7.0

MB-Kritik

Fortress 1985

Action, Adventure, Thriller

7.0

Inhalt

Die Lehrerin Sally Jones und ihre neun Schüler werden von vier maskierten Männern entführt, die Lösegeld erpressen wollen. Sie verschleppen sie  in die Wildnis, wo ihnen zunächst die Flucht gelingt. Doch die Entführer geben nicht so schnell auf. Gehetzt und in Lebensgefahr wachsen Lehrerin und Schüler irgendwann über sich hinaus und sind nicht mehr bereit, nur noch wegzulaufen.

Kritik

Das Leben in der australischen Provinz ist kein Ponyhof. Hier müssen kleine Jungs schon mal drei Nächte mit der Büchse in der Hand auf der Lauer liegen, um die Hühner vor dem gierigen Fuchs zu beschützen. Doch das ist ja alles noch harmlos. Wenn der Weihnachtsmann mit Ente/Katze/Maus und abgesägten Schrotflinten die (einzige) Klasse einer Mini-Schule samt junger Lehrerin entführt und ins Outback verschleppt geht es ums eigene, nackte Überleben.

Ein seit seligen VHS-Zeiten völlig in Vergessenheit geratenes B-Movie aus Down Under, mit dessen Titel man heute nur reflexartig Stuart Gordon‘s Sci-Fi-Actioner Fortress – Die Festung mit Christopher Lambert verbindet und somit verwechseln könnte. Dieser Fortress schlägt in eine ganz andere Kerbe. Lange bleibt dem Zuschauer auch rätselhaft, wieso er denn diesen Titel trägt. Völlig egal, dafür bleibt eh kaum Zeit. Dieses kostbare Gut, gerade bei schlanken 85 Minuten, wird nicht großzügig verplempert. Fortress macht seine Gefangenen recht flott und lässt sie fortan durch eine Odyssee aus konstanter Todesangst und Überlebenswillen schlittern, was sich erst überraschend anders verkauft, als es das martialische, exploitativ nicht nur angehauchte Filmplakat vermuten lässt. Nur grob auf einem realen Fall basierend (auch dort wurde ein Schulklasse entführt, der spätere Verlauf ist reine Fiktion), entwickelt sich ein Abenteuer-Survival-Drama, das direkte, explizit-physische Gewalt lange höchstens anteasert. Die Bedrohung durch die unmenschlichen Tiere von Entführern ist zwar spürbar, die verschwinden allerdings so schnell wie sie auch gekommen sind für eine ganze Weile wieder von der Bildfläche. In der Zwischenzeit formieren sich die besonnene, dabei niemals sich ihrem möglichen Schicksal ergebene Lehrerin mit leichten MacGyver-Qualitäten (Rachel Ward, Tote tragen keine Karos) und ihre durch alle schulpflichtigen Altersgruppen quer gemischten Schützlinge zu einer verschworenen Einheit.

Naturgemäß, auch mit der Beschützerrolle für die Kleineren im Hinterkopf, steht zunächst reiner Fluchtinstinkt im Vordergrund. Zu ihrem Glück (womit schon einer der klaren Kritikpunkte des Films erwähnt wäre), sind die Kidnapper zwar rücksichtlos durch und durch, gleichzeitig und offensichtlich aber nicht gerade die hellsten Kerzen auf der Torte, zumindest erschreckend schlecht vorbereitet und später schon fahrlässig naiv. Mehr als etwas Mut und dem Willen zur Rettung der eigenen Haut benötigt es nicht, um den Geiselnehmern gleich mehrfach zu entkommen, die entweder ihre „Gefängnisse“ niemals vorher inspiziert haben oder sich mit schon bald lächerlichen Tricks überrumpeln lassen, die ihnen trotz der präsentierten Skrupellosigkeit etwas den Schrecken nehmen. Dummheit schützt zwar nicht vor potenzieller Brutalität, aber macht sie schon ein gutes Stück schwächer, verletzlicher. An den direkten Gegenstoß denken die verängstigten Opfer zunächst nicht, was nur logisch ist, schließlich handelt es sich hier um eine junge Frau mit Verantwortung für neun Kinder, von denen nur wenige überhaupt in der Lage wären, sich aktiv zur Wehr zu setzen. Bis der Film – und mit ihm seine Figuren – an einen ganz entscheidenden Punkt kommen: Das letzte Drittel, das Finale, in dem sich nun nicht nur der Filmtitel erschließt, sondern es zu einem aus der Not und Verzweiflung geborenen Umdenken kommt, der im ersten Moment vielleicht sogar wie ein radikaler Bruch erscheinen mag, in seiner Konsequenz und Psychologie allerdings nur eine logische, wenn auch nicht minder erschreckend Schlussfolgerung ist.

