Inhalt
In einer Welt, in der nur noch verlassene Häuser an die Gesellschaft der Menschen erinnern, und ein beständig steigender Wasserspiegel alles Land zu verschlingen scheint, sucht eine kleine Katze nach einem sicheren Ort. Ihr Weg führt sie auf ein treibendes Boot, auf dem auch ein Wasserschein und ein Lemur Zuflucht finden. Schließlich gesellt sich noch ein Hund zu ihnen und das ungewöhnliche Quartett erkennt, dass es zusammenhalten muss, um ihre Reise zu bewältigen.
Kritik
Der Titel Gints Zilbalodis zweiten Animationsfilms, der mit seinem bittersüßen Debüt Away nicht nur die lakonische Benennung und die tiefschürfenden Themen, sondern den gänzlichen Verzicht auf gesprochene Dialoge teilt, ist womöglich der wörtlichste Cannes diesjähriger Sektion Un certain Regard. Alles fließt in der futuristischen Fabel um eine kleine Katze, die in einer in unbestimmter Zukunft angelegten Waldlandschaft mit einer Katastrophe wahrhaft biblische Ausmaßes konfrontiert wird. Wassermaßen fließen gleich einer Sintflut durch die trügerisch idyllische Szenerie.
Das mal mit langsamer Bedrohlichkeit steigende, mal in Sturzbäche einbrechende Wasser scheinen die Anzeichen eines Klimawandels, der die letzten Menschen längst aus ihren Behausungen vertrieben hat. Die Welt, in der Katzenstatuen gleich Götzen in den Himmel ragen, gehört den Tieren. Einer Hirschherde, die in einem mysteriösen Kreis traben, dem Sekretär, der gleich eines geflügelten Wächters über der vierbeinigen Protagonistin kreist. Dem Golden Retriever, vor dem sie erst flieht, dem diebischen Lemur und dem schläfrigen Wasserschwein.
Alle vier sitzen buchstäblich im gleichen Boot, das sie einem ungewissen Schicksal entgegenträgt trägt. Das anfängliche Misstrauen zwischen den animalischen Charakteren, deren individuelles Temperament der Regisseur und sein Co-Drehbuchautor Matiss Kaza ohne aufdringliche Vermenschlichung einfangen, weicht einem stummen Einvernehmen. Die Message, dass nur ein Zusammenhalt trotz äußerer Unterschiede das gemeinsame Überleben sichert, spiegelt in ihrer Simplizität die seltsam synthetischen Szenerie. Jene ist weniger Schauplatz als Kern einer Story ohne Anfang und Ende, in stetigem Fluss.
Fazit
Die in ihrer programmierten Plastizität an alte PC-Spiele erinnernden 3D-Animationen Gints Zilbalodis metaphorischen Märchens stehen in ihrer Künstlichkeit in eigenwilligem Kontrast zu Naturprozessen und Charakterinteraktion. Beiden verleiht die apokalyptische Allegorie eine bemerkenswerte Natürlichkeit. Deren Charme überwindet die elegische Langsamkeit der ereignisarmen Handlung, die ebenso dahintreibt wie die tierischen Protagonisten. Ihr wortloser Rapport lockert das trotz der satten Farbpalette vage unheimliche Szenario mit sanftem Humor und vager Hoffnung, mit einem Beigeschmack süßlicher Sentimentalität und spiritueller Seichtheit.
Autor: Lida Bach