MB-Kritik

Aisha Can't Fly Away 2026

Horror, Drama, Crime

Buliana Simon Arop
Ziad Zaza
Emad Ghoneim
Mamdouh Saleh
Maha Mohammed Al-Adwani
Mohamed Abd El Hady
Achai Ayom

Inhalt

Die Schattenseiten der afrikanischen Migrantengesellschaft in Kairo und die Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen, wie sie von Aisha, einer somalischen Pflegerin, beobachtet werden.

Kritik

Migrations-Drama und magischer Realismus, Genre-Kino und Gesellschaftskritik verwinden sich in Morad Mostafas kantigem Spielfilm-Debüt zu einem eindringlichen Porträt urbanen Überlebens. Jenes kombiniert den schonungslosen Blick des modernen ägyptischen Independent-Films mit einem surrealen Symbolismus, der die psychologische Transformation der verschlossenen Hauptfigur als animistische Selbstbehauptung betrachtet. Das raue Sozialklima des Kairoer Arbeiterviertels Ain Sham wird zum pulsierenden Hintergrund einer leise hypnotischen Studie von Ausbeutung, Ausweglosigkeit und Aufbegehren. Letztes markiert die Resilienz der nur scheinbar passiven Heldin, die sich von ihrem brutalen Umfeld nicht bezwingen lässt.

Das Leben der sudanesischen Krankenpflegerin, die im Auftrag einer unseriösen Agentur körperlich eingeschränkte Menschen auf Hausbesuchen betreut, prägen Armut und Abhängigkeit. Im Austausch gegen Schutz vor kriminellen Übergriffen in der unsicheren Gegend liefert die 26-Jährige (Buliana Simon) dem lokalen Gang-Anführer Zuka (Rapper Ziad Zaza) Duplikate der Wohnungsschlüssel ihrer Patient*innen. Als einer der so von Zuka arrangierten Raubzüge in einem gewaltvollen Übergriff eskaliert, wird Aisha unter Androhung der Kündigung zwangsversetzt. Ihr neuer Patient  Mr. Khalil (Mamdouh Saleh) ist berüchtigt für seine sexuellen Übergriffe gegen Pflegerinnen.

Mit schonungslosem Blick beobachtet die unstete Handkamera die gehetzte Titelheldin, während sie von einem Pflichttermin zum nächsten eilt. Ihre unterschwellige Anspannung steigert die unbestimmte Suspense der episodischen Handlung, die weder auf eine emotionale Auflösung noch kumulative Konfrontation zusteuert. Die offene Struktur der städtischen Skizze, in die eine Handvoll Nebenfiguren driften, verwehrt vordergründige Lösungsansätze. Das gilt auch für die eklektischen Elemente von Body-Horror und animalischer Allegorik. Ein Strauss, den nur Aisha sehen kann, und seltsamer Federwuchs implizieren eine mystische Metamorphose, die den paradigmatische Plot zugleich faszinierender und undurchsichtiger macht.  

Fazit

Zwischenmenschliche Beziehungen bleiben nebulös, brüchig oder geprägt von Zweckhaftigkeit in Morad Mostafas markantem Debüt-Drama. Weder auf Individuen noch Institutionen ist Verlass in der kompromisslosen Mischung aus menschlicher Tragik und Mystizismus. Buliana Simons nuancierte Darstellung offenbart in feinen Gesten die versteckte Verletzlichkeit ihrer stoischen Figur. Ausgehend von seiner eigenen Jugend in dem in dunklen, erdigen Farbtönen eingefangenen Stadtteil entwirft der Regisseur und Drehbuchautor ein authentisches Terrain permanenter Gefährdung. Kriminelle Geschäfte sind ein riskantes Überlebensmittel in dem suggestiven Szenario, dessen Horror-Facetten seltsam naiv wirken gegenüber den sozialrealistischen Schrecken.  

Autor: Lida Bach
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