In die Enge getrieben in ihrer Felsenfestung bläst die bis dahin stets auf den reinen Schutz durch Entziehen der direkten Konfrontation konzentrierte Gruppe (gezielt gesteuert von der Pädagogin, die nun auf den ethischen Erziehungsauftrag  bewusst pfeift und sogar extrem manipulativ auf ihre Schutzbefohlenen einwirkt) zum Gegenangriff und nun nimmt der Film eine Wendung, die sich in ihrer drastischen Art von Minute zu Minute selbst übertrifft. Überdeutlich werden nun sehr direkte, teilweise schon identische Bezüge zum Literaturklassiker Herr der Fliegen genommen, mit zwei entscheidenden Unterschieden: Der Antrieb entsteht diesmal nicht aus der unkontrollierten Eigendynamik der Kinder heraus und die Gewalt richtet sich ausschließlich gegen eine externe Bedrohung, nicht gegen die eigenen Reihen. Da es sich bei der treibenden Kraft um eine Lehrerin handelt, kann man davon ausgehen, dass ihr das Buch von William Golding bekannt ist. Das gibt der Manipulation ihrerseits eine ganz andere Dimension, da man nur noch bedingt von einem unterbewussten Handeln aus dem Affekt sprechen kann. Alles leicht spekulativ, dennoch ein nicht unwichtiger Punkt, gerade bei dem einheimischen Genre-Skript-Wizard Everett De Roche (Long Weekend). Denn was in diesen letzten 20 Minuten passiert, ist in seiner reaktionären Weise zwar schon leicht kritisch und moralisch eventuell grenzwertig, in seiner Logik dabei nicht weniger als menschlich und so was unterliegt in Extremsituationen mit der entsprechenden Vorgeschichte nun mal selten bis nie irgendeiner Form von Moral und Anstand; richtig oder falsch.

Fazit

Der steigende Gewaltpegel ist nicht mal großartig schockierend, damit war zu rechnen und in Anbetracht der äußeren Erscheinung des Films fast schon überfällig. Selbst abgebrühte Zuschauer dürften gegen Ende mindestens zweimal tief durchatmen, was nicht an einer sehr plastischen Darstellung von Gewalt, sondern mehr an seiner Wirkung und dem durchaus schockierenden Umgang mit ihr liegt. Nicht WAS, sondern WIE, und vor allem sind es die letzten fünf Minuten, die einem Tritt in den Magen gleichkommen. Dann, wenn eigentlich alles vorbei ist. Diese Szenen, die unreflektierte Filmemacher womöglich gar nicht eingebaut hätten, sind kontrovers und provokativ bis ins Letzte, genauso bewusst als Waffe eingesetzt wie vorher die Schüler seitens der Lehrerin. Man könnte dem Film sogar die Rechtfertigung von roher, barbarischer Gewalt vorwerfen, dadurch dass er diesen Aspekt jedoch direkt benennt und ihm ein (oder eher zwei) erschrockene(s), verstörende(s) Gesicht(er) gibt, wird klar, dass er genau das nicht tut. Er liefert ein Resultat, ohne Reue, ohne Traumatisierung und dadurch bleibt er hängen. Was er eindeutig will. Was deutlich macht, dass ihm die Tragweite seiner Wirkung bewusst ist. Was es wert macht, sich intensiver mit ihm auseinanderzusetzen und wohlwollend über diverse Schwächen hinwegzusehen. Dieser Film hat zumindest diesen Diskurs über ihn und seine Intention, seinen mutigen Ausklang verdient und ist damit prädestiniert, um endlich wieder öfter gesehen zu werden.

Autor: Jacko Kunze
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