Inhalt
Als sein Bruder unter mysteriösen Umständen bei einem Autounfall ums Leben kommt, reist der Londoner Gangster Jack Carter nach Newcastle. Auf der Beerdigung keimt der Verdacht, dass es sich um Mord handelte. Carter verfolgt die Spur durch die Unterwelt, um den Mann zu finden, der den Auftrag für die Ermordung seines Bruders gab.
Kritik
Der bekannteste Film in der Vita des 2022 verstorbenen Regisseurs Mike Hodges dürfte zweifellos der Popkultur-Klassiker Flash Gordon (1980) sein, doch bereist vorher erschuf der Brite mindestens einen Film, der innerhalb seiner Bubble unabdingbaren Kultstatus genießt. Die Rede ist von Get Carter oder wie er hierzulande immer noch betitelt wird: Jack rechnet ab. Und dabei handelt es sich nach wie vor um einen grobkörnigen Rohdiamanten des europäischen Genrekinos. Nicht umsonst wurde mit Get Carter – Die Wahrheit tut weh (2000) ein bemühtes, aber belangloses US-Remake zusammengeschraubt, um dessen Hauptdarsteller Sylvester Stallone (Tulsa King) aus dem damaligen Karrieretief zu hieven. Der „echte“ Jack Carter Michael Caine (Dressed to Kill) durfte dort ein Cameo beisteuern, hat wenig geholfen.
Caine wurde als zweifacher Oscargewinner (Hannah und ihre Schwestern; Gottes Werk und Teufels Beitrag) erst spät geadelt, nachdem er sich vorher schon durch etliche Genrefilme - mal mehr, mal weniger sehenswert - gekämpft hatte. Selten durfte er dabei einen so harten Knochen wie hier spielen, der dennoch eine kühle Erhabenheit ausstrahlt. Dieser Film gilt trotz seines Kultstatus immer noch als Geheimtipp, dabei sind Rachethriller heute höher im Kurs als jemals zuvor, bezogen auf die Massenkompatibilität. Jack rechnet ab ist ein eiskaltes, hochfunktionelles Genreuhrwerk; ein moderner UK-Großstadtwestern mit Anleihen bei Point Blank und Der eiskalte Engel, trotzdem völlig autark und mit massivem Selbstbewusstsein im Rucksack. Michael Caine ähnelt in der Rolle des knallharten, dennoch eloquenten Raubeins dem eleganten Ganovenbilds eines Jean-Pierre Melville (Der Teufel mit der weißen Weste) wie den eruptiven Einzelgängern bei Sam Peckinpah (Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia). Irgendwo dazwischen positioniert sich auch Jack rechnet ab, der eine lineare, recht schlichte Auge-um-Auge-Geschichte in exzellenten Momenten und Stimmungen verkaufen zu weiß.
Geölt mit einem bitteren, zynischen Witz, läuft die Maschine schnell ohne Ausreißer nach links oder rechts auf Hochtouren, verzichtet auf oberflächlich-künstlerisch wertvolle Eleganz, eher umwickelt in Zeitungspapier und mit bitterem Essig abgeschmeckt. Abgesehen davon und nicht zuletzt dadurch definiert ist dieser Film unfassbar ästhetisch in seiner räudigen Vorgehensweise, nicht so chic wie damals aus Frankreich, eben mit dem Geruch der Insel. Straight, wuchtig und aggressiv. Über allem wütet der brachial-gute Michael Caine, der sagenhafte Score von Roy Budd, die schnurstrake Regie von Mike Hodges und dieses abartig gute, weitläufige Finale, das den Kern des Films ohne Firlefanz, kurz und bündig auf den Punkt bringt. Schlicht, hart, ehrlich, ohne Zugeständnisse. Fertig.
Fazit
So einfach, ruppig, so angenehm reißerisch, so gut kann Revenge-Kino sein. Kein Gramm Fett zu viel auf den Rippen, auf den Punkt inszeniert und mit einer natürlichen Coolness versehen, die nicht künstlich und gequält herauf gezwungen werden muss. Und das Ganze auch noch ohne Liam Neeson – kaum zu glauben.
Autor: Jacko Kunze