Inhalt
Psychodrama von Pedro Almodóvar, in dem Marisa Paredes eine verzweifelt verliebte Schriftstellerin von Groschenromanen spielt, deren Ehemann sich von ihr trennt.
Kritik
Nachdem er bei Kika wieder alle Register der politisch unkorrekten, provokanten Anarcho-Groteske gezogen hatte, drosselt Pedro Almodóvar bei seinem 12. Spielfilm den Tonfall wieder deutlich. Was keinesfalls negativ behaftet ist, ist Almodóvar doch so viel mehr als nur der schrille Paradiesvogel mit der frechen Schnauze und dem garstigen Schalk im Nacken.
Wie immer (bis dahin) aus der femininen Perspektive erzählt, beinhaltet Mein blühendes Geheimnis alle Zutaten eines typischen Almodóvar: Eine Frau an einem Scheidepunkt in ihrem Leben, der alles bisher Geschehene massiv in Frage stellt und sie zu so mach schwierigen Entscheidungen zwingt. Leo (Marisa Paredes, High Heels) befindet sich zwischen künstlerischer Sinnsuche und handfester Beziehungskrise. Unter dem Pseudonym Amanda Gris hat sie sich zur Bestsellerautorin kitschiger Liebesromane gemausert, verabscheut ihre eigenes Schaffen allerdings zutiefst. Lieber würde sie schwarze Tragödien schreiben, doch ihre Verleger wollen nur noch mehr Schnulzen nach dem gleichen, billigen Muster in Fließbandgeschwindigkeit. Leo fast einen Entschluss, wirft ihr aktuelles Manuskript in den Müll und beginnt eine neue Karriere als Literaturkritikerin bei einer Zeitung. Ihr gutmütiger Chef Ángel ahnt nichts von ihrer bisherigen „Berufung“, wodurch sie selbst in den Genuss kommt, die Werke ihres Alter Ego nach allen Regeln der Kunst zu verreißen. Dass Ángel an ihr mehr als nur in beruflicher Hinsicht interessiert scheint, nimmt sie dabei gar nicht wahr, denn eigentlich will sie ihre auf der Kippe stehende Soldaten-Strohwitwen-Ehe noch irgendwie retten. Ohne dabei zu bemerken, was bereits mit ihr für ein hinterfotziges Spiel getrieben wird.
Zwar verzichtet Pedro Almodóvar nicht auf einige ausfällige Scharmützel und den ein oder anderen Seitenhieb auf den guten Ton, dennoch ist Mein blühendes Geheimnis längst nicht so ein Frontalangriff auf gesellschaftliche Gepflogenheiten und das Spießbürgertum wie von ihm bis dato gewohnt und eigentlich längst zum Standard geworden. Was bei anderen Filmemachern wahrscheinlich als schräg gelten würde, ist in dem fast schon autarken Mikrokosmos seines Regisseurs ein verhältnismäßig gediegener, stiller Beitrag. Etwas erwachsener, aber längst noch nicht milde oder ausgebrannt. Nein, der Mann muss nur nicht mehr so auf die Kacke hauen, um aufzufallen. Lässt die ganz grobe Kelle im Küchenschrank und konzentriert sich lieber auf seine intuitiven Stärken. Erschafft Charaktere, die so weit weg von perfekt oder zufrieden sind, dass sie einem sofort ans Herz wachsen. Und trotz ihrer verschrobenen Art viel realer erscheinen als all die Pappkameraden, die einem in der Filmwelt sonst so oft begegnen. Dazu beherrscht der gute Pedro das Geschichtenerzählen inzwischen hervorragend. Waren seine früheren Werke mehr wilde Nummernrevuen, entwickelt er nun richtig gut konstruiertes Plots, die immer noch etwas unkonventionell auftreten, aber immer einem logischen Plan folgen. Diese Mischung zeugt nicht nur von Individualität, sie zeugt von echter Klasse.
Fazit
Eine Art Comig-of-Middle-Age-Geschichte einer Frau leicht jenseits der besten Jahre, die sich nun schlagartig neu erfinden muss. Zwischen zwei Identitäten, zwischen zwei Männern. Mit Witz, Emotion und Herz erzählt, ohne sich dabei zu sehr im Ton zu vergreifen (nur hier und da mal etwas pöbelt, aber das ist ja auch gut so) oder in den Kitsch zu verfallen, der hier ganz offensiv an den Pranger gestellt wird. „Mein blühendes Geheimnis“ ist sicher einer der unspektakuläreren Filme von Pedro Almodóvar, was ihm Qualitativ aber nicht schadet. Ihn nicht auf ein Podest hebt, was er auch absolut nicht benötigt. Einfach ein schöner Film, den so praktisch nur einer machen kann.
Autor: Jacko Kunze