Inhalt
Chile, 1988. Auf internationalen Druck lässt Diktator Pinochet ein Referendum über die Fortführung seiner Präsidentschaft durchführen: Das SI bestätigt ihn weitere acht Jahre im Amt, das NO öffnet den Weg zu freien Wahlen. Alle Prognosen sagen den Sieg Pinochets voraus, der Staat und Medien mit eiserner Hand kontrolliert. In der fast aussichtslosen Situation engagieren die Führer des breit gefächerten Oppositionsbündnisses den brillanten jungen Werbefachmann René Saavedra, obwohl der bisher mehr mit Erfrischungsgetränken als mit Politik zu tun hatte. Unter der ständigen Überwachung der Polizei, mit äußerst knappen Ressourcen, immensem Zeitdruck und einigem Gegenwind aus den eigenen Reihen entwerfen René und sein Team eine überraschende Kampagne, die das Regime mehr und mehr in die Defensive drängt. Erst allmählich wird René bewusst, mit wem er sich angelegt hat.
Kritik
Nach vier Jahren bringt der chilenische Filmregisseur Pablo Larraín seine Trilogie über die grausame Ära der Pinochet-Diktatur in Chile zum Abschluss. Nach den Filmen „Tony Manero“ (2008), der die brutalste Phase dieser Ära thematisiert, und „Post Mortem“ (2010), der von den Anfängen erzählt, schließt „No“ nun den Kreis und setzt sich zentral mit einer Volksabstimmung und dem damit verbundenen Ende der Diktatur auseinander. Dabei dürfte für den Film allerdings auch ein gewisses Hintergrundwissen über jene Zeit in Chile nicht völlig fehlen, um die oft unkommentierten Aussagen in ihrer Bandbreite aufnehmen und verstehen zu können. Dies führt dazu, dass der Film zwar in seiner Machart sehr interessant wirkt, allerdings das Thema und das Anliegen des Films oftmals nicht recht wirken können.
Das erste Bild des Films wird den Zuschauer nicht irritieren. Es scheint, als würde einem ein Ausschnitt aus einem alten Werbevideo gezeigt werden. Einfach so, wie das Fernsehbild damals aussah. Doch es folgt kein Um- oder Ausschalten des Fernsehers, welches die Qualität des Bildes erklären würde. Der Film fährt fort, das Bild war kein geschichtlicher Ausschnitt, sondern das wahre Kinobild. Das nun aber mag den Zuschauer vielleicht dann doch irritieren. Regisseur Pablo Larraín entschied sich dazu, seinen vierten Spielfilm im besonderen „Retro-Look“ zu präsentieren, der das Bild an die Aufnahmen aus den 80er Jahren anpasst. Das mag an sich etwas gewöhnungsbedürftig sein, doch verleiht es mit der Zeit dem Film seinen ganz eigenen Charme und fügt sich zudem perfekt in das Konzept des Regisseurs, Raum und Zeit verschmelzen zu lassen. Denn die verwendeten Original-Aufnahmen aus diversen Archiven aus der Zeit der Pinochet-Diktatur sind kaum vom gedrehten Material zu unterscheiden und so gelingt es Larraín, einen Geschichtsfilm zu kreieren, dessen konzipierter Beitrag sich wohl in die Historie fügt.
Eben diese Geschichte ist in ihrer Entstehung, Durchführung und vor allem Wirkung kaum zu übertreffen und verfügt über ein interessantes und spannendes Erzählpotenzial, geht es doch darum, wie sich zwei verfeindete Parteilager – in diesem Fall Augusto Pinochet und seine Diktatur gegen die allgegenwärtige Opposition – gegenseitig aus den Angeln heben wollen. Dafür steht jeder Partei an 27 aufeinanderfolgenden Tagen ein 15 minütiger Werbebeitrag zur Verfügung, in denen sie versuchen, die Mehrheit der Bevölkerung auf ihre Seite zu ziehen. Dabei setzt sich René Saavedra (Gael García Bernal), seines Zeichens ein gefragter Marketingexperte und Werbeclipregisseur, für die „NO“-Kampagne ein, die der Diktatur Pinochets ein Ende setzen soll. Politische Strategien treten dabei zutage, die man in heutigen Kampagnen nur noch belächelt, damals aber ein wirkungsvolles Mittel waren. Ebenso unternimmt die Militärdiktatur Versuche, die Produktion der oppositionellen Clips zu verhindern – Methoden, die fernab ihrer Realität dem Zuschauer vor allem aus anderen Filmen, wie etwa George Clooneys „Good Night, and Good Luck“, bekannt sein dürften.
Allerdings ist „No“ kein Hollywoodfilm. Das ist Tatsache und kein Vorwurf. Drastische Höhepunkte, knallharte Action oder spannungsgeladene Luft zum Zerreißen sucht man bei dem Film vergeblich. Auch das ist kein Vorwurf. Nur verpasst es der Film, irgendeine Art von Spannung aufzubauen und lässt damit das große Potenzial, welches er beherbergt, links (oder rechts) liegen. Die Inszenierung der Videos ist zum Teil zwar recht amüsant, doch fällt die Darstellung der Videoproduktion im Film manchmal zu nüchtern aus. Nüchtern kann dabei auch dem ganzen Film als Eigenschaft zugeschrieben werden. Die Probleme im Familienleben von René – seine Frau ist aktive Gegnerin der Diktatur und verbringt ihre Zeit mehr auf der Polizeiwache als bei dem eigenen Sohn – werden gezeigt, dürften aber kaum Reaktionen oder Emotionen beim Zuschauer hervorrufen, da sie zu unkommentiert, zu trocken inszeniert sind. So verhält es sich auch mit den Situationen, in denen das Filmteam von der Regierung unter Druck gesetzt wird. Der mögliche Nervenkitzel, der dabei möglich wäre, verläuft sich durch nichts und wieder nichts im Sande.
Einzig und allein den Schauspielern – und dabei allen voran: Gael García Bernal – ist es zu verdanken, dass der Zuschauer erahnen kann, was die Absicht hinter dem Gezeigten ist. Der durch die Filme „Amores Perros“ und „Babel“ bekannt gewordene Bernal strahlt eine beeindruckende Aura aus, die es dem Zuschauer ermöglicht, hinter die Fassaden zu blicken. Ohne sofort in Tränenbäche auszubrechen oder der Diktatur allein den Krieg zu erklären, sind Bernal die Wut, Angespanntheit, aber auch die Traurigkeit in den erforderlichen Szenen anzusehen, ohne in schauspielerische Ekstasen zu verfallen. So trägt er seinen ganz eigenen Teil zum Charme des Films bei.
Fazit
Pablo Larraín vermittelt mit seinem Oscar-nominierten Film „No“ einen außergewöhnlichen, nachhaltigen Reiz – das gewisse Etwas, was durch die Bildkomposition und seinen Hauptdarsteller Gael García Bernal unterstrichen, durch mangelnde Aussage in den Szenen und zu oberflächliche, trockene Darstellung aber gemindert wird.