Inhalt
Die Krankenpflegerin (Gina Lollobrigida) eines gelähmten Industriellen (Ralph Richardson) heiratet den Patienten, lässt sich von einem Verführer (Sean Connery) benutzen und gerät nach dem plötzlichem Tod des Industriellen in Mordverdacht. Langsam anlaufende spannende Geschichte eines fast perfekten Verbrechens.
Kritik
„Ich will eine hübsche haben, keine hässliche Vogelscheuche. Die letzte die sie mir geschickt haben, hatte einen Schnurrbart, aß Ziegenkäse und roch auch danach.“
Sein Wunsch ist wie immer Befehl. Multimillionär Charles Richmond (Ralph Richardson, Doktor Schiwago) mag totkrank sein, was den verbitterten, ausgemachten Misanthropen nicht davon abhält, seine Umwelt nach Herzenslust zu tyrannisieren. Menschen sind für ihn in erster Linie Untergebene, eigentlich Leibeigene, zumindest wenn sie von seinem Wohlstand abhängig sind. Seine farbigen Dienstboten behandelt er wie zu schlimmsten Kolonialzeiten - statt Baumwolle zu pflücken müssen sie eben den Hunden die Kunststückchen vorturnen – und besonders sein Neffe Anthony (Sean Connery, Marnie) sieht sich immer wieder dem abfälligen, ätzenden Spot ausgesetzt, obwohl dieser sich um all seine Belange zu kümmern hat. So obliegt ihm auch die schwierige Suche nach einer passenden Krankenpflegerin, die neben der fachlicher Kompetenz und den gewünschten, weiblichen Reizen, sich diese Schikanen gefallen lassen muss. Er scheint sie in der bildhübschen Italienerin Maria (Gina Lollobrigida, Fremde Bettgesellen) gefunden zu haben, die sich zwar (zurecht) entsetzt zeigt von dem menschenverachtenden Verhalten ihres Patienten, aber kaum dem Charme des jungen Richmond wiederstehen kann. Was so weit geht, dass er die gutherzige und zutiefst anständige Frau sogar zu einem arglistigen Komplott überreden lässt, um an das Vermögen des alten Stinkstiefels zu kommen.
Aus dieser schnell auf den Tisch gelegten Grundprämisse – die aufgrund der Figurenkonstellation eh kein großes Überraschungspotenzial hätte – erschafft Regisseur Basil Dearden (Ein Mann jagt sich selbst) einen eleganten, wie gleichzeitig giftigen Krimi um eine unfreiwillige Femme fatale zwischen zwei Männern, die sich in Sachen Skrupellosigkeit nicht viel nehmen. Während Kotzbrocken Charles ganz frontal seine zynische Boshaftigkeit auf alles feuert was ihm vor die Flinte kommt und die Macht über Menschen aus seinem Status generiert, ist Neffe Anthony die verführerische Schlange, die hinter ihrem charmanten Auftreten perfide seine Strippen zieht. Mittendrin eine Frau als Objekt der Begierde und Schachfigur, die gegen ihre Natur sich selbst zu einem hinterlistigen Manöver hinreißen lässt, geblendet von der Chance auf ein besseres Leben. Selbst wenn man glaubt, die Handlung von „Die Strohpuppe“ recht schnell durchschaut zu haben, gelangt der Film nie in den Zustand einer gelangweilten Spazierfahrt durch klassische Krimi-Gefilde, dafür geht er in seiner detaillierten Entwicklung viel zu clever vor und lässt gewisse Restzweifel bis zum herrlich hinterlistigen Ende immer noch offen. Denn Geschichte und Figuren können stets noch Haken schlagen und das ein oder andere Kaninchen wird im straff erzählten, klug zusammengeschraubten Schlussdrittel noch aus dem Hut gezaubert.
Das Script – nach einer Geschichte von Catherine Arley – beinhaltet nicht nur einige äußerst spitze, sarkastische Textzeilen (die natürlich in erster Linie der ungenierten Zunge von Ralph Richardson gegönnt werden), es beschreibt besonders die Figuren immer mit einer leichten Ambivalenz und Wandlungsfähigkeit, fährt sie in ihren Mustern nicht zu sehr fest, so dass man sich bis kurz vor Schluss nicht definitiv sicher sein kann, wo die Reise hingehen wird. Diese führt zunächst vom tristen England vor die sonnige Küste Mallorcas, was an den vier Jahre zuvor erschienen Thriller-Klassiker Nur die Sonne war Zeuge erinnert, gerade da sich das Dreiecksspiel und später immens wichtige Momente genau dort auf den Höhepunkt schielend erst richtig ausleben. Die hohe Qualität von „Die Strohpuppe“ liegt in seinem Aufbau, in dem Nebensächlichkeiten nicht vorhanden sind, alles ein Ziel verfolgt und ihn erst so bösartig wie intelligent zur Entfaltung bringt. Angetrieben natürlich von dem hervorragenden Dreigestirn Lollobrigida, Richardson und besonders Connery, der in seiner langen Karriere kaum eine so schmierige, hinterfotzige Rolle übernehmen durfte, was ihn nach eigener Aussage besonders Antrieb.
Fazit
Irgendwo zwischen Agatha Christie (nur deutlich zynischer), Alfred Hitchcock und Patricia Highsmith siedelt sich „Die Strohpuppe“ an und es gelingt ihm hervorragend. Exzellent konstruiert und ideal besetzt findet sich an dem Film kein ernsthafter, relevanter Kritikpunkt. Raffinierte, klassische Thriller-Unterhaltung, deren Staubschicht so minimal ist, dass sie schon beim Einlegen in den Player weggeblasen wird.
Autor: Jacko Kunze