6.1

MB-Kritik

The King's Choice 2016

Drama, History, Biography, War

6.1

Inhalt

Am 9. April 1940 marschiert die Wehrmacht ohne Kriegserklärung in Norwegen ein. Der feste Glaube der Norweger, durch eine konsequente Neutralitätspolitik vor Hitlers Aggressionsplänen geschützt zu sein, erweist sich als gefährlicher Irrtum. Schnell breiten sich Konfusion und Chaos aus. Mit dem Faschistenführer Quisling steht schon ein Mann bereit, der als Ministerpräsident von Hitlers Gnaden eingesetzt werden könnte. Doch das norwegische Königshaus verweigert sich dem Druck der Deutschen. König Haakon VII., der Oslo verlassen und sich mit seiner Familie, der Regierung und zahlreichen Abgeordneten in das Dorf Nybergsund abgesetzt hat, erweist sich als Fels in der Brandung: Sollte sich das Parlament zur Kapitulation entscheiden und auf die Forderungen aus Berlin eingehen, wird er ohne zu Zögern abdanken, erklärt er. Eine moralische Konsequenz, die von Hitler mit Bombenangriffen beantwortet, von den Norwegern aber als Aufruf zum Widerstand begriffen wird.

Kritik

Paradoxerweise sind es die dramaturgischen Schwächen seines psychologischen Dramas Troubled Water, die Erik Poppe zum optimalen Regisseur für sein bisher prestigeträchtigstes Werk machen. Das gemessene Geschichtsdrama ist ein historischer Sturm um ein leeres Zentrum, nicht anders, als es vor acht Jahren das Porträt eines reuigen Verurteilten war. In beiden Fällen drückt die moralische Last schwer auf die männlichen Protagonisten. Damals war es die gefühlte Schuld an einem Unfall, hier ist es die Last staatsmännischer Verpflichtung. Bei jeder der äußerlich grundverschiedenen Figuren ist die Verantwortung tatsächlich eine gefühlte, obwohl der eine ein Ex-Häftling war und der tragische Held der opulenten Historienstunde der titelgebende Monarch ist. 

Der zentrale Kampf spielt sich nicht auf dem Schlachtfeld, sondern im Gemüt von König Haakon VII. (Jesper Christensen) ab. Für einen Kriegsfilm ein ungewöhnlicher Ansatz, der eine ganze Bandbreite inszenatorischer und dramatischer Türen öffnet. Umso enttäuschender ist es über zwei Stunden mit anzusehen, wie Regisseur Poppe sie allesamt ungenutzt lässt. Seine Interpretation der Ereignisse an den Tagen vom Einmarsch der Wehrmacht in Norwegen am 9. April 1940 bis zum Abdanken des Königs beschreitet mit Vorbedacht ausschließlich die konventionellen Wege eines Nationalepos. Dessen Hintergründe sind außerhalb Skandinaviens so wenig bekannt, dass breite Dialogphrasen sie häppchenweise auftischen. In Schulbüchern genügte für die Zusammenfassung ein Satz in Richtung: „Die Nazis besetzen ohne Kriegserklärung das bis dato neutrale Norwegen.“

Die drängende rekursive Frage ist heute nicht, wie die Norweger den Einmarsch fanden, sondern wie die Regierung es bis dahin kommen lassen konnte. Unterschwellig versucht der Plot diesen ethischen Makel zu entschuldigen und zugleich das bildgewaltige Kostümkino abzuliefern, das eine breite Zuschauerschaft erwartet. Zweites gelingt dank der tadellosen Darsteller und strategischen Handlungsfokussierung auf die Wortgefechte in Amtszimmer, trotz der unsteten Handkamera, die sich nicht mit dem Handlungsrahmen verträgt. Zur Belohnung gab es eine Oscarnominierung als Bester fremdsprachiger Film und klingelnde Kassen bei den heimischen Kinos. Diese Huldigung verstärkt den bitteren Nachgeschmack der pathosschweren Apologie, die eine Symbolhandlung zu Gewichtigerem verklärt eine verspätete Geste.

Fazit

Der bisher filmische unbeleuchtete Moment norwegischer Geschichte gibt gediegenes Puppentheater mit exzellenten Darstellern und formidablen Settings ab. Inhaltlich jedoch liefert der historische Abriss nur die Antworten, die mit Sicherheit an niemands Nationalstolz kratzen und mit einer fragwürdigen Ikonodulie einhergehen.

Autor: Lida Bach
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