5.8

MB-Kritik

Desert of Namibia 2024

Drama

5.8

Keisuke Horibe
Daichi Kaneko
Kanichiro
Yuumi Kawai
Yuzumi Shintani
Makiko Watanabe

Inhalt

Die 21-jährige Kana lässt sich durch ein Leben ohne klare Perspektive und festen Partner treiben. Ein Online-Therapeut sieht darin eine gestörte Persönlichkeit. Aber ist es wirklich die junge Frau, die verrückt ist? Oder vielleicht ihre ganze Generation, die sich mit wirtschaftlichen Krisen, globalen Kriegen und dem Vorwurf der Kinderlosigkeit auseinandersetzen muss? Oder ist durchdrehen die normale Reaktion auf diese Welt?

Kritik

“You’re not my therapist”, entgegnet die junge Hauptfigur Yôko Yamanakas prägnanter Persönlichkeitsstudie einem aufdringlichen Ex-Partner. Davon hat Kana (Yumi Kawai, Plan 75) viele. Die 21-jährige Angestellte driftet scheinbar ziellos zwischen Beziehungen und Jobs, die ihre Zeit ausfüllen, aber nicht ihre emotionale Leere. Jene ist das übergreifende Gefühl der erratischen Episoden, deren latente Anspannung die impulsartige Rastlosigkeit der kantigen Protagonistin spiegelt. Phasen unfokussierten Antriebs wechseln mit Anfällen niedergeschlagener Lethargie, die sie eine Anstellung oder ein Verhältnis hinschmeißen lassen. 

Bipolar“, nennt es ein Psychologe auf dem Laptop-Bildschirm während eines Online-Counselings. Oder Borderline-Persönlichkeitsstörung. Eine konkrete Diagnose erfordere viele Gesprächsstunden, die sich Kana in der teuren Privatklinik nicht leisten könne. Die formell schlichte Inszenierung ist gespickt mit solch hintersinnigen Dialogen und Details, in denen Sarkasmus und Sozialkritik zu einem pointierten Zeitbild verschmelzen. Kana ist unter den fast ausschließlich jungen Figuren, deren wertungsfreie Beobachtung das individuelle Porträt zu dem einer Generation erweitert, die sich am System abkämpfen.

Frustration und Fluchtphantasien zeigen sich als die eigentlich sinnfälligen Reaktionen auf eine Gesellschaft, die ihren Mitgliedern maximale Assimilation abverlangt. Unaufrichtigkeit und Selbstunterdrückung werden normalisiert, Unbefangenheit und Authentizität gelten als pathologisch. In diesem weiteren dramatischen Kontext ist die eingangs beschriebene Auseinandersetzung nicht nur symptomatisch für die - nicht selten filmisch romantisierte - Übergriffigkeit patriarchalisch geprägter junger Männer. Sie ist zugleich eine Abgrenzung gegen die allgegenwärtigen Mechanismen konformistischer Unterdrückung, die Personen wie die eigenwillige Heldin physisch und psychisch bedrängen.

Fazit

„So many people nowadays don‘t use their own brains“, heißt es in einem der mehrdeutigen Kommentare, mit denen die Regisseurin und Drehbuchautorin indirekt ihr Kinopublikum herauszufordern scheint. In schnörkellosen Szenen, deren sachliche Nüchternheit selbst unvermittelte surreale Momente nicht aufregen, entwirft Yôko Yamanaka eine vielschichtige Momentaufnahme: eines unangepassten Charakters, einer an unterdrückten Träumen erstickende Generation, einer äußerlich hypermodernen, innerlich rückständigen Gesellschaft. Ein schauspielerisch differenziertes Werk, ganz wie seine Heldin: spröde, manchmal anstrengend, doch immer echt.

Autor: Lida Bach
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