Inhalt
Jane, Jacqueline, Ginette & Rita arbeiten als Verkäuferinnen in einem kleinen Laden in Paris. Die vier jungen Frauen sind lebensfroh, aber alle auf der Suche nach dem persönlichen Glück. Was keiner so recht gelingen mag. Für eine von ihnen endet es gar fatal.
Kritik
Die Unbefriedigten war für Claude Chabrol (Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen) der erst vierte Film seiner Karriere – in gerade mal zwei Jahren. Dieses enorm hohe Tempo behielt er über einen langen Zeitraum bei, womit er bis zu seinem Tod auf über 70 Regiearbeiten kam, bis auf einen verschwindend geringen Bruchteil alle für das Kino. So ein emsiger Output spricht entweder für (meistens) schrottige Vielfilmer wie Jess Franco (Vampyros Lesbos) oder rastlos Kreative wie Woody Allen (Manhattan). Chabrol war eindeutig Letzteres. Als einer der Mitbegründer der Nouvelle Vague verlieh er dem europäischen Kino frischen, seinem aktuellen Zeitgeschehen angepassten Wind, den dieses Werk als ein früher Vertreter seiner Zunft auch heute noch unverkennbar wiedergibt.
Jane (Bernadette Lafont, Paulette), Jacqueline (Clotilde Joano, Z – Anatomie eines politischen Mordes), Ginette (Stéphane Audran, Der Schlachter) und Rita (Lucile-Saint Simon, Die unheimlichen Hände des Dr. Orlak) sind vier junge, hübsche und zumindest augenscheinlich selbstbewusste Frauen, die gemeinsam in einem kleinen Geschäft in Paris als Verkäuferinnen arbeiten. Durch den monotonen 9 to 5 Arbeitsalltag quälen sie sich gelangweilt durch, nach Feierabend suchen sie Freiheit, Abenteuer und Erfüllung im Nachtleben der Stadt. Mitunter gemeinsam, alle jedoch auf völlig verschiedene Art und Weise. Die mannstolle Jane stürzt sich Kopfüber in jede Liaison die sich finden lässt, was ihr auch einige sehr erniedrigende Erlebnisse einbringt. Äußerlich stark scheint das am nächsten Morgen vergessen, der verzweifelte Schrei nach Anerkennung und Bestätigung muss dabei für den Beobachter nicht erst zwischen den Zeilen entdeckt werden. Ihre Mitbewohnerin Ginette trennt sich jeden Abend von der Gruppe, welche deshalb schon über eine heimliche Affäre spekuliert. Tatsächlich tritt sie unter einem Pseudonym als Sängerin in einem Cabaret auf die Bühne, um sich der unbedeutenden Banalität des täglichen Trotts zu entziehen. Rita hingegen hat die Zukunftspläne schon festgeschnürt und ist mit Henri, einem Muttersöhnchen aus gutem Hause verlobt. Dieser biegt sich die in seinen Augen nicht standesgemäße Dame noch zurecht, damit sie dem versnobten Anspruch seiner Eltern genüge tut. Jacqueline ist die stets distanzierte. Abwartende. Bis sie von einem mysteriösen Motorradfahrer verfolgt wird. Egal wo sie ist, er taucht kurz darauf auf. Für sie die Bestätigung: Er ist die lang ersehnte, vom Schicksal bestimmte große Liebe.
Die Unbefriedigten erzählt keine Geschichte im eigentlichen Sinne, sondern ist mehr oder weniger als zeitdokumentarische Milieu- und Charakterstudie zu verstehen, die sich aber nicht auf eine bestimmte Figur festlegt. Viel mehr wird ein exemplarischer Ausschnitt eines kleinen Mikrokosmus dargestellt, der dafür eine sehr präzise, in seiner ernüchternden Pointe fast schon destruktive Bestandsaufaufnahme vom Ansatz angeblicher Emanzipation zerschmettert. Die vier Protagonistinnen sind einerseits moderne Frauen die auf eigenen Beinen stehen, andererseits können sie in dieser von Männern dominierten Gesellschaft nie gänzlich unabhängig sein. Die männlichen Figuren spiegeln dabei überwiegend deren hässliche Seite wider: Aufdringlich, sexistisch, lüstern und mit patriarchischem Anspruchsdenken ausgestattet. So ist die angebliche Emanzipation der Damen nur ein Trugschluss und ihre zur Schau getragenes Selbstbewusstsein lediglich Fassade. Sie bewegen sich wie Tiere im Gehege. Mit etwas Freilauf, aber sie bleiben gefangen. Auch weil sie sich letztlich nicht trauen, aus diesem auszubrechen. Zu sehr sind sie geprägt von dem Bedürfnis nach Geborgenheit, Sicherheit und am Ende doch so was wie der großen Liebe. Etwas, was ihnen allen zum Verhängnis wird, allerdings mit äußerst unterschiedlich-drastischen Konsequenzen.
Fazit
Claude Chabrol’s Milieustudie verfügt über eine hervorragende Beobachtungsgabe und analysiert sowohl mit leichtem Witz, überwiegend aber mit bedrückender Ehrlichkeit den Stand junger, selbstständiger Frauen im Paris der späten 50er Jahre. Und prangert dabei sehr deutlich die patriarchischen Gesellschaftsstrukturen an, die trotz des Anfluges angeblicher Emanzipation noch weit, weit entfernt sind von Gleichberechtigung in jedweder Form. Ein sehr lebendiger, pulsierender Film, der den Zuschauer am Ende beinah schonungslos auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Ein echter Chabrol halt.
Autor: Jacko Kunze