Inhalt
Die resolute Diane liebt ihren 15-jährigen Sohn Steve über alles, obwohl er sie mit seinen extremen Wut- und Gewaltausbrüchen in den Wahnsinn und in den Ruin treibt. Seit dem Tod seines Vaters hat Steve eine Reihe von Heimen für schwer erziehbare Kinder durchlaufen. Nun kommt er zurück zu seiner Mutter, weil niemand sonst mit ihm fertig wird. Mit seinem fordernden Anspruch auf die Rolle des Mannes im Haus und seiner überbordenden Liebe zu ihr stellt er sie auf die Probe. Dabei ist Diane auch ohne ihren unbändigen Sohn längst überfordert mit sich und der Welt. In ihrem Bemühen, ihr Schicksal zu meistern, bekommt sie unverhofft Hilfe von der schweigsamen Nachbarin Kyla, der es gelingt, eine Balance in der Mutter-Sohn-Beziehung zu schaffen und eine zarte Hoffnung auf eine vielleicht doch noch glückliche Zukunft aufkeimen zu lassen.
Kritik
„Steve ist gewalttätig. Er ist ein lieber kleiner Junge und er hat viel Charme, aber wenn ihm die Sicherung durchknallt, kommt man ihm besser nicht zu nahe, dann wirds gefährlich. Es ist nur noch eine Frage der Zeit."
Wenn man von einem Regisseur hört, der bereits mit 25 jungen Jahren den fünften Langfilm auf die Menschheit losgelassen hat, sollte man die Ohren spitzen. Jugend ist natürlich nicht gleichbedeutend mit hochwertigen Filmen, im Fall von Xavier Dolan, Frankokanadier, Jahrgang 1989, kann man aber noch einiges erwarten. Seine Filme waren auf diversen Festivals von Rang und Namen zu sehen und räumten jedes Mal Standing Ovations und Preise ab. "Mommy" aus dem Jahr 2014 ist da keine Ausnahme und gewann den Preis der Jury in Cannes.
Die Geschichte von "Mommy" spielt im Quebec der Gegenwart. Unter Zuhilfenahme einer Narrative, Eltern können ohne weiteres ihre verhaltensauffälligen Kinder in Krankenhäuser abschieben, erzählt der Film den Kampf der alleinerziehenden Mutter Diane "Die" Després (Anne Dorval) mit ihrem 15-jährigen Sohnes Steve (Antione-Olivier Pilon). Zwischen Euphorie und Depression steht man als unsichtbarer Dritter direkt neben dem Geschehen. Da fällt besonders das ungewöhnlich Bildformat 1:1 auf, dass die an Cinemascope gewöhnten Augen streckenweise ganz schön auf die Probe stellt. Man macht sich gar nicht bewusst, welch eindringlichen Effekt die simple Änderung des Bildausschnittes bewirken kann. Der Zuschauer spielt nicht nur Betrachter, sondern nimmt fast physisch in der Szenerie Teil.
So gehen wir also auf eine Reise zu den sogenannten sozial Schwachen. Der Handlungsort ist dabei unerheblich, reale Vorlagen finden sich sicher auch bei uns. Wie eine biblische Plage bricht der Sohn, der zu Beginn des Films einem Heim für schwererziehbare Jugendliche verwiesen wurde, über die Mutter herein. Deren Leben stammt auch aus keinem Kinderbuch, gerne werden die alltäglichen Probleme mit einem Schluck aus der Schnapsflasche "bewältigt", die passenderweise überall im Haushalt verteilt sind. Den Wutausbrüche ihres Sohnes ausgesetzt, sieht sich die ansonsten toughe Die mehr als einmal in der Verteidigungsposition. Das neue Jugendgesetz schwebt dabei einer Reißleine gleich über der Familie, doch Die versucht Alles, um diesen Weg nicht gehen zu müssen. Währenddessen bricht durch Sohn Steve die Hölle los.
In seiner Erzählstruktur ähnelt "Mommy" stark dem pessimitischen Spielfilm "Der freie Wille" von Matthias Glasner aus dem Jahr 2006. Beide Protagonisten werden von ihren Störungen getrieben und sind eine Belastung für das direkte Umfeld. Doch wo Jürgen Vogel in der Perspektivlosigkeit versinkt, bietet "Mommy" lichte Momente, in denen die Charaktere glücklich wirken. Sogar das starre 1:1 Format muss an diesen Stellen weichen und der Zuschauer wünscht sich, das Glück würde ewig anhalten. Ein aufrichtiges Wechselbad der Gefühle auszulösen schaffen nicht viele Filme, "Mommy" macht es mit Bravur.
Fazit
"Mommy" ist ein starkes Stück Film und nichts für einen netten Filmabend unter Freunden, will man nicht die Stimmung im Keller sehen. Mit dem zeitgenössischen Soundtrack und dem speziellen Bildformat, besonders aber mit der schauspielerischen Leistung aller Beteiligten, liefert Xavier Dolan einen der besten Filme des vergangenen Jahres ab.
Autor: Magnus Knoll