Inhalt
Drei Männer spazieren zwischen den Wohnblocks einer Vorstadtsiedlung umher und füttern Tauben. Sie gehören zu einer Gang von kleinen Ganoven, die bei einem bewaffneten Raubüberfall auf den Wagen eines saudi-arabischen Prinzen einen großen Coup gelandet haben. Ihr Gespräch dreht sich um die Anschaffung einer bionischen Handprothese. Ein lang gehegter Traum, der mit dem erbeuteten Geld verwirklicht werden kann. Dass sie Gejagte sind, wissen sie noch nicht.
Kritik
Ausdrucksstärker als die Schießereien und cis-männlicher Kumpanei, mittels derer Rabah Ameur-Zaïmeche (Denier marquis) die für seine bescheidene Produktion unerreichbaren Vorbilder des Film noir nachzuahmen versucht, sind die immersiven Langszenen unbeteiligter Observation. Während dieser gleitenden Kamerafahrten, bei denen die spärlich eingesetzten Dialoge ganz ersterben, versinkt der Regisseur vollends in Szenerien, die mal so rauschhaft und visuell benebelnd sind wie eine von arabischer Pop-Musik begleitete Club-Nacht, mal so erschlagend wie die tristen Hochhausblöcke des Schauplatzes.
In einem jener heruntergekommenen vorstädtischen Wohnprojekte wie in Clichy-sous-Bois außerhalb von Paris überschneiden sich die kleinkriminellen Wege des ehemaligen Armee-Scharfschützen Pons (Régis Laroche) und der Bande seines Nachbarn und Bekannten aus Kindertagen Bébé (Philippe Petit, Man on Wire). Für den verheirateten Vater zweier Kleinkinder ist der geplante Überfall eines arabischen Prinzen die einzige Chance auf eine bessere Zukunft, abseits der sich von einer Generation auf die nächste übertragene Spirale von Arbeitslosigkeit und Apathie.
Der sagenhafte Reichtum des Adeligen, der in der Metropole den traditionellen Zwängen seines eigenen Stands für kurze Zeit entkommen will, steht im symbolreichen Kontrast zur Armut der Arbeiterklasse. Als deren Vertreter sind die Protagonisten des von einer lokalen Legende inspirierten Krimis eine Art zeitgenössische Robin Hoods. Sie nehmen von denen, die auf ein unverkäufliches Kunstwerk bieten können, und behalten es für sich, die nichtmal genug Geld haben für eine ordentliche Beerdigung.
Fazit
Trostloser Sozialrealismus prallt in Rabah Ameur-Zaïmeches eigenwilliger Gangstersaga auf den hoffnungsvollen Heroismus einer Engelssage. Märchenhaft ist denn auch der in der mit sicherer Hand gespielten und inszenierten Handlung fest verankerte Glaube an einen eisernen Zusammenhalt der unteren Schichten. Dieser ist als humanistisches Gegenstück der Gleichgültigkeit des institutionalisierten Sozialsystems das Kernmotiv des minimalistischen Plots. Dessen Effektivität untergraben allerdings gerade diese Narrative von Fürsorge und Verantwortung, die greifen, wo das System versagt.
Autor: Lida Bach