Inhalt
Entfesselte Stürme an den Küsten Europas fordern ihren Tribut. Freiwillige Helfer*innen rüsten sich für den Winter. Verletzte Robbenwelpen werden mit Flüssignahrung versorgt und mit Rotlichtlampen gewärmt. Ölverschmutzte Schwäne werden Schaumbädern unterzogen. Wir blicken in das Auge eines riesigen gestrandeten Wals. Und der Wal blickt zurück.
Kritik
Sturmböen, Schneeregen und die tosende Brandung des Nordmeers liefern die unruhige Geräuschkulisse der zurückgenommenen Dokumentaraufnahmen, deren jede die Regisseurin bedrückend lange andauern lässt. Ihr Publikum erlaubt Robin Petré keine Ablenkung von den verheerenden Konsequenzen menschlichen Handels. Omnipräsente Wetterextreme vermitteln das globale Ausmaß der ökologischen Katastrophe, deren individuelle Schäden das eindringliche Langfilmdebüt in den Vordergrund stellt. Robben blicken großäugig aus den kargen Boxen einer irischen Rettungsstation, deren ehrenamtliche Mitarbeiter*innen sich um kranke und verletzte Tiere bemühen.
Die Robben haben den Magen voller Plastikteile, entzündete Wunden und tiefe Schnitte von gestreiften Schiffen. Ihre Klagelaute anzuhören ist fast so schwer erträglich wie die Aufnahmen qualvoller Behandlungen, die eine Entlassung in die Freiheit möglich machen sollen. In der emotionalen Belastung einprägsamer Bilder gepeinigter, sterbender und eingepferchter Lebewesen liegt eine entscheiden Stärke der kühlen Inszenierung, die bewusst den verlogenen Optimismus vieler Naturdokumentation, insbesondere der an junges Publikum gerichteten, verweigert. Die Natur hat den Überlebenskampf verloren.
Der Irrglaube, sie retten zu können, ist Teil destruktiver Hybris. Darauf verweist Marine Life Rescue Officer Dan Jarvis’ Mahnung, vor Beginn einer Rettungsaktion die Erfolgschancen abzuwägen. Vor dem Interesse des leidenden Lebewesens kommt oft das am guten Gewissen. Der Übergang von Egoismus zu Altruismus, von Rettern zu Tätern ist fließend. Die Geschichte einer aufgepäppelten Robbe, die nach erschöpfender Odyssee erneut in der Rettungsstation landete, sowie als Zuschauerunterhaltung inszenierte Auswilderungen hinterfragen subtil die Motive menschlichen Eingreifens.
Fazit
Aufnahmen amputierter Tierkörperteile, der Obduktion eines von menschenverschuldeten Wunden übersäten Delphins und der langsame Tod eines gestrandeten Finnwals vor den Augen der Umweltaktivisten, deren Arbeitsalltag Robin Petrés Naturreportage strukturiert, vermitteln mit unsentimentaler Direktheit die grausame Bilanz menschlicher Natureingriffe. Den unermüdlichen Einsatz freiwilliger Helfer*innen zeigen stoische Szenen als ethischen Balanceakt zwischen Tierschutz und moralisch ambivalentem Selbstzweck. Im Hintergrund der farblich und atmosphärisch düsteren Gegenwartchronik werden meteorologische Alarmzeichen des Klimawandels zu Omen einer längst angebrochenen Zukunft.
Autor: Lida Bach