Inhalt
Deutschland 1957. Während die junge Bundesrepublik die NS-Zeit hinter sich lassen will, kämpft ein Mann unermüdlich dafür, die Täter im eigenen Land vor Gericht zu stellen: Zwölf Jahre nach Kriegsende erhält der kompromisslose Generalstaatsanwalt Fritz Bauer den entscheidenden Hinweis darauf, wo sich der frühere SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann versteckt halten soll. Gemeinsam mit dem jungen Staatsanwalt Karl Angermann beginnt Bauer die Hintergründe zu recherchieren. Doch es formiert sich Widerstand bis in die höchsten Kreise: In seiner eigenen Behörde verschwinden immer wieder Akten und auch Oberstaatsanwalt Ulrich Kreidler und BKA-Mitarbeiter Paul Gebhardt behindern den unliebsamen Bauer in seinen Ermittlungen. Ein scheinbar aussichtsloser Kampf gegen unsichtbare Gegner liegt vor ihm, der Fritz Bauer alles abverlangen und ihn und seinen Mitstreiter Karl Angermann auch privat auf eine harte Probe stellen wird...
Kritik
An der einsamen Front zwischen Staatspolitik, Geheimdiensten und Sittenpolizei
Die deutschen Filmschaffenden tragen sich schon seit einigen Jahrzehnten mit der Aufgabe, die historische Vergangenheit des Landes aufzuarbeiten. Bisher lag der Schwerpunkt meist auf den Jahren vor und während der Existenz des Dritten Reichs. In jüngster Vergangenheit widmete sich das Medium Film jedoch auch verstärkt der Zeit nach 1945. Mit Giulio Ricciarellis „Im Labyrinth des Schweigens“ bewies der deutsche Film vor nicht allzu langer Zeit, zu welcher gekonnten Gratwanderung zwischen differenzierter Geschichtsbelehrung und packendem Thriller er fähig ist. Während in Ricciarellis Werk, das für Deutschland ins Rennen um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film gehen soll, das Augenmerk auf einem jungen Anwalt liegt, der einen Auftrag von dem Generalstaatsanwalt Fritz Bauer erhält, beschäftigt sich Lars Kraumes „Der Staat gegen Fritz Bauer“ mit dem Leben des Generalstaatsanwalts selbst. Trotz der Tatsache, dass seine Stärken woanders liegen, steht der Film von Regisseur und Drehbuchautor Lars Kraume (er verfasste das Drehbuch zusammen mit Olivier Guez) dem deutschen Kandidaten für einen Oscar in nichts nach.
„Der Staat gegen Fritz Bauer“ illustriert auf gefühlvoll ausbalancierte Weise das Arbeits- und Privatleben des hessischen Generalstaatsanwalts, der nicht selten als Nazi-Jäger bezeichnet wurde, was darauf zurückzuführen ist, dass er maßgeblich daran beteiligt war, einige der Kriegsverbrecher der NS-Zeit aufzuspüren und vor Gericht zu bringen. Der Film versucht damit nicht nur die Taten Bauers an sich zu würdigen, sondern legt seinen Fokus bewusst auf seinen Beitrag zur Ergreifung des SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann im Mai 1960. Im Angesicht widrigster Umstände operierte Fritz Bauer nur mit Hilfe einiger vertrauter Kollegen und Freunde. Dabei versuchten ihm die verschiedensten, von ehemaligen Nazis durchsetzten, staatlichen Behörden Steine in den Weg zu legen. Angefangen von den Geheimdiensten über die politischen Gremien bis hin zur Sittenpolizei, die aufgrund seiner Homosexualität ein Auge auf ihn warf.
In der Rolle des Fritz Bauer brilliert ein Burghart Klaußner („Elser – Er hätte die Welt verändert“), der trotz seines zeitweisen Verschwindens hinter dichten Zigarrenrauchschwaden eine unvergleichliche Präsenz zeigt und die Last des Films mit Leichtigkeit auf seinen Schultern durch die Weltgeschichte trägt. Obwohl er auch ein Päckchen an seinen jungen Kollegen, den Staatsanwalt Karl Angermann, abgeben kann, der von Ronald Zehrfeld („Phoenix“) facettenreich und bodenständig verkörpert wird. Auf beruflicher Ebene findet Bauer in Angermann einen loyalen Mitstreiter, auf privater Ebene ist er ihm ein wahrer Freund. In der Figur Angermanns vereinigte der Regisseur verschiedenste Charaktermerkmale der damaligen Mitarbeiter Fritz Bauers. So ist der Generalstaatsanwalt zwar an der Spitze alleine an der einsamen Front, doch hinter ihm steht (im Film) ein Kollege, der ihm den Rücken frei hält und auch privat an seinem Leben teilnimmt.
Die Funktion des Mediums nutzend, inszenierte Lars Kraume einen dokumentarisch anmutenden Film, der sich selbst aber als Politthriller sieht und auch im Hinblick auf die subjektiv gewichteten Fakten eindeutig dem Genre des Spielfilms zuzuordnen ist. Einerseits wollte Kraume den Verdiensten Bauers, was den Fall Eichmann anbelangt, gerecht werden, andererseits legt er auch auf sein Privatleben und seine Herkunft wert. Denn es gab bereits Biografien über Fritz Bauer, die sowohl seine Herkunft als Jude als auch seine wahrscheinliche, nicht eindeutig belegte Homosexualität verschwiegen haben, um angeblich keine Misstöne unter die Huldigung seiner Taten zu mischen. Indem Kraume sich die Freiheiten des Spielfilms zunutze macht, integriert er feinfühlig die Vermutung, dass Bauer sich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlte, und ausdrücklich seine Herkunft als Jude. So zeigt er ein ehrliches Bild des deutschen Helden der Nachkriegszeit, ohne seine politischen und juristischen Taten in einem gekünstelten Sexualdrama untergehen zu lassen. Große Anerkennung verdient der Regisseur und Drehbuchautor auch für den Geniestreich, Bauers Sexualität in einer anderen Rolle gespiegelt und übertragen darzustellen und damit subtil und durch und durch authentisch auf diese Facette seines Privatlebens hinzuweisen.
Durch die persönliche Ebene gewinnt „Der Staat gegen Fritz Bauer“ nicht nur an emotionaler Tiefe, sondern auch an Identifizierungspotenzial für den Zuschauer. Im Vergleich mit „Im Labyrinth des Schweigens“ ist dieser Film etwas mehr persönliches Drama als kribbelnder Thriller, was ihm aber hinsichtlich seiner Fähigkeit, den Zuschauer mitzunehmen und für sich zu gewinnen, keinen Abbruch tut. Absolut zeitgemäß und unter Wahrung eines behutsamen Umgangs mit den historischen Tatsachen wurde dieser Film solide inszeniert, was wiederum ein Beweis für die durchaus vorhandenen Qualitäten des aktuellen deutschen Films ist.
Fazit
Dieser kleine deutsche Historienfilm hat in vielerlei Hinsicht Lob verdient. Konsequent beleuchtet er auf allen Ebenen die Person Fritz Bauer und macht sie dadurch für den heutigen Kinobesucher verständlich und präsent. Durch einen atemberaubenden Burghart Klaußner und einen ebenfalls glänzend aufgelegten Ronald Zehrfeld wird dieser Film zu einem schauspielerischen Paradestück, das einen nach einer anfänglichen Gewöhnungsphase gänzlich gefangen nimmt. Künstlerische Maßarbeit mit Liebe zu seinem Protagonisten - außerordentlich sehenswert!
Autor: Jonas Göken