Inhalt
Lena, ein junges, blondes Mädchen aus Schweden, emazipiert sich! Sie ist es leid, Nachrichten einfach nur hinzunehmen und stellt Fragen. Bewaffnet mit einem Mikrofon stellt sie berühmten und unbekannten Menschen unangenehme Fragen. Zeitgleich ist sie auf der Suche nach ihrer Sexualität und geht so den Weg ihrer persönlichen Emazipation!
Kritik
Selbst 50 Jahre nach seiner Veröffentlichung ist klar, warum Ich bin neugierig (gelb) seinerzeit sowohl den Unmut empörter Zensoren als auch das Unverständnis seiner Zuschauerschaft auf sich gezogen hat. Klar den Strukturen eines Experimentalfilms zugewandt, präsentiert Regisseur Vilgot Sjöman (Ingmar Bergman Makes a Movie) teilweise unzusammenhängende oder nur lose verknüpfte Szenen, die sich um die (sexuelle) Befreiung der jungen Schwedin Lena (Lena Nyman, Herbstsonate) drehen. Dabei fügen sich Metaszenen eines im Film selbst stattfindenden Films nahtlos an semidokumentarische Interviewaufnahmen (teilweise im Gegenschnitt zu echtem Archivmaterial von prominenten Persönlichkeiten) und alltägliche Bilder eines wenig alltäglichen Lebens. Wiederholt bricht das Werk dabei mit Tabus, entblößt Geschlechtsteile, suhlt sich im Moment der sexuellen Begierde und fängt sowohl den Akt der Liebe als auch überbordende Gewalt in ausladenden Szenen ein.
1967 entstanden ist Ich bin neugierig (gelb) stark am damaligen Zeitgeist interessiert und versucht seine Klauen tief in das Fleisch eines gedanklich gespaltenen Europas zu schlagen. Sjöman steht dabei klar auf Seite der jungen Wilden, pocht auf (sexuelle) Freiheit, Gleichheit und Selbstbestimmung. Sein Film ist daher auch bewusst provozierend und penibel darauf bedacht, überall anzuecken. Die Fülle an Gedanken, zum Teil nur sprunghaft und marginal aufgegriffen, ist dabei immens, verpufft jedoch zusehends aufgrund der filmischen Redundanz. Ich bin neugierig (gelb) ist dermaßen vollgestopft mit Ideen und Ansätzen, dass deren Wirkung in der Menge schlichtweg verloren geht. So kann man sich dem Strom dieser Einfälle zwar durchaus hingeben, hängenbleiben tut dabei jedoch so gut wie nichts.
So bleiben viele Aspekte des Films reine Behauptung, frei im Raum stehend, ohne wirklich zur Geltung zu kommen. Gerade bei zunehmender Laufzeit wirkt die Kontroverse immer erzwungener, ein bloßes Mittel zum Zweck. Gerade dann hat der Film wenig mit dem liberalen Gedankengut zu tun, welches er vorgibt zu sein, sondern wirkt seltsam kalkulierend und gezwungen andersartig. Nichtsdestotrotz versprüht Ich bin neugierig (gelb) einen unverkennbaren Reiz, der sich zwar stellenweise mit der Trägheit des Films beißt (schließlich kommen die knapp zwei Stunden beinahe gänzlich ohne ein Narrativ aus), aber dermaßen üppig aus der Fülle aufsässigen Gedankenguts schöpft, dass man zwar keinesfalls mit einem unterhaltsamen, dafür jedoch mit einem interessanten und diskussionswürdigen Werk belohnt wird.
Fazit
Beseelt vom Gedankengut der 68er-Bewegung präsentiert „Ich bin neugierig (gelb) sprunghafte Episoden aus dem Leben einer jungen Schwedin. In expliziten und dadurch vordergründig provozierenden Bildern bringt der Film eine gewisse Aufsässigkeit treffend zum Ausdruck, verpasst es jedoch diese im konstanten Strom von selbstbestimmter Sexualität, politischem Protest und satirischer Schmähungen wirklich geltend zu machen. In Ansätzen ist das großartig, redundant gebündelt jedoch zusehends wirkungsärmer.
Autor: Dominic Hochholzer