Inhalt
Mathilda, eine überzeugte Verfechterin strenger EU-Grenzkontrollen, steht plötzlich vor einer moralischen Krise, die ihre Grundüberzeugungen in Frage stellt. Als ein alter Freund sie bittet, Malik, einen marokkanischen Einwanderer, der illegal in die EU eingereist ist, zu verstecken, gerät sie in eine gefährliche Situation, die sie dazu zwingt, sich ihren persönlichen Dämonen zu stellen. Als die Spannungen zunehmen, wird Malik durch einen Bombenanschlag mit einer terroristischen Untersuchung in Verbindung gebracht, was beide in große Gefahr bringt.
Kritik
Dramatisch und dramaturgisch beginnt Angelina Maccarones (Charlotte Rampling: The Look) arriviertes Migrationsdrama mit einem Knall. Eine Bombe geht hoch vor der schillernden Silhouette der Frankfurter Innenstadt, dem Hauptschauplatz der konstruierten Konflikte. Der Fallout des Anschlags, dessen mutmaßlicher islamistischer Hintergrund eine von zahlreichen Unklarheiten des überambitionierten Plots bleibt, erschüttert auf sozialer und emotionaler Ebene die elitären Existenzen der Hauptfiguren. Deren private und politische Grundsätze stellt nicht nur diese Konfrontation auf die Probe, sondern auch die Begegnung mit einem unregistrierten Einwanderer.
Jung, attraktiv, aberwitzig naiv und mit dauerndem Dackel-Blick ist Marokkaner Malik (Habib Adda) ein prototypisches Paradebeispiel für die funktionale Figurenzeichnung der Regisseurin. Deren selbstverfassten Drehbuch reduziert seine komplexe sozialpolitische Problematik auf die plakativen Parameter einer lehrbuchhaften Versuchsanordnung. Jene wird erst von allen individuellen und ideologischen Grauzonen bereinigt, dann bestückt mit präzise positionierten Charakteren, die weniger reelle Persönlichkeiten sind als Personifikationen. Als solche steht der wohlhabende schwule Maler Richard (Lambert Wilson, La Maison) für nostalgischen Neo-Liberalismus.
Seine beste Freundin aus wilden Jugendjahren, deren Wandlung zur konservativen Konformistin nur einen zahlreicher psychologischer Brüche darstellt, ist Mathilda (Barbara Sukowa, Constellation). Deren neue Assistentin Amina (Banafshe Hourmazdi, Ein Fest fürs Leben) repräsentiert die auf mittelständische Assimilation bedachte Zweitgeneration migrantischer Mitbürger*innen. Aminas Ex-Chefin und Geliebte wiederum steht für das bourgeoise Bildungsbürgertum. Die hypothetische Handlung erschöpft sich im Etablieren dieser Position, die weder ergründet noch differenziert werden. Der eklatante Mangel ideologischer und emotionaler Glaubwürdigkeit unterstreicht die klare Verteilung der systemtreuen Sympathien.
Fazit
Als politologisches Prisma ist Angelina Maccarone soziologisches Spannungsfeld trotz seiner Künstlichkeit interessant. Nicht aufgrund etwaiger ethischer Erkenntnisse, sondern als Paradebeispiel pseudo-provokanten Prestige-Kinos. Dessen fassadenhafte Figur sind Sprachrohre ihrer Weltanschauung oder dramatischen Funktion. Entsprechend papieren wirken die Dialoge, die mit pädagogischem Eifer moralische Integritätsfragen aufzeigen. Dass rechts-konservative Hardliner und privilegiertes Bildungsbürgertum ihr humanistisches Herz zeigen während der migrantische Charakter dramaturgisch instrumentalisiert und infantilisiert wird, gibt dem gediegenen Thesenkino einen schalen Beigeschmack, den das kompetente Ensemble nicht aufwiegt.
Autor: Lida Bach