Inhalt
Die alleinerziehende Ukrainerin Irina lebt mit ihrem 13-jährigen Sohn Igor in einer tschechischen Kleinstadt. Eines Nachts wird der Junge schwer verletzt aufgefunden und berichtet von einem Überfall. Während die Polizei ermittelt, solidarisiert sich die ganze Stadt mit Mutter und Sohn. Der Verdacht fällt schnell auf Irinas Roma Nachbarn. Als Igor im Krankenhaus aufwacht, kommt die Wahrheit über den Vorfall ans Licht. Zur gleichen Zeit erstarkt in der Stadt eine politische Kampagne, mittels der rechte Akteure den Vorfall für ihre Zwecke nutzen wollen.
Kritik
Der quasi-dokumentarische Realismus, in den Michal Blasko sein konzises Kino-Debüt kleidet, scheint die naheliegende Wahl für die von Jakub Medvecky nach einem realen Vorfall verfasste Story. Deren nuancierte Inszenierung zieht ihre dramatische Kraft indes aus der subtilen Symbolik äußerlich naturalistischer Momente wie der Eröffnungsszene. Die alleinerziehende Irina (Vita Smachelyuk, Holodomor - Bittere Ernte) bleibt auf dem Rückweg aus ihrer ukrainischen Heimat mit dem Reisebus im Stau stecken und muss sich auf anderem Wege in ihren tschechischen Wohnort durchschlagen.
Der Prolog steht nicht nur sinnbildlich für die zahllosen Kämpfe, die Menschen in prekärer Lage wie die Hauptfigur täglich ausfechten müssen, sondern das gesellschaftspolitische Getriebe, in das ihr Leben unversehens gerät. Grund für Irinas Eile ist ihr 13-jähriger Sohn Igor (Gleb Kuchuk), der schwer verletzt im Krankenhaus liegt. Die Polizei spricht von einem Überfall, dessen schnell der Sohn der Roma Nachbarin verdächtigt wird. Die öffentliche Solidarität, die Irina erfährt, ist eng verwunden mit nationalistischem Hass.
So sehr sich die Protagonistin davon distanzieren will, so vertrackt ist ihre Situation. Ihre Einbürgerung und der Traum von beruflicher Selbstständigkeit stehen auf dem Spiel, das rechte Akteure mit dem medienwirksamen Vorfall spielen. Die schmutzige Enge des Sozialbaus steht für ein marodes System, das Minderheiten gezielt marginalisiert, um sie gegeneinander auszuspielen. Gefangen in ihrer sozialen Sackgasse wird Irina Spielball politischer Fraktionen, deren als Anteilnahme getarnter Opportunismus an die gefährliche Nähe von Staatstreue und Nationalismus mahnt.
Fazit
Statische Kameraeinstellungen unterstreichen die ausweglose Lage der Hauptfigur Michal Blaskos harschen Sozialdramas. Dessen von stiller Spannung getriebenem Plot dienen reale Begebenheiten als Grundlage einer zeitaktuellen Parabel über die Politisierung des Privaten in einer gespaltenen Gesellschaft. Vita Smachelyuk vermittelt eindringlichen den unauflösbaren Konflikt einer gesellschaftlichen Randfigur, die erkennen muss, dass die Akzeptanz innerhalb einer privilegierten Gruppe sie ihre moralische Integrität kostet. Dumpfe Farben und karge Kulissen steigern die pessimistische Atmosphäre der differenzierten Systemkritik von bedrückender Zeitaktualität.
Autor: Lida Bach