Inhalt
Die vierzehnjährige Mouchette lebt in einem kleinen Dorf in Südfrankreich und erfährt kein Zeichen von Verständnis und Liebe bei ihrer Familie, sie langweilt sich in der Schule. Im Wald wird sie Zeuge des Streits zwischen dem Förster und dem Wilderer, der den Förster tötet und sie in seiner Hütte im Vollrausch vergewaltigt.
Kritik
“All you need for a movie is a girl and a gun”, sagte Jean-Luc Godard (Außer Atem) einmal. Robert Bresson (Zum Beispiel Balthasar) geht noch einen Schritt weiter und verzichtet sogar auf die Waffe. Wobei auch die titelgebende Mouchette in Bressons gleichnamigen Film aus dem Jahre 1967 nur wenig mit der Art von Mädchen zu tun, an die Godard bei seinem Ausspruch gedacht hat. Sie ist 14, stammt aus ärmlichsten Verhältnissen und muss neben ihrem Außenseitertum auch die Last und Verantwortung für ihre Familie schultern. Der Film selbst meint es dabei nicht sonderlich gut mit ihr, denn die schnöden und trostlosen Momentaufnahmen steigern sich nach und nach zu einem Crescendo der Tragik. Mouchette schildert dieses Leben schnörkellos, gleichzeitig teilnahmslos und doch mit einer fast schon erschlagend kraftvollen Zuneigung für seine Hauptfigur.
Dahinter steht mit Robert Bresson ein französischer Regisseur, welcher die Mechanismen des Minimalismus verinnerlicht hat. In seinen Bildern liegt eine Strenge und zentrierte Detailverliebtheit, die nahezu einmalig ist. Allein der kühle Blick von Mouchette vermag es die Zuschauer mehr zu bewegen, als die Hälfte aller melodramatisch überzeichneten Hollywoodfilme zusammen. Es gibt nur wenige Dialoge, fast keine Musik und auf offensichtlich spektakuläre Einstellungen wartet man vergebens. Stattdessen spiegeln die trostlosen Szenen die Hoffnungslosigkeit von Mouchette wieder. Stumme Bilder, ruhige Bilder…angefüllt mit herzzerreißender Verzweiflung. Etwaige Schwächen lassen sich vor allem im Vergleich zu anderen Werken von Bresson finden, denn deren Kraft kann Mouchette allem Lob zum Trotz nur punktuell erreichen. Dennoch weiß der Film zweifelsohne seinen Zuschauer allein durch die Wirkung starrer schwarz-weiß Bilder zu bewegen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Regisseuren handelt es sich dabei nicht um Sinnbilder. Bresson versteht sein Handwerk keinesfalls metaphorisch, sondern vielmehr als direktes Abbild der Wirklichkeit. Aus diesem Grund wirkt Mouchette auch unmittelbar, klingt zwar durchaus nach, doch entfaltet den Höhepunkt seiner Emotionen stets im Moment. Auch in seiner Intention distanziert sich Bresson von einem Großteil aller anderen Filmemacher, weil er die vorliegende Emotionspalette nicht etwa missbraucht, sondern es ihm vielmehr um das erzeugte Gefühl selbst geht. Damit nimmt er innerhalb der internationalen Filmlandschaft eine besondere Stellung als großer Humanist ein und lohnt gerade deswegen auch im Jahr 2018 noch ungemein. Zweifelsohne ein Regisseur, ein Film, den vor allem junge Cineasten für sich (wieder)entdecken sollten.
Fazit
Einmal mehr beweist sich Robert Bresson als ein Meister des filmischen Minimalismus. Selten war ein Film mit so geringen Mittel so kraftvoll. Auf dem Papier droht die Passionsgeschichte eines jungen Mädchens schnell in Betroffenheitskitsch abzudriften, doch auf Film manifestiert verwehrt sich „Mouchette“ diesem Eindruck vollends. Ein Umstand, der vor allem Bressons humanistischem Gespür für präzise Bilder zu verdanken ist.
Autor: Dominic Hochholzer