7.9

MB-Kritik

Kap der Angst 1991

Crime, Thriller

7.9

Robert De Niro
Nick Nolte
Jessica Lange
Juliette Lewis
Joe Don Baker
Robert Mitchum
Gregory Peck
Martin Balsam
Illeana Douglas
Fred Thompson
Zully Montero
Craig Henne
Forest Burton
Edgar Allan Poe IV
Rod Ball
W. Paul Bodie

Inhalt

Max Cady ist ein Psychopath reinsten Wassers, der bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis an nichts anderes denkt als an Rache. Sein Ziel ist sein ehemaliger Verteidiger Sam Bowden, den er verdächtigt, Informationen zu seiner Entlastung dem Gericht nicht vorgelegt zu haben. So beginnt Cady, die Familie zu terrorisieren, immer am Rand der Legalität, aber sie nie überschreitend. Auch an die 15-jährige Tochter macht er sich heran. Als er einen auf ihn angesetzten Privatdetektiv umbringt, ist das Maß voll. Bowden und seine Familie fliehen, doch Cady läßt sich nicht abschütteln...

Kritik

Martin Scorsese hat eine lange und aufregende Karriere, die schon im letzten Jahrhundert mit Filmen aufwarten konnte, die regelmäßig in Top-Überhaupt-Listen auftauchen. Es lassen sich einige Gemeinsamkeiten in seiner Filmographie feststellen, so sind die meisten Filme vorrangig Charakterdramen und zeigen ein ehrliches Bild von Menschen, Umfeld, Zeit und Religion. Nicht umsonst sagte der Mann mit dem sympathischen Lachen, er habe den Oscar für „The Departed“ nur bekommen, weil es sein erster Film mit einem Plot gewesen sei. Und doch scheint „Kap der Angst“ mit Langzeitkollarobateur und Schauspiel-Legende Robert De Niro („Taxi Driver“) ein wenig anders zu sein, als die sonstigen Filme von Marty. Und das liegt an seinen überdeutlichen Thriller-Elementen. 

Zwar kann man auch „Kap der Angst“ nicht als Film mit einem Plot beschreiben, aber er ist doch in seiner Genre-Zugehörigkeit irgendwie ungewohnt, wenn man sich auf einen Scorsese einstellt. Ungewohnt, aber nicht schlecht. Vielleicht ist diese Fremdheit gar ein Pluspunkt für den Film. Sie führt dazu, dass man von sich aus schon unsicher auf den Sitzpolstern umherrutscht, da hat Max Cady noch gar nicht gezeigt, was für ein sadistischer Bastard er ist. Es scheint, als wäre Marty sich der Andersartigkeit des Filmes bewusst gewesen (er hat den Film erst nach langem Zögern von Steven Spielberg übernommen) und sich diese eigentliche Schwäche zu eigen gemacht, um sie als eigene Waffe zu schlagen. Eines der unzähligen Beispiele für das filmische Genie des Martin Scorsese

Der Regisseur nutzt den vergleichsweise kleineren Film (schließlich kam der Film nur ein Jahr nach „GoodFellas“ raus), um den größten Filmemachern der 40er und 50er ein Denkmal zu setzen. Die Hommagen an Film Noir, Kriminal- und Suspensefilme lassen sich schon an der hier und da wackligen Kamera erkennen, werden aber spätestens an der Musik, Schoonmakers Schnitt und immer wieder Martys Arbeit selbst deutlich. Rein technisch gesehen scheint der Film tatsächlich ein Relikt aus vergangenen Zeiten zu sein, nur mit mehr exzessiver und blutiger Gewalt. Die Figur namens Max Cady wird schon ebenso einfach, wie eindrucksvoll eingeführt. Er wird aus dem Gefängnis entlassen, aber die Kamera bleibt dicht bei ihm. Keine Totalen nach Links und Rechts, die die Ratlosigkeit in der neugewonnenen Freiheit zeigen. Nur ein Mann dicht an der Kamera, der sich zu seinem Ziel begibt. Ohne zurückzuschauen. 

Max Cady ist kein Mensch in diesem Film, er ist eine Bestie. Stählern, kräftig, furchteinflößend, hasserfüllt, erbarmungslos, von Trieben gesteuert. Seine Augen auf dem Poster des Films sind nicht überdramatisiert; so schaut De Niro wirklich - und sorgt damit für Albträume. Der Method Actor hat für die Rolle seinen Körperfett-Anteil dramatisch reduziert und sich gar die Zähne abfeilen lassen, um eben mehr wie ein Wesen (ein Alligator?) auszusehen. Er ist ein gestörter Sadist, der seinen Rachedurst erfüllen muss, um glücklich zu sein. Ihm wurde der Sinn und die Würde seines Lebens genommen. Nun möchte er sich zumindest seinen Sinn zurückholen, indem er den Mann terrorisiert, der dafür verantwortlich ist. Seinen ehemaligen Pflichtverteidiger (Nick Nolte, „Warrior“). Ob das laut Cady fair ist, ist nur schwer zu sagen. Seinen Rücken ziert ein überdimensionales Tattoo einer Waage. Auf der einen Seite steht die Wahrheit, auf der anderen Seite Gerechtigkeit. 

Aber dieser Scorsese wäre kein Scorsese, wenn er das Geschehen nicht mit ordentlich Hintergrund bestücken würde. Die Regie-Legende nutzt die Geschichte, die Hülle des Genres, um eine Abhandlung über Gerechtigkeit, Empathie, Verlust, Mut und Hass, aber vor allem um die Egozentrik und Nächstenferne einer Gesellschaft zu entwerfen, die nicht nur meint, alles besser zu wissen, sondern die auch in dem Bruchteil einer Sekunde ihre Predigten vergisst und so handelt, wie es ihr beliebt. Aus der einseitigen Rache von Cady wird in nicht allzu langer Zeit ein erbarmungsloses und unverhältnismäßiges Hinundher aus Hass, Gewalt und einer Rachespirale, an deren einzigem Ende der Tod wartet. Noltes Figur Nick, sie versucht ihr Gesicht als Vater, Anwalt und der Mann zu wahren, für den er sich hielt. Zunächst ein gerechter, aufrichtiger Mann, später ein Tyrann, sarkastisch, brutal, bis selbst seine eigene Ehe und Familie seine Opfer werden.

Fazit

Mit „Kap der Angst“ lieferte Martin Scorsese einen brutalen aber großartigen Krimi ab. Das liegt nicht nur an seinem beispiellosen Können als Regisseur, der seinen Filmen stets das gewisse Etwas verpasst, das sie von ordinären Filmen abhebt. Das liegt auch an Robert De Niro, der hier zurecht für den Oscar nominiert wurde und eine Show abliefert, die widerwärtiger und beeindruckender nicht sein könnte. Er eskaliert. Er ist pausenlos beängstigend (sehr beängstigend) und jagt Schauer um Schauer über den Rücken des Zuschauers. Ein großer seiner Zunft. Eine Story über Eitelkeit und Egozentrik, Narzissmus und Misanthropie, die an Spannung einiges in den Schatten stellt und atmosphärisch schlicht und ergreifend ist. Ein Geniestreich zeigt sich dann auch im Finale des Films, wenn Cady in die Kamera schaut und mit dem Publikum wie als Anwalt mit einem Richter spricht. Denn der Zuschauer ist es letztendlich, um den es hier geht.

Autor: Levin Günther
Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.