Inhalt
Louie Palu, ein kanadischer Fotojournalist, ist in Afghanistan, um die Schrecken des Krieges zu dokumentieren. Bei seinem ersten Besuch im Land wird er Zeuge es Selbstmordanschlags, dessen Bilder er nicht vergessen kann. Ganze fünf Jahre verbringt er in Kandahar. Er ist bei NATO-Einsätzen dabei und begleitet das afghanische Militär. Diesen Bildern stellt er den Alltag in Kanada gegenüber, wo die Menschen nichts vom Krieg wissen oder wissen wollen, in dem ihre eigenen Soldaten kämpfen.
Kritik
In einem Zeitraum von insgesamt fünf Jahren, von 2006 bis 2010, war der Kanadier Louie Palu immer wieder in Afghanistan, um den dort tobenden Krieg zu dokumentieren. Während dieser Zeit führte er Tagebuch, nahm unzählige Bilder auf und filmte. Insgesamt zwei Jahre verbrachte er in der Region Kandahar, zwischendurch kehrte er immer wieder nach Hause zurück. Kandahar Journals ist der Versuch, diese kontrastierenden Erfahrungen unter einen Hut zu bringen.
Dass dies keine leichte Aufgabe ist, dürfte jedem von vornherein klar sein. Entsprechend nervenaufreibend ist das Bildmaterial von der Front geworden. Der hollywoodtypische Glanz fehlt, stattdessen sind die Bilder roh und nüchtern und zeigen schonungslos den Schrecken des Krieges. Wer einen empfindlichen Magen hat, der ist hier ganz klar an der falschen Adresse. Den rohen Bildern steht eine teilweise verträumte Inszenierung gegenüber, welche die Verlorenheit des Fotografen illustriert. Auf die typischen Klischees, beispielsweise beim Soundtrack, wurde hier gänzlich verzichtet. Keinerlei Romantisierung durch langgezogene Trauergesänge, solche billigen Tricks sucht man hier vergeblich. Alles was bleibt, ist die Hilflosigkeit. Besonders eindrücklich sind die Szenen, in denen Palu die Medics begleitet, die mit den verschiedenen Traumata an der Front vermutlich noch am direktesten konfrontiert sind. Szenen wie der feuchte, glimmernde Boden, nachdem das Blut von ihm abgewischt wurde, brennen sich unweigerlich in das Gedächtnis ein.
Palus Absicht hinter dem Material ist klar, und er formuliert sie ebenso deutlich: Der Zuschauer, in diesem Falle speziell die Kanadier zuhause, soll aus seiner sicheren Komfortzone entrissen werden. Denn während der Krieg in Afghanistan tobt, scheinen die Menschen zuhause wenig davon zu wissen oder wissen zu wollen. Kandahar Journals forciert die Auseinandersetzung mit dem Thema. Dass Palu selbst, vermutlich wie die meisten Zuschauer, auf all die Fragen, auf die Suche nach einer Erklärung, einem "warum" noch immer keine Antwort gefunden hat, verdeutlicht die anhaltende Unmöglichkeit der Situation.
Fazit
"Kandahar Journals" ist unangenehm anzuschauen und vielleicht gerade deswegen ein so wichtiger Beitrag um den anhaltenden Konflikt in Afghanistan. Der Einblick in die Arbeit des Fotojournalisten ist ungeschönt und ungefiltert und im direkten Kontrast zum sonstigen Alltag des Fotografen umso erdrückender.
Autor: Sandra Scholz