Inhalt
Unter dem Pseudonym Raoul Duke soll der Sportjournalist Hunter S. Thompson (Johnny Depp) in Las Vegas vom renommierten Mint 400-Wüstenrennen berichten. Begleitet von seinem Anwalt, Dr. Gonzo (Benicio del Toro), wird der Trip in die Wüstenstadt jedoch keiner wie jeder andere. Mit einem Koffer voller Drogen wird der Ausflug für die beiden zur Suche nach dem amerikanischen Traum – doch stattdessen finden sie nur Angst und Schrecken vor, als die Drogen zu wirken begannen...
Kritik
Eines vorne weg: Liebhaber des klassischen Plotaufbaus werden mit diesem Film heillos überfordert sein dürfen. Denn wenn einerseits Hunter S. Thompson selbst für die Vorlage verantwortlich war und der Maestro des bizarren Kinos, Terry Gilliam, das Geschriebene in Bilder verpackt, dann „neigt man dazu, extrem zu werden“, wie es Johnny Depp im Off so treffend resümiert.Die Story von „Fear and Loathing...“ ist kein Drama und keine Komödie im bekannten Sinne, und auch wenn man als Zuschauer emotional angesprochen wird und sich reihenweise am Verhalten der beiden Hauptfiguren schlapplachen dürfte, ist diese Geschichte schlicht und ergreifend der Bericht von Thompsons Eskapaden innerhalb eines eng gesteckten Zeitraumes – quasi eine Anekdote, die man sich wohl gerne am Stammtisch erzählt hätte.
Doch ist der Inhalt so abstrakt, sprunghaft und für Ottonormalbürger zu abgedreht erzählt worden, dass man dem Plot im ersten Moment nichts abgewinnen kann bzw. es als zu extrem ansieht. Wer demnach dem Gezeigten ein zweites Mal Anschauen abringen kann, wird dem wirren Erzählstil gar etwas Tiefgreifendes entlocken können.Dass sich Gilliam dabei recht penibel an die Buchvorlage hielt, schien seinem sehr eigenen Inszenierungsstil regelrecht in die Hände zu spielen. Klassische Erzählmuster sucht man hier wie schon erwähnt vergebens, und man findet erst recht keine Figurenzeichnung mit Storybezug oder sauber aufgebauten Motiven. Es handelt sich ganz einfach um die Erlebnisse zweier Freunde im Sog des Stein gewordenen amerikanischen Traumes – nur dass dieser sich in der Post-Hippie-Ära in Luft aufgelöst hat („...der Punkt, an dem sich die Welle schließlich brach und zurückrollte.“).
Oberflächlich betrachtet wirkt der Kultfilm natürlich wie ein 2-Stunden-Lehrfilm über die Auswirkungen vom hier gezeigten Drogenkonsum. Das Drama darin sind die extremen Verhaltensauffälligkeiten des Duos, und das Komische darin sind die extremen Verhaltensauffälligkeiten des Duos. So schockierend ihre Drogeneskapaden auch sein mögen, so sehr kann man über sie lachen. Damit polarisiert der Streifen auch ganz schnell, so dass man ihn nur liebt oder hasst.Wenn Eingeweihte in Bezug auf die visuellen Darstellungen des Drogenkonsums behaupten, dass noch nie ein Film so authentisch gezeigt hätte, wie man solche Trips erlebt, dann ist es fast beängstigend, dass der Einsatz von CGI-Effekten sowie Kostümen ein solch abstraktes Bild zeichnen kann. So erlebt Duke unter LSD-Einfluss das Einchecken im Hotel wie die Einkehr im Jurassic Park oder seinen Partner und Drogenfreund sozusagen als „mit Brüsten verpickeltes Teufelsmonster“.
Unterstützt wird der Eindruck vom exzessiven Einsatz der Kamera, die die Grenzen zwischen Realität und Halluzination klar steckt. Einzig die Schnitte und Rückblenden sorgen für einen unsortierten formellen Aufbau, was aber über ein einmaliges Betrachten hinaus für Interesse sorgen kann. Ja, eher „kann“, weil man sich auf den Stoff erst einmal einlassen muss.Wer jedoch auf Schauspielerkino steht, dürfte mit „Fear and Loathing...“ ein Musterbeispiel dafür vorfinden. Mit der Verkörperung der Thompson-/Duke-Figur hatte sich Johnny Depp ein Denkmal gesetzt. Diesen spielt er so extrem wie nur möglich, kann aber auch mal inne halten und sich über die Epoche sinnieren hören – man nimmt ihm die Darstellung in jeder Szene ab (und hat wohl Pate für seine spätere Jack Sparrow-Rolle gestanden). Da brauchte sich auch der damals aufstrebende Benicio del Toro nicht zu verstecken, der sich auf dem gleichen Level bewegte und ordentlich an Bauchumfang zugelegt hatte.
Man hätte sich im Nachhinein niemand anderen für die Rollen aussuchen können, was nichts minderes als das höchste Lob für sie bedeutet. Und selbst die vielen Cameos seitens Gary Busey, Tobey Maguire als köstlich über beide Ohren grinsender Anhalter inklusive lichter Haarpracht oder Cameron Diaz wirken in keiner Sekunde wie dahin geklatscht, sondern dienen gerne dem Sensendasein der beiden Drogenfreaks als Opfer. Da war es wohl kaum noch verwunderlich, dass Thompson selbst in einer Disco einen Kurzauftritt hat – und das in der Montur der Figur beim Verwüsten des zweiten Hotelzimmers.Gesondert möchte ich noch die sehr gelungene Synchronarbeit erwähnen, in der David Nathan einen Meilenstein seiner bisherigen Arbeit ablieferte. Das Geächze, die lang gezogenen, Lacher garantierenden Wortkreationen, diese und andere Stimmenleistungen gelingen ihm und seinen Kollegen (auch hervorzuheben: Torsten Michaelis als Dr. Gonzo) jede Sekunde auf den Punkt. Und auch wenn das Original etwas subtiler zu Werke gegangen ist, braucht sich die deutsche Version in keinster Weise dahinter zu verstecken.
Fazit
Auch wenn die Geschichte keinen nachvollziehbaren Aufbau hat und quasi nur einen eng gesteckten Zeitraum revue passieren lässt, ist „Fear and Loathing in Las Vegas“ ein Kultmovie der besonderen Sorte. Einerseits erschreckend in der brachialen Darstellung der Drogenexzesse, andererseits ein Post-Statement auf die Hippie-Ära und das gesellschaftliche Scheitern, das damit verbunden ist. Wer damit ein Problem hat, muss ihn sich ja nicht anschauen – der Rest wird eine Gefühlsachterbahn sondergleichen erleben dürfen, und das sogar ohne Konsum von illegalen Stoffen.
Autor: Sascha Wuttke