Inhalt
Warschau, 1968. Studenten protestieren gegen den rechtswidrigen Ausschluss ihrer Kommilitonen von der Universität und verteidigen das von Kazimierz Dejmek inszenierte Stück „Dziady“ (Ahnenfeier), das im Nationaltheater aufgeführt wurde. Auch Hania und Janek gehören zu den protestierenden Jugendlichen. Ihre Familien befinden sich auf beiden Seiten der Märzrevolte. Jung und unsterblich verliebt ineinander, wie in Shakespeares Drama Romeo und Julia, kämpfen sie in einem von Rebellion überwältigten Land um ihre Liebe . Wird ihre Liebe überleben? Werden sie in der Lage sein, die Widrigkeiten zu überwinden, die das Schicksal ihnen bereitet?
Kritik
Gesehen beim 29. JüdischenFilmfestival Berlin Brandenburg
Der Antisemitismus ist wahrscheinlich so alt wie das Judentum selbst und ist auch heute noch im doch so demokratischen und toleranten Europa verbreitet. Zum Glück sind aber die Zeiten vorbei, in denen Juden in Europa massenhaft staatlicher Verfolgung bis hin zur Vernichtung ausgesetzt waren. Doch wer denkt, dass mit dem Ende des 2. Weltkriegs der staatliche Antisemitismus in Europa endete, der liegt falsch. In den kommunistischen und sozialistischen Ländern Osteuropas war die Verfolgung und Ausgrenzung der Juden noch Jahrzehnte später an der Tagesordnung. So auch in Polen in den 60er Jahren. Nach dem Sechstagekrieg 1967 zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarländern brachen die Staaten des Warschauer Pakts nach dem Vorbild der UdSSR reihenweise die diplomatischen Beziehungen zu Israel ab und sahen fortan in allen Juden ausländische (westliche) Spione, weshalb es zu zahlreichen Repressalien kam. Viele verloren ihre Arbeitsplätze und sahen sich zunehmender Diskriminierung im Alltag ausgesetzt, gefördert durch das politische System um den damaligen polnischen Regierungschef Władysław Gomułka.
Als in Warschau im März 1968 Studentenproteste ausbrechen, die sich gegen die Absetzung des Theaterstücks "Die Ahnenfeier" von Adam Mickiewicz und gegen die staatliche Zensur richten, kommt es zu einer brutalen Niederschlagung der Aufstände. Für die Eskalation werden die Juden verantwortlich gemacht, die von nun an öffentlich verfolgt und zur Ausreise gezwungen werden. Vor diesem geschichtlichen Hintergrund spielt der Spielfilm von Krzysztof Lang (Liebe nicht inbegriffen), der beim 29. Jüdischen Filmfestival Berlin-Brandenburg in der Sektion Wettbewerb Spielfilm zu sehen war. Der Film erzählt eine fast schon klassische tragische Liebesgeschichte über ein junges Paar, dessen Liebe in den Wirren der Zeitgeschichte auf die Probe gestellt wird. Zu Beginn des Films lernen sich Hania (Vanessa Aleksander, The Hater) und Janek (Ignacy Liss, Fanfik) kennen und so wie sich die beiden Hauptfiguren nach und nach näher kennenlernen und mehr über sich erfahren, ergeht es auch dem Publikum. Lang gelingt es dabei, die Charaktere langsam zu entwickeln und ihre familiären Hintergründe nur soweit zu offenbaren, wie es für den Spannungsaufbau gerade richtig ist. Geschickt verwebt er die historischen Ereignisse mit der Liebesgeschichte, in dem er einzelne Originalradio- und Fernsehaufnahmen in den Film integriert.
Der Zuschauer erkennt die heraufziehenden dunklen Wolken am Horizont, doch das junge Liebespaar will dies nicht wahrhaben und ignoriert alle Anzeichen. Die jugendliche Liebe, die Unbekümmertheit des Liebespaares und die Freude am Leben zeichnen die erste Hälfte des Films aus. Bevor sich die Stimmung zusehends verändert, tauchen erste Probleme im familiären Umfeld auf, die sich vor allem in Janeks Familie noch zuspitzen werden. Janeks Vater (Ireneusz Czop, Broad Peak) arbeitet für das Ministerium für Sicherheit und scheut nicht einmal davor zurück, seinen eigenen Sohn auszuspionieren. Deshalb ist er auch nicht begeistert, als er erfährt, dass Hania aus einer jüdischen Familie stammt. Für Janik und für Hania hat dies indes keine Bedeutung, weshalb Hanias Herkunft bis dahin nie thematisiert wurde. Aber viel dramatischer ist die Situation in Hanias Familie. Ihr Vater (Mariusz Bonaszewski, Bartkowiak) verlor bereits seine Anstellung als Arzt und eigentlich müsste er gewarnt sein, da er bereits den Holocaust überlebte. Doch aller Anzeichen und Warnungen zum Trotz verharrt er, bis die Situation endgültig eskaliert. Beide Familien sind derart gegensätzlich, dass es umso erstaunlicher ist, dass ausgerechnet Hania und Janek zueinander finden. Lang hat ein Gespür dafür, die Dramatik der Handlung in die politischen Geschehnisse einzuflechten, ohne das eine oder das andere zu sehr in den Vordergrund zu rücken. Mit den beiden Hauptdarstellern Ignacy Liss und Vanessa Aleksander hat er zudem eine gute Wahl getroffen. Die beiden können sowohl die jugendliche Unbekümmertheit, als auch die Ernsthaftigkeit der politischen Lage überzeugend transportieren und harmonieren dazu noch perfekt miteinander.
Fazit
„March '68“ ist ein Film, der in der heutigen Zeit nicht wichtiger sein könnte. Krzysztof Lang eröffnet dem Publikum einen Einblick in die polnische Geschichte, die wohl außerhalb Polens kaum bekannt ist und aus der sich Parallelen zu so manchen politischen Ereignissen der Gegenwart in Europa ziehen lassen. Der Film dient daher auch als Warnung an die heutige Gesellschaft, achtsam zu sein. Die Liebesbeziehung der beiden Hauptprotagonisten verleiht dem zugleich eine angenehme Leichtigkeit und erleichtert den Einstieg in die doch recht komplexen politischen Ereignisse. Ein gelungener Film mit herausragenden Hauptdarstellern.
Autor: Andy Mieland