Inhalt
Der Dolmetscherin Alice fehlen zwei Tage. Zwischen Montag und Donnerstag klafft eine Lücke, sie selbst glaubt zunächst, ihr würde übel mitgespielt. Durch zahlreiche Hinweise ist ihr schnell klar, dass sie wohl wirklich etwas außerhalb ihres Bewusstseins erlebt hat. Immer präsent: Erschreckende Bilder eines auf dem Mond zurückgelassenen Astronauten…
Kritik
Ob man den letzten der nur 5 Spielfilme von Luigi Bazzoni (Ein schwarzer Tag für den Widder) wirklich (wie oft getan) als Giallo bezeichnen mag oder nicht, unabhängig davon liefert er eine der wohl irritierensten und gleichwohl interessantesten Eröffnungssequenzen. Ein bewusstloser Astronaut wird von einem Kollegen über den Mond geschleift. Dort ausgesetzt. Das Spaceshuttle startet wieder. Als der zu sich gekommene „Schiffbrüchige“ erkennt, das er gerade zu einem qualvollen Tod verdammt wurde, ist sein panischer Blick selbst durch das kleine Sichtfenster seines Helms unmissverständlich. Nach einem Schnitt zur Erdbasis und dem mysteriösen Professor Blackmann (Klaus Kinski, Leichen pflastern seinen Weg) endet diese sonderbare Sequenz mit dem Erwachen der eigentlichen Protagonistin Alice (Florinda Bolkan, Das wilde Schaf), die alles nur geträumt hat. Gott sei Dank…oder auch nicht?
In der Folgezeit geschieht sehr Merkwürdiges um Alice. Ihre Arbeitgeber werfen ihr vor sich unerlaubt vom Arbeitsplatz entfernt zu haben und tagelang nicht erreichbar gewesen zu sein. Sie selbst muss feststellen, dass sie den Donnerstag erst für den Dienstag hält und keine Ahnung hat, was in den vermissten 48 Stunden geschehen ist. Und auch in ihrer Wohnung häufen sich die Indizien für das Blackout des Jahrzehnts. Ein verlorener Ohrring ist da noch das banalste Problem. Viel seltsamer ist ein ihr unbekanntes, gelbes Kleid im Schrank. Befleckt mit Blut und wie maßgeschneidert. Dazu das zerrissene Foto eines Hotels aus dem Ort Garma in der Schweiz. Dorthin begibt sich Alice, in der Hoffnung dem nur bruchstückhaft vorangehenden und eher irritierenden als erhellenden Erinnerungsprozess auf die Sprünge zu helfen. Das wird dauern, für einige Verwirrung sorgen und sie mit etwas Konfrontieren, was wohl nur die Wenigstens so direkt vorhergesagt hätten.
Dass Spuren auf dem Mond tatsächlich der letzte Spielfilm des noch recht jungen und sagenhaft talentierten Regisseur Luigi Bazzoni bleiben sollte, es ist wirklich bedauerlich. Vielleicht wollte er einfach nicht mehr. Hoffentlich, denn an der fachlichen Qualität sollte es nicht scheitern. Zu Zeiten, als das italienische Genrekino fast schon übersättigt war von roher Gewalt durch blutdurstige Serienkiller oder wutschnaubende Polizisten reitet Bazzoni keinesfalls diese effektive Welle. Bleibt sich und seinem Hang zum psychologisch-geprägtem Mystery-Suspense treu, der sich eines langen und spannenden Atems bedient und sich diesmal sogar wirklich nicht vor einer äußerst individuell-verschrobenen Pointe scheut, die das Ganze aber total sinnig abrundet. Der Film verwendet zwar einige aus dem Giallo bekannte Elemente, wie der besonders im Schlussdrittel durch Farbgebung und Beleuchtungsmethoden ausdrucksstarken Bildgestaltung, spart sich aber voyeuristische, reißerische Schauwerte komplett aus.
Wie schon in seinem Debütfilm La donna del lago ist Bazzoni’s (diesmal weibliche) Hauptfigur auf der Suche nach der Wahrheit hinter der Fassade eines vermeidlich idyllischen Urlaubsortes, bei dem es sich andeutungsweise sogar um ein und denselben handelt. Theoretisch möglich, wurde dessen Name im ersten Film nie erwähnt. Es würde passen, denn nicht nur von ihrer Kulisse, auch in ihrer Vorgehensweise ähneln sich beide Filme frappierend. Wobei diesmal bis zum Schluss gar nicht mal klar ist, ob des Rätsels Lösung überhaupt auf ein Verbrechen und dann auf welche Art davon hinausläuft. Fasziniert und neugierig folgt der Zuschauer der orientierungslos durch ihre ausgeblendete Vergangenheit stolpernden Alice und ist dabei immer so ratlos wie sie selbst. Das ist nicht nur spannend als Thriller per se, es funktioniert zudem als psychologisch clever gewobene Charakterstudie über (selbstgewählte?) soziale Isolation und damit einhergehende emotionale Einsamkeit, mündend in Kontrollverlust und verzerrte (Selbst)Wahrnehmung. Das etwas eigenwillige, aber durchaus positiv überraschende Ende verleiht dem Film eine zusätzlich tragisch-bittere Note, die trotz aller vermeidlichen Klarheit noch bewusst einen klitzekleinen Rest Rätselhaftigkeit und Restzweifel übrig lässt.
Fazit
Mysteriöser, eleganter und durchaus tiefgründiger Suspense-Thriller, der maximal Spuren von Gialli enthalten kann. Eher De Palma, Hitchcock oder Roeg als Argento, Fulci und Konsorten. Eine gelungen Abwechslung im doch immer recht ähnlichen italienischen Genre-Kino der 70er Jahre. Auch wenn es Schade ist, dass dies bereits der letzte Film von Luigi Bazzoni sein sollte: Besser so als zusehends seinen guten Ruf mit jedem weiteren Film selbst zu demontieren, wie es einige seiner damaligen Kollegen kümmerlich vorgelebt haben.
Autor: Jacko Kunze