es scheint nur eine Frage von Stunden, gar Minuten bis der Irrsinn endlich beendet ist. Solange herrscht aber offiziell noch Krieg und dementsprechend wird auch verfahren, gerade aus Sicht der bewusst auf Korrektheit erpichten Alliierten. Die deutschen Gefangenen werden gemäß den Genfer Konventionen anständig behandelt, was auch zu leichten Irritationen und gerade in diesem ungewissen Schwebeprozess zu sehr grau-schattierten Rechtsansprüchen führt.
Wo endet der Status eines Gefangenen und beginnt das semi-juristische Refugium der eigentlich (aber noch nicht glasklar) unterlegenen Nation; wann dürfen gewisse Dinge wie sanktioniert werden und wann sollte man um des Burgfriedens willen gewisse Dinge vielleicht wegsehend laufen lassen, bevor übermorgen die Sache schon wieder ganz andere Richtungen einschlägt? Eine zugegeben enorm schwierige Frage, stellt man den Schalter von gesundem Menschenverstand und Mitgefühl auf null. Genau das macht die von außen betrachtet eigentlich bedingungslosen, gemünzt auf die akute Situation aber zumindest nüchtern nachvollziehbaren wie undankbaren Optionen greifbar. Richard Johnson (Woodoo – Die Schreckensinsel der Zombies) verdrängt in der sich zum Hauptcharakter aufschwingende Figur des Lagerkommandanten Miller die eigentlich erwarteten Stars Nero und Spencer in den Hintergrund. Sein Gewissenskonflikt spiegelt die Krux dieser Tage wieder. „Besser“, menschlicher sein als der grausame Feind, ihnen die Rechte einräumen die unter dem hämischen „Arbeit macht frei“-Eingang einst vergast wurden, gleichzeitig aber im Zwiespalt, wann er selbst gegen Prinzipien verstoßen muss, um die Kontrolle nicht aus der Hand zu geben.
Um diese Absurdität bereits als geisitig- naiv geklärt eingsetufter Kriegsmechanismen dreht sich der gesamte Plot von Die im Dreck krepieren. Offenbar zählt der obskure „Rechtsanspruch“ einer wegen ihrer menschenverachtenden, Genozid-ausübenden Praktiken ja erst bekämpften Ideologie im Zweifelsfall mehr als zwei Menschenleben, obwohl da draußen schon längst Frieden herrscht. Giuliano Montaldo (Top Job) prangert mit seinem inhaltlich sicher nicht ganz individuellen und etwas grobschlächtigen, nichtsdestotrotz sehr plausiblen, angenehm unprätentiösen und nie pathetischen Kriegsdrama weniger eine spezielle Wertevorstellung an, obwohl der Nationalsozialismus natürlich dafür prima taugt. Es geht grundsätzlich um militärische Mechanismen, die entmenschlicht logisch und praktikabel erscheinen mögen, aber emotional wie empathisch eine pervertierte Grausamkeit offenlegen, die jedwedes Kriegsrecht heftig in Frage stellt.
Fazit
Ist es gerechter, Gefangene mit ihrem Status leben zu lassen und ihnen damit schon mehr zu genehmigen, als sie zu ihren besten Zeiten bereit waren, oder ihnen das Recht zu gewähren, spätestens jetzt völlig sinnlose Scheinprozesse durchzuführen und sogar Urteil zu vollstrecken, damit sich hinterher keiner beschwert? Klingt kompliziert? Eigentlich sollte das nicht sein, aber Krieg ist offenbar was für schlaue Leute. Die Gutmütigen sind hinterher eh tot.
Autor: Jacko Kunze