Inhalt
Zwei einsame Menschen (Alma Pöysti und Jussi Vatanen) treffen zufällig im nächtlichen Helsinki aufeinander. Beide sind auf der Suche nach der ersten, einzigen und endgültigen Liebe ihres Lebens. Der Weg zu diesem ehrenwerten Ziel wird erschwert durch die Alkoholsucht des Mannes, verlorene Telefonnummern, die Unkenntnis des Namens und der Adresse des jeweils anderen – und nicht zuletzt durch die allgemeine Tendenz des Lebens, denjenigen, die ihr Glück suchen, Steine in den Weg zu legen.
Kritik
Klar, die meisten wünschen sich endlich gute Nachrichten statt solcher wie die Berichte über die Kriegsgräuel in der Ukraine, die gleich des Echos eines gegenwartspolitischen Kommentars durch die zeitlose Filmwelt Aki Kaurismäkis (Die andere Seite der Hoffnung) hallen. Doch stattdessen die Realität auszublenden wie die Handvoll wortkarger Figuren, die ihre antiquarischen Radiogeräte wiederholt demonstrativ auf altmodische Schlager umschalten oder selbige in der lokalen Karaoke-Bar vortragen, ist keineswegs eine so heilsame Alternative wie in der lakonischen Liebesgeschichte.
Deren dramaturgische und dialogische Reduktion hat den gleichen abgestandenen Charme wie das bühnenhafte Setting des tristen Arbeiterbezirks Helskinis, das wohl selbst vor 60 Jahren nie so gestrig aussah wie auf der Leinwand. Doch jene romantisierte Rückständigkeit ist traditioneller Teil des süßlichen Sozialidealismus, den stets der bittere Beigeschmack von Konservativismus begleitet. So auch in der tragikomischen Episode, die den alkoholabhängigen Bauarbeiter Holappa (Jussi Vatanen, Off the Map) und die Supermarkt-Angestellte Ansa (Alma Pöysti, Tove) zusammenführt.
Er muss den Suff aufgeben, um in finanzieller Bedrängnis die männliche Versorger-Rolle zu erfüllen. Sie muss Treue und Fürsorge beweisen, um ihn als gute Frau auf den rechten Weg zu führen. Die antiklimaktische Handlung entwickelt sich so vorhersehbar wie die staubtrockenen Gags, die der sentimentalen Schicksalhaftigkeit als selbstverständlich begegnen. Das ist sie tatsächlich im unveränderlichen Kaurismäki-Kosmos, wo nach 30 Jahren alles verbraucht wirkt: der Humor, der Hund und auch der Humanismus.
Fazit
Eine Begegnung des Figurenpaars vor einem Poster von Brief Encounter deutet subtil an, was Aki Kaurismäkis minimalistische Romanze hätte sein können. Trotz des gewohnt überzeugenden Schauspiels, insbesondere Alma Pöystis feinfühliger Darstellung, und stimmiger Songs fehlen seiner tragikomischen Episode die sozialkritischen Untertöne und narrative Substanz früherer Werke. Die routinierte Mischung depressiver Atmosphäre und idealistischer Handlung wirkt wie die abgelaufenen Waren, die Ansa imSupermarkt rettet: gerade noch genießbar, aber etwas Frisches wäre besser.
Autor: Lida Bach